Bienen als Helfer beim Pflan­zen­schutz

Die Ausbrin­gung von Fungi­ziden während der Bestäu­bung durch Bienen könnte eine wirk­same Methode für den Pflan­zen­schutz in Erdbeeren darstellen.

Bei dem Wort Präzi­si­ons­land­wirt­schaft werden Bilder von Satel­liten, Compu­tern, Sensoren und anderen Wunder­werken des elek­tro­ni­schen Zeit­al­ters herauf­be­schworen. Doch aktuell kommt in den wich­tigsten Beeren­an­bau­ge­bieten der USA eine neue Fungizid-Anwen­dungs­tech­no­logie zum Einsatz, bei der eine leichte Abwand­lung einer der welt­weit ältesten land­wirt­schaft­li­chen Prak­tiken verwendet wird – die Bienen­zucht. Es ist mögli­cher­weise die bislang präzi­seste Anwen­dungs­tech­no­logie über­haupt.

„Der Prozess wird Bee Vecto­ring genannt“, so Dr. Sue Willis Chan, Leiterin des Bee Vecto­ring-Projekts 2020 an der Univer­sity of Guelph. „Die Bienen nehmen beim Verlassen des Bienen­stocks kleine Partikel auf, die biolo­gi­sche Pflan­zen­schutz­mittel enthalten, und verteilen diese auf blühende Pflanzen. Dies ist bei Erdbeeren, Himbeeren, Äpfeln, Kaffee, Gurken und unter Umständen auch bei Sonnen­blumen und einigen Raps­sorten anwendbar. Im Grunde kann die Tech­no­logie bei allen blühenden Kultur­pflanzen einge­setzt werden, bei denen Bienen für die Bestäu­bung sorgen.“

Dr. Sue Willis Chan, Leiterin des Bee Vecto­ring-Projekts der Univer­sity of Guelph, ist der Meinung, dass der Prozess bei allen Kultur­pflanzen anwendbar ist, bei denen Bienen zur Bestäu­bung einge­setzt werden.

Pflan­zen­schutz von Blüte zu Blüte

Das Konzept, das erst­mals an der Univer­sity of Guelph in Ontario in den 1990er Jahren zur Anwen­dung kam, ist recht einfach. Biolo­gi­sche Pflan­zen­schutz­mittel werden mit einem pulver­för­migen Verdün­nungs­mittel vermengt und in Dispenser gefüllt. Einige Dispenser sind Einsätze, die in speziell konstru­ierten Hummel­kästen einge­rastet werden, andere werden an Bienen­stö­cken befes­tigt. Die Bienen krie­chen beim Verlassen des  Bienen­stock durch den Dispenser, und das Mittel bleibt an ihren Körper­här­chen haften. Sie tragen es mit sich, wenn sie davon­fliegen, um Pollen oder Nektar von den Blüten zu sammeln. Wenn sie landen, wird es auf die Blüten abge­streift, wodurch diese vor Patho­genen wie Botrytis (Grau­fäule) geschützt werden. Andere Bestäuber können das Mittel dann weiter verbreiten, wenn sie von Blüte zu Blüte fliegen.

Biolo­gi­sche Pflan­zen­schutz­mittel funk­tio­nieren laut Willis Chan in kontrol­lierten Gewächs­haus­um­ge­bungen wirk­lich gut, doch im Freien ist die Wirkungs­weise bei Pflanzen wie beispiels­weise Erdbeeren weniger bekannt.

Kein Nach­teil für die Bestäuber

Bei der von Chan durch­ge­führten Studie mit Imkern und Beeren­pro­du­zenten wird unter­sucht, wie effektiv die Methode ist. Außerdem soll sicher­ge­stellt werden, dass die verwen­deten Produkte keine nega­tiven Auswir­kungen auf Wild­bienen und andere Bestäuber haben.

Derzeit verfügt ein Unter­nehmen – Bee Vecto­ring Tech­no­logy (BVT) aus Mississauga, Ontario – über ein System, das von der US-Umwelt­schutz­be­hörde EPA für den Feld­ein­satz in den wich­tigsten Beeren­an­bau­ge­bieten der USA zuge­lassen wurde. 2020 konnten nur wenige Land­wirte das System auspro­bieren, doch Ashish Malik, CEO von BVT, geht davon aus, dass es 2021 in großem Umfang verfügbar sein wird. Es soll 2021 in der Schweiz und in Mexiko zuge­lassen werden, und das Unter­nehmen hofft, die Zulas­sung auch für die Euro­päi­sche Union und für Kanada zu erhalten.

„Bei unserem System werden Bienen einge­setzt, um den Zyklus der Grau­fäule zu unter­bre­chen, indem ein Stamm von Clono­st­achys rosea, BVT-CR7 in Kombi­na­tion mit einem Mittel namens Vecto­rite direkt zur Infek­ti­ons­quelle auf die Blüten trans­por­tiert wird“, erläu­tert Malik. „Da es sehr ziel­ge­richtet einge­setzt wird, ist es äußerst wirksam. Es wird kein Produkt verschwendet. Wir konnten nach­weisen, dass die Produkt­menge im Laufe der Blüte­zeit um bis zu 98 Prozent verrin­gert werden kann. Zudem ist CR7 ein biolo­gi­sches Produkt, das sowohl für den konven­tio­nellen als auch für den orga­ni­schen Beeren­anbau geeignet ist.“

Das Produkt wird in spezi­elle Einsätze gefüllt, welche die Bienen beim Verlassen des Bienen­stocks zwangs­läufig passieren müssen.

Bienen und Land­wirte arbeiten zusammen

Es gibt zahl­reiche Plus­punkte. Der größte Vorteil beim Bee Vecto­ring ist seine Einfach­heit. Dies ist nur eine leicht abge­wan­delte Form von dem, was Land­wirte, die Bienen zur Bestäu­bung einsetzen, bereits seit langem tun. Doch jetzt müssen nicht mehr alle 7 bis 14 Tage Fungi­zide auf Pflanzen wie etwa Erdbeeren versprüht werden, um die Grau­fäule in den Griff zu bekommen. Da CR7 rein biolo­gisch ist, gehört es nicht zu den Produkten, die dazu führen, dass Erdbeeren ständig in der Liste der soge­nannten „Dirty Dozen“ vertreten sind, also der Liste von Nahrungs­mit­teln mit beson­ders hoher Pesti­zid­be­las­tung.

„Das bedeutet, dass durch Bee Vecto­ring die Kosten für Maschinen, Kraft­stoff, Wasser und Arbeits­kräfte in Verbin­dung mit dem Ausbringen von Fungi­ziden bei diesen Kultur­pflanzen gesenkt werden“, so Willis Chan. „Die Bienen erle­digen letzt­end­lich die ganze Arbeit. Biolo­gi­sche Pflan­zen­schutz­mittel sind teuer und recht kurz­lebig. Die Bienen verteilen die Pflan­zen­schutz­mittel jedoch nicht einfach so, sondern direkt, fort­lau­fend und ziel­ge­richtet.“

Durch Bee Vecto­ring können die Kosten für Maschinen, Kraft­stoff, Wasser und Arbeits­kräfte gesenkt werden.

Sue Willis Chan

„Die Einsätze mit dem Mittel Vecto­rite von BVT müssen in der Blüte­zeit alle vier Tage ausge­wech­selt werden, doch die Bienen verwenden das Produkt so effi­zient, dass der Preis pro Hektar güns­tiger ist als bei der herkömm­li­chen Ausbrin­gung von Fungi­ziden. Es bietet eine solide wirt­schaft­liche Renta­bi­lität“, meint Malik. Land­wirte meldeten einen Ertrags­zu­wachs von 28 bis 30 Prozent bei Blau­beeren, da der Durch­messer der Beeren bei behan­delten Pflanzen 10 bis 11 Prozent größer ist als bei herkömm­li­chen Ausbrin­gungs­pro­grammen.

Ein weiterer wesent­li­cher Vorteil besteht darin, dass die von Bienen aufge­brachten biolo­gi­schen Pflan­zen­schutz­mittel keine Wieder­be­tre­tungs­frist haben. Die Arbeiter dürfen sich im Feld aufhalten, um Ernte­ar­beiten oder andere Aufgaben auszu­führen, während die Bienen ihrer Arbeit nach­gehen. Das ist für Erdbeer­bauern, die ständig Arbeits­kräfte für die Beeren­ernte auf dem Feld einsetzen müssen und dabei die Wieder­be­tre­tungs­fristen von 4 Stunden bis zu 2 Tagen bei herkömm­lich ausge­brachten Produkten beachten müssen, ein enormer Vorteil.

In der Studie von Willis Chan werden viele unter­schied­liche Bienen­stöcke im Hinblick auf Bee Vecto­ring unter­sucht. BVT ist das einzige Unter­nehmen, das die Zulas­sung der EPA für die Ausbrin­gung von biolo­gi­schen Pflan­zen­schutz­mit­teln mittels Bee Vecto­ring für Feld­früchte in den USA erhalten hat.

Dies ist jedoch keine Patent­lö­sung. Willis Chan warnt Land­wirte davor, Bee Vecto­ring als Patent­lö­sung zu betrachten, da es nur bei Krank­heiten und Insekten von Nutzen ist, die die Blüten betreffen. Es ist keine Lösung für Krank­heiten, die Blätter, Halme oder Wurzeln befallen. Es gibt zudem einige Unter­schiede zwischen einzelnen Bienen­stö­cken.

Schlaue Bienen

Sie fügt hinzu, dass Bienen intel­li­gente Lebe­wesen sind. In einigen Bienen­stö­cken versu­chen die Tiere häufig, das Mittel aus dem Dispenser auf den Boden vor dem Bienen­stock zu beför­dern. Ein weiteres Problem besteht darin, dass Bienen bei Regen nicht gern auf Futter­suche gehen. Wenn das Regen­wetter also über einen längeren Zeit­raum anhält, wird vermut­lich weniger Pflan­zen­schutz­mittel von den Bienen zu den Blüten trans­por­tiert.

„Ich könnte mir gut vorstellen, dass Land­wirte ein System entwi­ckeln, bei dem sie das Beste aus beiden Welten nutzen“, so Willis Chan. „Im Rahmen eines herkömm­li­chen Systems könnten sie Fungi­zide und Insek­ti­zide mit einer Feld­spritze vor der Blüte­zeit ausbringen und dann auf Bee Vecto­ring umsteigen, sobald die Blüte­zeit beginnt. Dadurch wird die Möglich­keit ausge­schlossen, dass Rück­stände von Fungi­ziden oder Insek­ti­ziden auf die Früchte gelangen, da während der Blüte­zeit und der Fruch­t­ent­wick­lung keine Fungi­zide ausge­bracht werden. Außerdem verwenden die Land­wirte insge­samt viel weniger Fungi­zide. Es wird nur soviel wie nötig einge­setzt.