Als Director Small Grains Production Systems arbeitet Christoph Wigger zusammen mit seinem Team daran, die weltweiten Kundenanforderungen und langfristige Trends in der Getreideproduktion besser zu verstehen. Das Ziel besteht darin, technische Lösungen zu entwickeln, die eine wirtschaftlichere und nachhaltigere Produktion im Ackerbau ermöglichen. Viele im Markt verfügbare Maschinen und Systeme bieten Einsparmöglichkeiten für Betriebsmittel. Eine Optimierung der gesamten Fruchtfolge bietet zusätzliches Ertragspotenzial.
Im Frühjahr vergangenen Jahres kam es zu erheblichen Preissteigerungen bei den landwirtschaftlichen Betriebsmitteln. Wie haben die Kunden darauf reagiert?
Aus einer Kundenumfrage wissen wir, dass über 20 % der Betriebe ihre Anbauplanung für das Jahr 2023 wegen der höheren Betriebsmittelpreise angepasst haben. Gleichzeitig reduzieren viele Kunden Ihre Düngeintensität, versuchen mineralischen durch organischen Dünger zu ersetzen und ihre Pflanzenschutzmittel gezielter auszubringen. Außerdem wollen mehr Kunden Unkräuter auf dem Acker mechanisch bekämpfen.
Wie kann John Deere Landwirten helfen ihre Betriebsmittelkosten zu senken?
Anbaugeräten wie Feldspritzen oder Einzelkornsägeräten kommt in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung zu. Für diese Maschinen bieten wir Teilbreitenabschaltung und Einzelkornablage sowie individueller Spritzdüsenansteuerung an. Außerdem entwickeln wir KI-Systeme, die Unkräuter selbst erkennen und gezielt bekämpfen können.
Durch eine Kooperation mit xarvioTM von der BASF versuchen wir deren Erfahrungen über den richtigen Zeitpunkt und die effektivste Dosierung bei der Anwendung von Fungiziden für den Nutzer zu erleichtern. Dies wird durch eine verbesserte Schnittstelle zwischen xarvioTM und dem John Deere Operations Center ermöglicht, die letztlich die Auftragsübermittlung auf unsere Feldspritzen automatisiert.
Wie sieht es bei der Düngung aus?
Aus unserer Umfrage wissen wir, dass über die Hälfte der befragten Landwirte plant, die N-Düngung je ha zu reduzieren und fast 40 % wollen mehr organischen Dünger einsetzten. Im John Deere Operations Center können teilflächenspezifisch Düngekarten erstellt oder eingelesen werden. Als Basis dienen Bodenanalysen, Ertragskarten oder Informationen zu Inhaltsstoffen im Erntegut (vor allem Protein), die inzwischen auch mit dem Harvest Lab Sensor für Mähdrescher gemessen werden können.
Düngersteuer mit Teilbreitensteuerung oder Güllefässer, die mit einem NIR-Sensor, wie dem HarvestLab von John Deere, ausgerüstet sind, erlauben eine bedarfsgerechte und präzise Ausbringung von Düngemitteln. Im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsziele streben wir eine Verbesserung der Stickstoffnutzungseffizienz (NUE) von 20 % an.
Bietet das Operations Center Instrumente zur Kostensenkung?
Das Operations Center dient der besseren Planung des landwirtschaftlichen Jahres sowie einzelner Arbeitsschritte. Dadurch lässt sich sowohl der Einsatz von Saatgut, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln optimieren als auch die Logistik und der Maschineneinsatz verbessern. Dadurch können die Maschinen besser genutzt und letztlich auch Treibstoff gespart werden.
Wie sieht es mit der Akzeptanz neuer Technologien aus?
Lenksysteme und automatische Teilbreitenschaltung sind weit verbreitet und werden von den vielen Kunden genutzt. Aus unser Kundenbefragung wissen wir, dass die Nutzung speziell dieser Systeme weiter zunehmen wird. Außerdem gab ungefähr ein Drittel der befragten Personen an, dass sie sich in Zukunft verstärkt an digitalen Pflanzenschutzempfehlungen orientieren wollen.
Während der Covid Pandemie haben wir außerdem eine erhebliche Beschleunigung bei der Einführung von Telemetrie-Systemen gesehen. Vertriebspartner und Kunden haben gleichermaßen die Vorteile der verbundenen Maschinen (connected machines) erkannt. Kleinere Probleme wie beispielsweise eine verbesserte Maschineneinstellungen konnten per Ferndiagnose und -einstellung direkt vor Ort in der Fahrerkabine gelöst werden. John Deere hat sich beim Connected Support eine markführende Stellung erarbeitet und der Vertriebspartner kann direkt helfen, ohne zum Kunden rausfahren zu müssen.
Werden alle technischen Möglichkeiten bereits ausgereizt?
Features wie HarvestSmart beim Mähdrescher oder iTEC-Vorgewende-Management beim Traktor bieten ein enormes Automatisierungspotential and damit Effizienzvorteile für unsere Kunden. Leider stellen wir fest, dass sie teilweise nicht aktiviert werden. Daher bieten viele unserer Vertriebspartner Schulungen an, um die Fahrer für die Saison fit zu machen. Außerdem geben How to Videos auf unserer Webseite Kunden die Möglichkeit sich mit den Technologien vertraut zu machen.
Gemeinsam mit unseren Ingenieuren sorgen wir dafür, dass neue Features intuitiv aufgebaut sowie einfach zu aktivieren und zu bedienen sind.
Christoph Wigger
Um insbesondere die jüngere Generation an neue Technologien heranzuführen, haben wir bei der Entwicklung eines Precision Farming Moduls für das Computerspiel Landwirtschaftssimulator mitgearbeitet. Gemeinsam mit unseren Ingenieuren sorgen wir dafür, dass neue Features intuitiv aufgebaut sowie einfach zu aktivieren und zu bedienen sind.
In welchen Bereichen investiert John Deere mittel- und langfristig, um die Kosten der landwirtschaftlichen Produktion weiter zu senken?
Für die Planung unserer Forschungs- und Entwicklungsaktivtäten arbeiten wir immer stärker mit Modellbetrieben aus verschiedenen Ländern zusammen, die auf unterschiedlichen Böden mit einer Vielzahl von klimatischen Bedingungen zurechtkommen müssen. Durch die enge Zusammenarbeit mit Praxisbetrieben bekommen wir einen guten Überblick über das gesamte Produktionssystem und verschiedenste Entwicklungen wie beim Hybridsaatgut, Pflanzenschutzmitteln oder neue Trends in der Düngung. Außerdem erfahren wir, welche Deckungsbeitragssteigerungen durch diese Technologien erzielt werden können.
Unsere Analysen haben gezeigt, dass die größten Effizienzpotentiale für den Landwirt in den Arbeitsschritten Aussaat, Düngung und Pflanzenschutz liegen. Auf Basis unserer Erkenntnisse entwickeln wir neue technische Lösungen, welche den Kunden einen hohen Mehrwert bieten, und überprüfen diese auf den Modelbetrieben direkt auf Ihre Praxistauglichkeit. Darüber hinaus schauen wir uns auch an, wie eine Veränderung bei einem Arbeitsschritt sich auf die anderen Arbeitsschritte auswirkt. Wir nehmen also eine gesamtheitliche Betrachtung vor.
Neben der teilflächenspezifischen Landwirtschaft arbeitet John Deere auch viel and der Automatisierung von Maschinen. Was ist der Grund dafür?
Ein wichtiger Aspekt bei der Maschinenautomatisierung besteht darin, dass der Landwirt am Ende eines langen Arbeitstages genauso produktiv arbeiten kann, wie in der ersten Stunde. Wir wollen ihn also aktiv entlasten. Darüber hinaus sehen wir auch, dass es für Landwirte und Lohnunternehmer immer schwieriger wird, geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, während an die Arbeitsqualität immer höhere Anforderungen gestellt werden.
Hier bietet die Automatisierung Chancen, indem Sie die Bedienung der Maschinen vereinfacht und gleichzeitig eine hohe Arbeitsqualität sicherstellt. Bisher haben wir einzelne Arbeitsschritte oder Aufgaben wie das Lenken automatisiert. In den USA haben wir im vergangenen Jahr den ersten Traktor vorgestellt, der vollautonom (fahrerlos) die Bodenbearbeitung durchführen kann. Der Weg führt also über die Teilautomatisierung zur Vollautomatisierung. Unser Ziel ist die Entwicklung eines vollautonomen Farmingsystems bis 2030.
Was hat es mit den Nachrüstbündeln auf sich?
Im Rahmen unserer Life-Cycle-Solution Strategie bieten wir unseren Kunden Nachrüstbündel an, die es erlauben auch auf älteren Maschinen die neuesten technologischen Lösungen zu nutzen. Der Kunde kann so die neuesten technischen Errungenschaften auf seinem Betrieb einsetzen und so Betriebsmittel einsparen, ohne gleich eine ganz neue Maschine kaufen zu müssen.
Darüber hinaus besitzen die meisten unserer Kunden mehrere Maschinen von uns, die aber nicht alle zwangsläufig auf demselben technischen Stand sind und daher nicht optimal im Zusammenspiel der verbundenen Maschinen (connected machines) funktionieren. In einen solchen Fall bieten Nachrüstbündel die Möglichkeit, die ganze Flotte auf einen einheitlichen technischen Standard zu bringen.