Automatische Lenksysteme und teilflächenspezifische Bewirtschaftung halten auf den landwirtschaftlichen Betrieben Einzug. Das Angebot wird breiter und vielfältiger. Aber wo und wie fängt man am besten an? Drei Landwirte erzählen, wie sie begonnen haben, welche Hindernisse sie überwinden mussten, und was sie ermutigt hat, weiterzumachen.
Precision Farming: 3 Beispiele
[ 01, Deutschland, 51°49’22.3″n 8°21’53.2″e ]
Ein Aufwand, der sich lohnt
Am Rand des Teutoburger Waldes fügt sich der Bauernhof Vogelsang harmonisch in die Landschaft ein. Er besteht aus einigen regional typischen Backsteingebäuden, die teilweise das Gewicht der Jahre erkennen lassen. Hinter dieser Fassade verbirgt sich einer der fortschrittlichsten Landwirtschaftsbetriebe Deutschlands im Hinblick auf den Einsatz von Präzisionstechnik. „Alles fing 2010 mit einem StarFire-Empfänger an“, erinnert sich Stefan Vogelsang, 33, Leiter dieses Betriebs mit 160 ha. „Mein Vertriebspartner hat ihn mir für ein Jahr geliehen, damit ich ihn ausprobieren konnte. Ich war von der Präzision der automatischen Lenkung völlig begeistert und habe mich gleich Hals über Kopf in die Technik gestürzt. Das hat dann zu einer ISOBUS-Schnittstelle für die Feldspritze geführt.“

Stefan Vogelsang, 33, leitet einen Beitrieb mit 160 ha.
Zehn Jahre später hat sich das Prinzip der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung auf den Großteil der Feldarbeiten ausgeweitet. Bei der Stickstoffdüngung wird auf dem Betrieb die Biomasse in Echtzeit gemessen: Ein vorne am Traktor angebrachter GreenSeeker von Next Farming scannt den Chlorophyll-Gehalt der Pflanze und schätzt somit den Stickstoffbedarf. Vor der Anwendung müssen die Mindest- und Höchstdosierungen und eine Düngungsstrategie festgelegt werden. Während der Ausbringung verändert der Düngerstreuer die Dosis, indem er Ausgabepunkt, Schiebeöffnung und Drehzahl der Scheiben entsprechend anpasst. „Bei der ersten Andüngung erhalten die weniger grünen Pflanzen den meisten Stickstoff, während bei der Abschlussdüngung dort, wo die Pflanzen wegen Trockenstress heller sind, gar nichts mehr gestreut wird“, erklärt Vogelsang. Zudem wird die Gülle, deren Inhaltsstoffe aufgrund der unterschiedlichen Tierarten des Betriebs sehr heterogen ausfallen, seit drei Jahren nährstoffbezogen ausgebracht.
Precision Farming bringt Saatgut-Einsparungen
Seit 2019 passt Vogelsang die Kalkmenge teilflächenspezifisch an. Auch Wachstumsregulatoren werden dort, wo das Getreide Anzeichen von Trockenstress aufweist, deutlich reduziert ausgebracht, damit seine Entwicklung nicht weiter gebremst wird. Noch bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen diese Maßnahmen auf den Ertrag haben werden. Messbare Ergebnisse zeigen sich bereits bei der teilflächenspezifischen Maisaussaat. „Wir stützen uns auf Biomassekarten der vorherigen Kulturen und variieren die Dichte der Körner entsprechend. so sparen wir 10 % beim Saatgutvolumen ein!“
Alles fing mit dem StarFire an.
Stefan Vogelsang
Am Anfang, so Vogelsang, darf man den Zeitaufwand für das Erlernen der digitaltechnischen Aspekte der einzelnen Geräte nicht unterschätzen. „Das ist Erfahrungssache. Man darf keine Angst haben, die Anleitung bis zur letzten Seite durchzulesen! Ich habe viele Stunden damit zugebracht, das Lenksystem meines alten John Deere 6910 einzustellen, damit er bei der Aussaat perfekt geradeaus fahren kann.“ Als drei Tage später die Gülle mit der Scheibenegge eingearbeitet werden sollte, musste die Einstellung des Lenksystems auf die neuen Anforderungen angepasst werden. „Jetzt brauche ich nur einige Tasten zu drücken, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.“
[ 02, Großbritannien, 52°13’54.2″n 0°31’37.8″w ]
Hilfe bei neuen Technologien annehmen
In England ist die „Bedformia Farm“ mit 2.100 ha und 33.000 Mastschweinen pro Jahr selbst einer der Pionierbetriebe der Präzisionslandwirtschaft in ihrer Region. Alle Maschinen sind mit AutoTrac-RTK ausgestattet, und die Farm führt gerade das „Controlled Traffic Farming“ ein – die Führung der Maschinen auf vorgegebenen Spuren. Bei der Gülleausbringung wird die Verschiedenartigkeit der Böden zwischen den Parzellen berücksichtigt, die anhand verschiedener Methoden wie Bodenproben, Messungen der elektromagnetischen Leitfähigkeit oder Ertragskarten ermittelt wird.

Jonathan Ibbett ist Mitgeschäftsführer der „Bedfordia Farm“, einem der Pionierbetriebe für Precision Farming in seiner Region.
Die Farm produziert Brotweizen mit hohem Proteingehalt, weshalb der präzisen Stickstoffdüngung eine Schlüsselrolle zukommt. Das Getreide kehrt in der sechsjährigen Rotation (Weizen, Weizen, Raps, Weizen, Weizen, Bohnen) oft wieder. Auch hier wird der Stickstoffbedarf direkt über den Sensor auf dem Fahrzeug (Yara-N-Sensor) angepasst. Jonathan Ibbett, Sohn des Betriebsleiters und Mitgeschäftsführer, hat an der angesehenen Landwirtschaftshochschule Harper Adams studiert. Die Präzisionslandwirtschaft war dort Teil des Lehrplans, aber seiner Meinung nach lernt man sie am besten „an Ort und Stelle“. Die einzige Bedingung: „Interesse an der Technik. Und man muss Geschmack daran finden, kleine Verbesserungen vorzunehmen; bereit sein, die Daten zu analysieren, um zu sehen, was vielleicht auch nicht funktioniert hat.“
Solider Plan fürs Precision Farming
„Wir haben 2014 mit der Anpassung der Aussaatmengen begonnen“, erinnert sich Jonathan Ibbett. „Aber wir hatten keinen klaren Plan. Nach zwei Jahren haben wir wieder aufgehört.“ Mit Hilfe einer Beratungsfirma hat er 2018 noch einmal die variable Aussaat, diesmal auf Basis von NDVI-Vegetationsindexkarten, ausprobiert und seitdem beginnen sich die gewünschten Ergebnisse einzustellen. „Man muss seine eigenen Grenzen kennen und darf nicht zögern, sich helfen zu lassen.Wir testen viele neue Technologien auf der Farm. Aber viele davon rentieren sich nicht sofort. Wenn man sich darauf einlässt, muss man einen soliden Plan haben.“
Wir haben die Präzisionsaussaat ausprobiert.
Jonathan Ibbett
Als einer der nächsten Schritte sollen alle verfügbaren Daten gesammelt und „die ertragsfähigsten Flächen identifiziert werden, um die Bewirtschaftung zu optimieren und Flächen mit geringerem Ertragspotential entweder extensiver zu bewirtschaften oder in Agrarumweltprogramme einzubringen.“ In Zukunft würde das „Bedfordia Team“ gerne die Vielzahl an Informationen einsetzen, um „die Erträge näher an das genetische Potenzial der Pflanzen heranzuführen“. Wenn die eingesetzten Methoden sowie Bodentemperatur und -feuchtigkeit berücksichtigt werden, lässt sich erkennen, wo das Ertragspotenzial nur teilweise realisiert wurde. „Man kann sich vorstellen, den Gesundheitszustand der Pflanzen präzise zu verfolgen und Krankheiten vorherzusehen und sogar zu behandeln, bevor sie sich manifestieren“, erklärt Jonathan Ibbett.
[ 03, Frankreich, 48°23’30.0″n 4°15’56.8″w ]
Digitalisierung bringt Mehrwert für den Lohnunternehmer
In der Bretagne hat das Lohnunternehmen Elorn erst kürzlich mit der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung begonnen. Der Anstoß kam aus der Kundschaft. „Mit sieben Beschäftigten führen wir alle Arbeitsgänge von der Aussaat bis zur Ernte in einem Umkreis von 20 km durch“, erklärt Kevin Quivouron, der das Unternehmen 2013 übernommen hat.

Lohnunternehmer Kevin Quivouron hat erst kürzlich mit der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung begonnen.
„Ich habe ziemlich ungewöhnlich angefangen“, gibt er zu. Beim Kauf seines fünften Mähdreschers hat sich Kevin Quivouron 2017 für die Zusatzoption des Ertrags- und Feuchtigkeitssensors entschieden, um seiner Kundschaft einen Mehrwert zu bieten. Die Reaktion war positiv: „Viele haben mir gesagt, dass sie so ihre Parzellen besser kennenlernen können.“ Das Lohnunternehmen hat daraufhin für seine Kunden Operations Center Partnerkonten angelegt. „Sie haben mich dann darauf hingewiesen, dass ich die Werkzeuge zur Ertragskontrolle habe und mich daher auch für die teilflächenspezifische Bewirtschaftung interessieren müsse.“
Meine Kunden haben mich zur teilflächenspezifischen Bewirtschaftung aufgefordert.
Kevin Quivouron
Das Unternehmen hat sich also 2019 einen neuen Düngerstreuer angeschafft. Die Kunden liefern die Satellitenbilder zur Biomasse über ihre Genossenschaft. „20 % unserer Erntefläche wird teilflächenspezifisch mit Stickstoff behandelt, und in der nächsten Saison wird es noch viel mehr sein.“ Nach einem Jahr ist das Resultat bereits spürbar. „Auf einigen Teilstücken haben wir beim Raps bis zu 1 t/ha und beim Weizen bis 2 t/ha Mehrertrag erzielt. Die Ertragskarten zeigen, dass dieser Gewinn mit dem gleichmäßigeren Wachstum der Pflanzen zu tun hat. Das Ergebnis wurde durch Versuche bestätigt, die wir mit und ohne teilflächenspezifische Bewirtschaftung durchgeführt haben.“
Ein anderes Projekt ist die Saatmengenverstellung. Auf dem sehr hügeligen bretonischen Gelände sind die Böden sehr unterschiedlich, was sich auch bei der Ernte bemerkbar macht. „Wir haben stellenweise Probleme mit dem Feldaufgang. Durch eine geeignete Einstellung der Aussaatmenge sollten wir auch hier bessere Ergebnisse erzielen.“
Ein kontinuierlicher Schulungsbedarf
Da die Mitarbeiter mit der neuen Ausrüstung anfangs nicht gut zurechtkamen, hat die gesamte Mannschaft an einer Schulung beim Landmaschinenvertriebspartner teilgenommen. „Die Bedienelemente sind heute so komplex, dass es schwierig ist, alles zu können. Es ist nicht schwer, eine Führungslinie festzulegen, aber den Umkreis einer Parzelle zu definieren – das war für die Mitarbeiter schon komplizierter. Letztendlich werden wir keine andere Wahl haben, als regelmäßig weiterführende Schulungen im Betrieb zu organisieren. Denn jede neue Maschine hat ein bisschen mehr Technik. In Frankreich, wo ein Mangel an qualifizierten Fahrern besteht, wird die Anstellung neuer Mitarbeiter durch diese Entwicklung erschwert“, bemerkt der Unternehmer. „Wir müssen Mitarbeiter finden, die einen höheren Bildungsgrad haben und etwas von Informatik verstehen.“
Wie fängt man am besten an?
„Meiner Erfahrung nach darf man nicht versuchen, an der Spurführung zu sparen, weil man sonst vom Ergebnis frustriert ist und aufhört. Das war anfangs mein Fehler. Man muss vernünftig investieren, weil sich der Unterschied sofort bemerkbar macht, und dann bekommt man auch Lust, weiterzumachen!“ Kevin Quivouron relativiert übrigens die Kosten der Spurführung für die Betriebe ab einer gewissen Größe: „Sobald der Landwirt mehrere Traktoren hat, wird die tatsächliche Investition pro Maschine reduziert, weil ein System wie AutoTrack von einer Maschine zur anderen weitergereicht werden kann.“