Die Zahlen sprechen für sich: Bis 2030 plant Nestlé 50 % seiner Hauptzutaten volumenmäßig von „regenerativen“ Betrieben zu beziehen, McCain möchte seine Kartoffelfelder umstellen, Pepsi mehr oder weniger die gesamten Flächen seiner Lieferanten, Mondelez 100 % seiner europäischen Weizenfelder, und Danone France plant den Wechsel bis 2025 vorzunehmen.
Erfolgreicheres Marketing, Sorge um nachhaltige Lieferketten, Druck von Seiten der Aktionäre – ganz egal aus welchen Gründen, das zunehmende Interesse der Nahrungsmittel verarbeitenden Industrie wird Auswirkungen auf die vorgelagerten Bereiche haben und landwirtschaftliche Produktionsweisen verändern. Aber welche? Im Gegensatz zu anderen Gütesiegeln gibt es für die regenerative Landwirtschaft (auch „Regen Ag“ genannt) bislang keine gesetzliche Definition. Besuche auf landwirtschaftlichen Betrieben in Europa, die sich diesem Produktionsmodell verschrieben haben, bringen zwar ein gemeinsames Ziel, aber auch sehr heterogene Ansätze zu Tage.
Fünf Grundprinzipien
Das Konzept entstand im angelsächsischen Raum, und vor etwa 20 Jahren wurden einige der Leitprinzipien erstmals formuliert: keine wendende Bodenbearbeitung, dauerhafte Bodenbedeckung, Erhaltung eines lebendigen Wurzelsystems, Diversifizierung der Fruchtfolge und die Kombination von Viehhaltung und Ackerbau. Auf den Britischen Inseln fühlte sich Simon Cowell von Anfang an von der Bewegung angezogen. In St. Lawrence, Essex, bewirtschaftet er 162 ha in unmittelbarer Küstennähe, darunter Marschland, auf dem er zuvor Schwierigkeiten hatte, ein gutes Saatbeet zu bereiten. Dies ermutigte ihn, das Pflügen zugunsten der Direktsaat aufzugeben.
Simon Cowell gab das Pflügen zugunsten der Direktsaat auf.
Großbritannien
Ein weiteres Ziel für Cowell bestand darin, die Betriebsmittelkosten zu senken. „Ich interessierte mich zunehmend dafür, wie der Boden funktioniert und was er aus eigener Kraft leisten kann, was zu einer Reduzierung von Düngemitteln und Fungiziden führte“, berichtet er.
Durch die Umstellung auf Blattdüngung konnte er seinen Stickstoffbedarf reduzieren. Außerdem machte er sich bodenbiologische Prozesse zunutze, um die Verfügbarkeit von P und K zu erhöhen. So konnte er auf die Grunddüngung weitgehend verzichten. Er setzt Biostimulanzien ein, um sicherzustellen, dass seine Pflanzen gesund und kräftig bleiben, und hat die Zugabe von Melasse zur Verbesserung der Bodenbiologie erprobt.

Der Landwirt überwacht den Anteil an organischer Substanz, er ist von 4 % auf
Bei Cowell passen dauerhafte Bodenbedeckung und die Kombination von Viehhaltung und Ackerbau nicht in sein System. „Der Boden trocknet nicht genug aus, um im Frühjahr direkt unter eine Zwischenfrucht zu säen.“
Mit Blick auf die Synergien von Ackerbau und Viehzucht sagt Cowell: „Bei uns ist der Boden zu schwer für die Winterweide. Außerdem gibt es hier nicht viele Tiere.“ Stattdessen setzt er auf Fruchtfolge, um die Gesundheit und Struktur seines Bodens zu verbessern. „Ich folge keinem festen Turnus mehr. Ich entscheide selbst, was für jedes einzelne Feld das Beste ist“, erklärt Simon Cowell, der Weizen, Gerste, Hafer, Bohnen, Flachs und Luzerne anbaut. „Die Luzerne ist für uns eine wichtige Kultur, da sie drei Jahre lang auf demselben Feld bleibt und der Boden sich erholen kann.“
Die Luzerne ist für uns eine wichtige Kultur, da sie drei Jahre lang auf demselben Feld bleibt und der Boden sich erholen kann.
Simon Cowell

Bodenbedeckung ist wichtig
Émeric Duchesne bewirtschaftet 240 ha in Oise, einem Département nördlich von Paris. Er testet die regenerative Landwirtschaft seit drei Jahren im Rahmen des ARA-Blé-Programms, das von der Genossenschaft Val France und McDonalds durchgeführt wird. Für Duchesnes ist die regenerative Landwirtschaft eine Produktionsweise, die vor allem den Boden in den Mittelpunkt stellt. Bei ARA-Blé liegen die Schwerpunkte auf der Regionalität der Wertschöpfungsketten, der Reduktion des Betriebsmitteleinsatzes sowie der Kohlenstoffspeicherung für eine Steigerung der Rentabilität. Obwohl Duchesne derzeit im Rahmen des Programms nur 20 ha Weizen anbaut, hat es Auswirkungen auf seine gesamte Anbauplanung (Winterweizen, Raps, Erbsen, Zucker-rüben und Flachs).
Émeric Duchesne führte Zwischenfrüchte mit mehreren Arten ein.
Frankreich
“Nach der Ernte bauen wir Zwischenfrüchte an, ohne zu pflügen. Wir säen direkt nach dem Dreschen, um die Feuchtigkeit für einen schnellen Feldaufgang im Boden zu halten.“ Auch hier ist der Ansatz nicht dogmatisch. Vor den Rüben, die alle fünf Jahre wiederkehren, erlaubt der Landwirt das Pflügen. „Ich sehe das wie einen Werkzeugkasten, der uns unterschiedliche Werkzeuge zur Verfügung stellt.“
Für den Zwischenfruchtanbau hat Duchesne eine Mischung aus sechs bis sieben Sorten zusammengestellt, die Biomasse erzeugen sollen, um Unkräuter zurückzudrängen (Phacelia), um den Boden aufzulockern (Chinarettich oder Sonnenblume), und um den Boden zu düngen (Wicke und Ackerbohnen). „Die Mischung ist vielfältig und ihre Zusammensetzung bleibt gleich. Trotzdem entwickelt sich der Pflanzenbestand von Jahr zu Jahr unterschiedlich.“
Einige Vorteile haben sich bereits herauskristallisiert. „Am 30. August und bei


Eine gute Behandlung der Böden erfordert moderne Maschinen. „Insbesondere die Entwicklung von Direktsämaschinen und immer besseren Reifen helfen uns, den Boden zu schützen.“ Der Betrieb hat erst kürzlich eine Strip-Till-Maschine erworben. Bei den Weizenerträgen hofft er nicht unbedingt auf eine Steigerung, sondern auf konstantere Ernten. In dem Gebiet mit hoch ertragreichen Böden bereiten vor allem die Unwägbarkeiten des Klimas die größten Herausforderungen. „Mit gesunden Böden werden wir sowohl in nassen als auch in trockenen Jahren widerstandsfähiger sein.“
Rinder und Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes
Im norddeutschen Drelsdorf setzt Thies Paulsen, der 2018 auf regenerative Landwirtschaft umgestellt hat, auf das Zusammenspiel von Tierhaltung und Ackerbau. „Ohne Kühe können wir das Klima nicht retten“, so seine feste Überzeugung. Für Thies Paulsen spielt die Weidehaltung eine wichtige Rolle für die Gesundheit seines Bodens: „Der Speichel der Tiere gibt für die Verrottung wichtige Informationen an das Bodenleben weiter. Außerdem ist es wichtig, dass Pflanzen in den Boden getreten werden, um genügend organische Masse zur Verfügung zu stellen. Und schließlich ist da noch der Kot mit seinem schnell verfügbaren Stickstoff, der das Bodenleben ebenfalls anregt.“ Ein weiterer Vorteil liegt in der Gülle, der Paulsen mikrobiologische Zusätze hinzufügt, um die Verfügbarkeit ihrer Nährstoffe zu erhöhen.
Thies Paulsen hat seinen Pestizideinsatz reduziert und setzt auf die Integration von Nutztieren.
Deutschland
Seine 140 ha sind gleichmäßig auf Weiden und Ackerland aufgeteilt. 2023 umfasste seine Fruchtfolge Bohnen, Wintergerste, Rotklee-Silomais, Sommerweizen, Winter-Triticale und Silomais. Wie die anderen Landwirte setzt auch er auf reduzierte Bodenbearbeitung, in diesem Fall Direktsaat seit drei Jahren, und achtet auf möglichst kontinuierliche Bodenbedeckung. Derzeit funktioniert das System jedoch nur mit einer – wenn auch minimalen – Dosis an Pflanzenschutzmitteln.

Paulsen zeigt auf einem seiner Felder, wohin er noch will. Dort hat er im letzten Sommer 6,5 t/ha Sommerweizen geerntet; das Stroh wurde abgefahren, dann die Zwischenfrucht ausgesät und schließlich am 25. September ins auflaufende Zwischenfruchtgemenge Winter-Triticale eingebracht. Fünf Tage später setzte er Glyphosat ein, um vor allem die Trespe zu kontrollieren. Zum Vergleich hat er einen breiten Streifen nicht behandelt. Die Beobachtung: Unter dem Nachauflauf des Sommerweizens und der Trespe und den anderen stickstoffsammelnden Zwischenfrüchten steht die Triticale trotzdem in der Reihe. „So kann es in Zukunft vielleicht auch ohne gehen“, freut sich Paulsen.

Aber einen guten Getreidebestand zu verlieren, nur weil er auf eine Pilzbehandlung trotz Befall im Ährenstadium verzichtet, widerspricht seiner Auffassung von Landwirtschaft. Er sieht sich an der Schnittstelle zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft: „Vielleicht können wir als regenerative Landwirte auch eine Brücke zwischen diesen beiden Fraktionen bauen“. Doch erst einmal geht es darum, ein nachhaltiges System zu entwickeln, das Kohlenstoff bindet und die Feuchtigkeit im Boden hält.
Wasserspeicherung
In Spanien berät Manuel Urquiza, Landwirt und Agraringenieur, im Auftrag der Vereinigung Alvelal Betriebe zu regenerativer Landwirtschaft. Auch ihm fällt es schwer, regenerative Landwirtschaft konkret zu definieren. Er sieht darin eine Landwirtschaft, die dazu beiträgt, die Lebensmittelqualität zu verbessern und gleichzeitig den Boden und die Landschaft zu erhalten und aufzuwerten. Und, betont er, „sie muss sich auch lohnen“.
Manuel Urquiza pflanzt Hecken und setzt wassersparende Maßnahmen um.
Spanien
Er setzt auf minimale Bodenbearbeitung mit unterschiedlichen Eggen. Um Pilze und nützliche Bakterien zu fördern und um mehr organische Substanz zu erhalten, wird ein Kompost aus Olivenabfällen und Dung aufgebracht. Hier, in den Hochebenen von Granada, werden vorwiegend Nüsse (Mandeln und Pistazien) und Wein angebaut. Unter den Dauerkulturen ist die Pflanzendecke, ob Aussaat oder Wildwuchs, ebenso wichtig. „Ziel ist es, eine möglichst dauerhafte Bedeckung zu erreichen“, auch wenn sie in den heißen Sommermonaten mit der größten Trockenheit zwangsläufig verschwinden wird.
Wie seine Kollegen sieht auch Manuel Urquiza in der regenerativen Landwirtschaft viele Anknüpfungspunkte zwischen konventionellen und ökologischen Ansätzen. Ein Beweis dafür ist die Aufmerksamkeit, die der Biodiversität geschenkt wird. Alvelal unterstützt die Anpflanzung von „lebenden“ Hecken, bestehend aus Fenchel, Rosmarin und Lavendel. Eine Studie der Universität Almería zeigt, dass die um über 30 % höhere Biodiversität in regenerativen Landwirtschaftsbetreiben dazu beiträgt, das Auftreten von Parasiten und Krankheiten zu verringern.
Ernte von Regen-Ag-Mandeln
Das verbesserte Nährstoffprofil bietet interessante Perspektiven für den Agrar- und Ernährungssektor.
Das größte Problem in diesem Teil Europas ist der chronische Wassermangel: Nur 250 mm Niederschlag pro Jahr, oft konzentriert auf nur wenige Wochen. Daher liegt ein besonderer Fokus auf der Speicherung von Regenwasser, entweder in Teichen oder im Boden. Dazu wurden Versickerungsgräben, Wasserrückhaltedämme und Teiche angelegt. „Die angewandten Methoden müssen den finanziellen Möglichkeiten der Landwirte entsprechen. Auf großen Flächen schaffen wir Rückhaltebecken und Terrassen.“

Ein weiterer Vorteil der regenerativen Landwirtschaft ist die Nährstoffzusammensetzung der Produkte. „Analysen haben gezeigt, dass sich durch die mikrobielle Anreicherung sowohl der Polyphenolgehalt in den Trauben als auch die bioaktiven Bestandteile in den Mandeln erhöht“, so Manuel Urquiza. Er hofft darauf, dass diese zusätzliche Wertschöpfung auf breiteres Interesse stoßen wird. Neben der Einsparung bei Betriebsmitteln und der Verbesserung der Widerstandsfähigkeit ist dies auch notwendig, um die Umstellung in dem von der Nahrungsmittelbranche versprochenen Umfang zu finanzieren.