Ideen für gesunde Bienen

Bienen sind wichtig für die Umwelt und die pflanz­liche Erzeu­gung. Die Land­wirt­schaft wird aber häufig für einen Rückgang der Bienen verant­wort­lich gemacht. Dabei gibt es im Agrar­be­reich eine Viel­zahl von Initia­tiven, um dem Bienen­sterben entge­gen­zu­wirken.

Der Rück­gang der Bienen: Ein sensi­bles Thema, bei dem sich d er Agrar­sektor häufig mit Vorwürfen konfron­tiert sieht. Oft werden jedoch die viel­fäl­tigen Faktoren wie der Witte­rungs­ver­lauf oder das Vorhan­den­sein von Para­siten, von denen das Wohl­ergehen der Pflan­zen­be­stäuber eben­falls abhängt, über­sehen. Außerdem verfügt die Agrar­branche über eine wach­sende Anzahl von Hilfs­mit­teln, um ihren Beitrag für das Über­leben ihrer wich­tigen kleinen Helfer zu leisten. In Deutsch­land und vielen Nach­bar­län­dern schwärmen Projekte aus, um sich dieser sehr konkreten Heraus­for­de­rung zu stellen.

Im Bereich des Pflan­zen­schutzes werden die direkten, zeit­lich verzö­gerten und kombi­nierten Auswir­kungen durch die Land­wirt­schaft sowohl in der Öffent­lich­keit als auch in der Wissen­schaft kontro­vers disku­tiert. Solange jedoch Ansätze wie RNA-Inter­fe­renz-Pesti­zide oder der Einsatz von Robo­tern zur Unkraut­be­kämp­fung noch Zukunfts­musik sind, bleibt nur die Möglich­keit, pflan­zen­bau­liche Maßnahmen während der Blüte­zeit der Kultur­pflanzen an den Akti­vi­täts­rhythmen der Bienen zu orien­tieren.

Vincent Henne bewirt­schaftet 135 ha in Nord­frank­reich.

Wann Nektar und Pollen gesam­melt werden, hängt von vielen Faktoren wie Tages­zeit, Luft­feuch­tig­keit, Wind, Anbau­kultur usw. ab. Die Forschung arbeitet noch daran, die verschie­denen Para­meter und ihre Wech­sel­wir­kungen besser zu verstehen. Zugleich werden Tech­no­lo­gien entwi­ckelt, die helfen sollen, die Risiken besser nach­zu­voll­ziehen und zu doku­men­tieren. Ein Beispiel hierfür sind die „vernetzten Bienen­stöcke“.

BESTÄTIGUNG FÜR GUTE ARBEIT

Der Fran­zose Vincent Henne hat drei solcher vernetzten Bienen­stöcke bei sich aufge­stellt. „Die Über­wa­chung der Bienen­ge­sund­heit dient für uns vor allem dem Zweck, eine Bestä­ti­gung für die Nach­hal­tig­keit unserer Arbeits­prak­tiken zu erhalten“, meint der junge Land­wirt aus Heud­icourt, der auf 135 ha Weizen, Zucker­rüben, Flachs, sechs­zei­lige Winter­gerste, Raps und Hülsen­früchte anbaut. Die Bienen­stöcke sind mit Waagen ausge­stattet, die direkt mit dem Betriebs­com­puter verbunden sind, um die Gesund­heit der Kolo­nien zu unter­su­chen.

 

Die Über­wa­chung der Bienen­ge­sund­heit dient für uns vor allem dem Zweck, eine Bestä­ti­gung für die Nach­hal­tig­keit unserer Arbeits­weise zu erhalten.

Vincent Henne

 

Die Bienen haben ihr Zuhause am Rande einer 1 ha großen Honig­brache zwischen den Raps­fel­dern. Das regne­ri­sche Jahr 2021 schien ihren Akti­vi­täten nicht gerade zuträg­lich zu sein. „Dennoch hat sich das durch­schnitt­liche Gewicht unserer Bienen­stöcke erhöht und beträgt jetzt 35 kg.“

Ende Mai 2021 wurden die Felder von Raps­glanz­kä­fern befallen und am frühen Abend gespritzt. Nachdem er die Schäd­lings-fallen in den Parzellen und das Gewicht der Bienen­stöcke kontrol­liert hatte, war Vincent Henne beru­higt, denn er konnte keine erhöhte Sterb­lich­keit bei seinen Bienen fest­stellen. „So kann ich sicher sein, dass meine Arbeits-weise keinen schäd­li­chen Einfluss auf die Bienen hat.“

DEN DIALOG VERBESSERN

In der Region Île-de-France wurde 2019 ein ähnli­ches Projekt gestartet. „Unser Ziel besteht darin, den gesell­schaft­li­chen Dialog zu verbes­sern, indem wir die Wech­sel­wir­kungen zwischen Land­wirt­schaft und Bienen­zucht erläu­tern und gleich­zeitig die regio­nale Honig-produk­tion fördern“, erklärt Elisa Despiney vom land­wirt­schaft­li­chen Arbeit­ge­ber­ver­band FDSEA Île-de-France. Dazu wurden von dem Netz­werk aus Land­wirten und Imkern vor Ort 20 vernetzte Waagen aufge­stellt.

Vernetzte Bienen­stöcke ermög­li­chen es Vincent Henne, die Akti­vi­täten der Bienen über die „Optibee“-Software auf seinem Computer zu beob­achten.

Ein Imker hilft Vincent Henne, Einfluss­fak­toren auf die Bienen­ge­sund­heit zu verstehen und seine Prak­tiken entspre­chend anzu­passen.

„Wir haben fest­ge­stellt, dass Raps und Sonnen­blumen die wich­tigsten Kulturen für die Ernäh­rung von Bestäu­ber­in­sekten sind“, erläu­tert Nicolas Cerrutti, Forschungs­be­auf­tragter für funk­tio­nale Biodi­ver­sität am Institut Terres Inovia, welches die vernetzten Waagen im Betrieb von Vincent Henne aufge­stellt hat. Im Jahr 2021 wurden Gebiete mit unter­schied­lich hohen Raps­an­teilen mitein­ander vergli­chen. „Dabei haben wir fest­ge­stellt, dass das Gewicht der Bienen­stöcke in Gebieten mit hohem Raps­an­teil erheb­lich höher war.“

 

Raps und Sonnen­blumen sind die wich­tigsten Kulturen für Bestäu­ber­in­sekten.

Nicolas Cerrutti

ANGEPASSTE MISCHUNGEN

Viele Faktoren, wie das Wetter, der Befall mit Varroa­milben oder der Großen Wachs­motte üben eben­falls einen großen Einfluss auf die Bienen­ge­sund­heit aus. Auf eine der wich­tigsten Varia­blen, den Blüten­be­stand, hat die Land­wirt­schaft aber einen großen Einfluss, denn wohl­ge­nährte Bienen sind resis­tenter gegen Stress­ein­flüsse. In Zeiten, in denen Nutz­pflanzen keine ausrei­chende Ernäh­rungs­grund­lage bieten, können Ansaaten außer­halb der Anbau­par­zellen helfen, die Nahrungs­lücke zu schließen.

Derar­tige Initia­tiven erfreuen sich seit einigen Jahren wach­sender Beliebt­heit. In Schweden mobi­li­siert ein Programm der Gesell­schaft für länd­liche Wirt­schaft und Land­wirt­schaft (SREAS) derzeit 700 Land­wirte für die Schaf­fung von Brach­land und Blüh­streifen. „Es handelt sich dabei um eine Initia­tive, die von der Branche selbst ausgeht und nicht etwa um eine Verpflich­tung, und genau das macht die Stärke des Projekts aus“, beschreibt es Mattias Hammar­stedt tref­fend. Der Agrar­wis­sen­schaftler ist als Berater im Regio­nal­büro der SREAS tätig und bewirt­schaftet selbst 145 ha.

 

Wir möchten einer breiten Öffent­lich­keit vermit­teln, dass sich die Land­wirte ihrer Verant­wor­tung bewusst sind.

Mattias Hammar­stedt

 

„Wir säen eine Samen­mi­schung aus, die Bestäuber anziehen soll.“ Das Programm stellt den Land­wirten zwei kosten­lose oder preis­re­du­zierte Samen­mi­schungen zur Verfü­gung, eine davon für den jähr­li­chen (Rain-farn-Phazelie, Buch­weizen, Persi­scher Klee, Wiesen­klee, Sonnen­blume) und die andere für den mehr­jäh­rigen (Rain­farn-Phazelie, Buch-weizen, Stein­klee, Purpur-Klee, Weiß­klee, Wiesen-Kümmel, Gewöhn­li­cher Horn­klee) Anbau.

Die Mischungen sind so zusam­men­ge­stellt, dass sie verschie­dene Arten von Bestäu­bern wie Hummeln, Bienen, Fliegen, Schmet­ter­linge und andere anziehen und dabei eine möglichst lange Blüte­zeit bieten. „Einigen Studien zufolge ist der Rück­gang der Hummel­po­pu­la­tion das größte Problem in Schweden. Außerdem muss den verschie­denen Hummel­arten – mit kurzer oder langer Zunge – Rech­nung getragen werden, die unter­schied­liche Blüten­arten benö­tigen, um den Nektar zu errei­chen.“

EIN BESSERES BILD

Insge­samt erstreckt sich der Verbund­be­reich über eine Länge von 800 Kilo­me­tern. „Die Forschungen haben gezeigt, dass es besser ist, die Bereiche, welche Nahrung und Lebens­räume bieten, zu unter­teilen, und zwar sowohl Blüh­streifen als auch Bereiche mit mehr­jäh­rigen Ansaaten. Denn die Hummeln fliegen von ihrem Nest aus nur ein paar Hundert Meter weit.“

Mattias Hammar­stedt, Agronom und Land­wirt, leitet das Projekt „Ganz Schweden blüht auf“.

Die meisten Land­wirte betei­ligen sich aus ökolo­gi­schen Gründen. Hammar­stedt stellt aber auch fest: „Natür­lich profi­tieren Raps­bauern ganz konkret von dem Programm, ebenso wie Obst anbau­ende Teil­nehmer. Trotzdem sagen uns die Land­wirte, dass es viel befrie­di­gender ist, diesen Ansatz zu verfolgen, als das Land brach liegen zu lassen.“

Ein weiterer Vorteil ist die posi­tive Reso­nanz in der Öffent­lich­keit und den Medien. „Neben den Zielen, Nahrung für Bestäuber zu gene­rieren und die Biodi­ver­sität zu erhöhen, geht es auch darum zu vermit­teln, dass wir nicht nur Problem­ver­ur­sa­cher sind, sondern zur Lösung vieler Umwelt­pro­bleme beitragen können – und dass sich Land­wirte ihrer Verant­wor­tung bewusst sind.“

SORGHUM ALS MISCHKULTUR

Ein anderer Weg besteht darin, die Blüten­viel­falt in den Feldern selbst zu erhöhen. Dies kann durch eine Auswei­tung der Frucht­folgen geschehen, sowohl bei den Anbau­kul­turen selbst als auch durch Zwischen­früchte. So kann z. B. eine Fläche mit Phacelia, die nur 0,1 %des Einzugs­ge­biets eines Bienen­volks einnimmt, punk­tuell 90 % der Pollen­ernte liefern.

 

Im Misch­anbau kann ein ebenso hoher Biomasse-Ertrag wie bei Sorghum im Mono­kultur-Anbau erzielt werden.

Steffen Wind­pas­singer

 

Weitere Möglich­keiten eröffnet die Pflan­zen­züch­tung, indem Sorten nach ihres Honig­po­ten­zials ausge­wählt und gezielt in der Nähe von Bienen­stö­cken ausgesät werden. In Deutsch­land zielt das im April 2020 von mehreren Projekt­part­nern gestar­tete Forschungs­pro­jekt SoBinEn darauf ab, das Blüten­an­gebot auf Flächen zur Bioen­er­gie­er­zeu­gung zu erwei­tern.

Hierbei werden als Haupt­frucht Sorg­h­um­hirsen (Sorghum bicolor L.) ange­baut, aus denen sich sehr gut Biogas erzeugen lässt. Da sie reich­lich Pollen liefern, sind sie auch für die Bienen wert­voll. Bleibt noch die Frage der Nektar­ver­sor­gung. „Wir haben Versuche durch­ge­führt, bei denen wir diese Sorghum-Sorten mit verschie­denen Arten Begleit­pflanzen, wie z. B. diversen Klee-Arten, kombi­niert haben“, erläu­tert Dr. Steffen Wind­pas­singer von der Justus-Liebig-Univer­sität. „In einem Fall werden Sorghum und Begleit­pflanzen gemeinsam gesät und geerntet. Bei dem anderen Modell werden Unter­saaten gesät, die nach der Ernte des Sorghums auf dem Feld verbleiben und somit im nächsten Jahr weiter­wachsen und blühen können. Die ersten Ergeb­nisse deuten darauf hin, dass im Misch­anbau bei geeig­neten Begleit­pflanzen ein ebenso hoher Biomasse-Ertrag wie bei Sorghum im Mono­kultur-Anbau erzielt werden kann.“

Deutsch­land: Neben Klee werden auch Buch­weizen, Sonnen­blumen, Ölret­tich, Bohnen, Luzerne und Espar­sette für den Misch­anbau mit Sorghum getestet.

Wind­pas­singer als Spezia­list für Sorghum-Saat­zucht unter­sucht auch die phäno­ty­pi­schen Merk­male der Begleit­pflanzen. „Unser Ziel ist es, dass für die Nektar­pflan­zen­arten, die unter­halb des Sorghums wachsen, genü­gend Licht und Wasser übrig bleibt. Dazu bewerten wir die Sorg­humpflanzen anhand der Krite­rien verti­kale Blatt­stel­lung, Wurzel­ar­chi­tektur und Besto­ckungs­nei­gung. Außerdem forschen wir nach der opti­malen Aussaat­dichte.“

ERWEITERUNG DER FRUCHTFOLGE

Dr. Rein­hold Siede vom Bienen­in­stitut in Kirch­hain geht der Frage nach, ob das System in der Lage ist, den Nahrungs­be­darf der Bienen zu decken. Anhand von Pollen­ana­lysen stellt der Wissen­schaftler fest, welche Mischungen für die Bienen beson­ders attraktiv sind. „Wir können noch keine endgül­tigen Ergeb­nisse vorlegen, aber das Nektar­po­ten­zial einiger Kombi­na­tionen hat sich bereits deut­lich bestä­tigt.“

In Deutsch­land werden auf ca. 8 % der land­wirt­schaft­li­chen Nutz­fläche Pflanzen zur Biogaser­zeu­gung ange­baut. „Es geht nicht darum, den Mais zu verdrängen, sondern zu ergänzen. Es wurde deut­lich, dass Misch­kul­tur­flä­chen Bestäu­bern eine Chance bieten, voraus­ge­setzt sie werden in ausrei­chendem Umfang ange­baut. Das anzu­stre­bende Ziel ist die Ausdeh­nung der Frucht­folgen, mit oder ohne Misch­anbau. Das kommt der Biodi­ver­sität zugute, und damit auch den Bienen.“