Allein schon der Name … „Zwischenfrucht“. Na ja, klingt nach Nebenrolle, nach etwas, was nicht wirklich im Mittelpunkt des Geschehens stehen würde. Doch weit gefehlt. In Zeiten der neuen Düngeverordnung, des EU-Greenings sowie der immer schwierigeren Witterungsverhältnissen im Zuge langfristiger Klimaveränderungen gewinnen gerade die Früchte, die zwischen den Hauptfrüchten wachsen, enorm an Bedeutung.
„Sie sind wieder zurückgekommen“, konstatiert Dr. Christian Kleimeier von der Abteilung Pflanzenbau, Pflanzenschutz, Umwelt der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein. „Dabei ist das Wissen um die Zwischenfrüchte für den hiesigen Ackerbau insgesamt doch eine alte Geschichte. In Lehrbüchern der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts wie unter anderem in der ´Ackerbaulehre´ von Roemer und Scheffer steht eigentlich schon alles drin, was heute wieder relevant ist“, stellt Kleimeier klar. Für den Kammer-Mitarbeiter besteht ohnehin kein Zweifel, dass die Zwischenfrüchte „einen wichtigen Teil der Fruchtfolge darstellen“.
Zwischenfrüchte stellen einen wichtigen Teil der Fruchtfolge dar.
Dr. Christian Kleimeier
Eine Ansicht, die mittlerweile auch die meisten Landwirte in allen Regionen Deutschland teilen. Ihre Nachfrage nach Ölrettich, Phacelia, Klee & Co. steigt stetig. Dies registrieren auch die Züchter und Anbieter solchen Saaten. „Wir verzeichnen seit vielen Jahren durchschnittlich rund fünf Prozent Nachfrageplus nach unseren Zwischenfruchtmischungen“, verrät Jan Hendrik Schulz von der Deutsche Saatveredelung AG (DSV) mit Sitz in Lippstadt. Die DSV forscht seit fast zwei Jahrzehnten auf dem Gebiet der Zwischenfrüchte und gilt als einer der Vorreiter in diesem Segment. Die intensive Arbeit und die Investitionen der DSV zeigt sich heute in einer breiten Mischungspalette. So bietet die DSV inzwischen 20 spezifische Mischungen an, die nach Aussage von Schulz, „ständig verbessert und angepasst werden“.
Expertise für komplexe Fruchtfolgen
Die Expertise, in komplexen Fruchtfolgen denken zu können, beruhe zu allererst darauf, dass die DSV sich seit fast 100 Jahren mit Arten und Sorten für die Landwirtschaft beschäftigt, betont den großen Erfahrungsschatz des eigenen Unternehmens. Von Vorteil sei sicherlich auch, dass die Bereiche Züchtung, Forschung, Produktion, Vertrieb und Beratung aus einem Hause komme. Dabei sei am Ende des Tages die Komposition eines idealen Zwischenfruchtbestandes die allergrößte Herausforderung unter vielen: „Denn sowohl Biologie, Nährstoffhaushalt und Bodenstruktur sollen optimale Voraussetzungen für die darauffolgende Hauptkultur vorbereiten“, erklärt Fachmann Schulz. „Hierfür benötigen wir umfassende Artenkenntnisse sowohl in den Hauptkulturen als auch innerhalb der Zwischenfruchtarten, spielt doch die Interaktion der Pflanzen untereinander eine entscheidende Rolle.“
Die Interaktion zwischen Haupt- und Zwischenfrucht spielt eine entscheidende Rolle bei der Auswahl.
Jan Hendrik Schulz
Produktmanager Schulz ist davon überzeugt, dass die sich verändernden Klimaverhältnisse dazu beitragen, dass sich auch die Fruchtfolgen noch nachhaltig ändern werden. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer „Schlüsselfunktion“, die Zwischenfrüchte in den Fruchtfolgen der Zukunft einnehmen werden, weil sie in der Lage sind, „die Bodentemperatur zu steuern und den Wasserhaushalt positiv zu beeinflussen.“
Apropos Wasserhaushalt. Das ist auch für das Thüringer Becken, eine Region mit teilweise sehr guten Böden, aber mit relativ geringen durchschnittlichen Niederschlägen von 480 bis 530 Millimeter von Bedeutung. Im Vergleich zu Norddeutschland fast schon ein „Trockengebiet“. Und im Extrem-Jahr 2018 fielen dort nicht mal mehr als 380 Millimeter. „In solchen Stress-Situationen ist ein gutes Bodenleben wichtig für die Ertragsbildung“, unterstreicht Dr. Steffi Knoblauch und weist in diesem Kontext auf die Wechselbeziehung zwischen Bodenbiologie und Zwischenfruchtanbau hin. Die Wissenschaftlerin forscht am Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum im Referat „Pflanzenbau und Ökologischer Landbau“ seit vielen Jahren auf den Versuchsfeldern in Buttelstedt zu diesem Thema. Unter anderem arbeitet sie mit Lysimetern, mit denen Knoblauch spannendes Zahlenmaterial und neue Ergebnisse zu den Bereichen „Wasserverbrauch von Kulturpflanzen“ und „Wasserhaltefähigkeit des Bodens“ gesammelt hat.
„Ich erlebe, dass die Landwirte sich um die Bodenfruchtbarkeit durchaus sehr viel Gedanken machen“, verteidigt Knoblauch die Landwirte. Sie sieht im Berufsstand ein neues Bewusstsein für ihren wichtigsten Produktionsfaktor heranwachsen. Bei den ökologischen Landwirten sowieso schon, aber auch bei ganz vielen konventionellen. Und ein gesunder Ackerboden ist aus ihrer Perspektive ohne eine dauerhafte Aktivierung des Bodenlebens kaum möglich. Und da alles – wie immer – miteinander zusammenhängt, ist Knoblauch auch schnell wieder beim Thema Zwischenfrüchte. „Die Wurzelmasse der Zwischenfrüchte bietet Futter für die Bodenorganismen“, hebt sie hervor. Dies generiere wiederum Humuszuwachs, bringt organisches Material in die Bodenkrümel – so wird am Ende Kohlenstoff im Boden eingespeichert.
Ganz im Sinne eines aktiven Klimaschutzes wie ihn die Akteure der regenerativen Landwirtschaft einfordern und auch schon praktizieren. Wie viel Humusaufbauwerte welche Zwischenfrüchte letztlich leisten, hängt von der Höhe des Pflanzenbewuchses und der Art und Dauer der Begrünung ab. Darüber gibt die LUFA dem praktizierenden Landwirt mit „Humusbilanzierung“ dezidiert Auskunft, so Knoblauch.
Gleiche Aufmerksamkeit für die Zwischenfrucht wie für die Hauptfrucht
Allerdings ist der Zwischenfruchtanbau eine komplexe Angelegenheit, die vom Praktiker viel Wissen verlangt. Welche Arten vertragen sich überhaupt mit den Hauptfrüchten? So wäre ein Anbau von Kreuzblütler wie Senf oder Tiefenrettich für Raps fatal, auch ist die Weitergabe von Krankheiten ein wichtiger Aspekt, der bei der Auswahl der „richtigen Mischung“ unbedingt berücksichtigt werden muss. Nachlässigkeiten werden oft sofort bestraft warnt Knoblauch, „deshalb muss die Zwischenfrucht mit der gleichen Aufmerksamkeit behandelt werden wie eine Hauptfrucht.“
Dies ist nicht immer leicht zu beherzigen, besonders dann nicht, wenn in der Erntephase der Zeitdruck enorm hoch ist und manches nicht so bewerkstelligt wird, wie eigentlich nötig wäre. In Trockengebieten ist der Wasserbedarf für eine Zwischenfrucht nicht zu unterschätzen. Die Thüringer Wissenschaftlerin weist darauf hin, dass man schon bei der Saat durch das Belassen des Strohs auf dem Acker, Vermeiden eines Stoppelsturzes und Direktsaat mit einer Strip-Tillage-Maschine“ Feuchtigkeitsverluste deutlich verringern kann. Und trotzdem sollten die Landwirte Acht geben, denn ein mittlerer Bestand einer Zwischenfruchtmischung (120 dt Frischmasse pro Hektar) hat einen Eigenverbrauch von immerhin 30 Millimeter Niederschlag.
Die Wurzelmasse der Zwischenfrüchte bietet Futter für die Bodenorganismen.
Dr. Steffi Knoblauch
Darüber muss sich der Ackerbauer in Ostfriesland sicherlich nicht so sehr kümmern. Allerdings gibt es auch an eher niederschlags-privilegierten Standorten wie in Niedersachsen, in Mecklenburg-Vorpommern oder auch in Schleswig-Holstein die Beobachtung, dass mit zu engen Fruchtfolgen die einst erreichten Erntemengen heute keiner mehr erreicht. „Es muss doch wieder darum gehen, wie wir den Boden ernähren und nicht allein die Pflanze“, setzt daher der Pflanzenbau-Experte bei der schleswig-holsteinischen Landwirtschaftskammer, Dr. Kleimeier, auf einen Rückgriff auf eine breitere Fruchtfolge. Tatsächlich hat beispielsweise die Ackerbohne ein noch vor wenigen Jahren kaum zu erwartendes Comeback im Land zwischen den Meeren erlebt. Die Leguminose wird inzwischen wieder auf stattlichen 10.000 Hektar als Hauptfrucht angebaut.
Auf jeden Fall gehe die Entwicklung am Ende bestenfalls zu „immergrünen Fruchtfolgen“. Das sieht Schulz von der DSV genauso: „Wir sehen durch den Klimawandel und durch politische Weichenstellungen einen klaren Trend dahin.“ Damit spricht er auch die Düngeverordnung an, die in den sogenannten „roten Zonen“ die Düngung zur Zwischenfrucht verbietet. Aus Sicht von Schulz komme es deshalb in diesen Regionen darauf an, Nährstoffe sinnvoller Weise im Boden zu halten und zu nutzen. Hierbei spielen Leguminosen und die Bewertung des Kohlenstoff-Stickstoff-Verhältnisses eine tragende Rolle. „Denn nur durch gezieltes Nährstoff- und Pflanzenmanagement sind wir in der Lage, Mineraldüngereinsatz zu senken und dabei qualitativ hochwertige Erträge zu erzielen. In den roten Zonen spielen Zwischenfrüchte damit eine große Rolle.“ So wird es auch in Vechta, Bordesholm oder an fränkischen Standorten wohl auch in Zukunft blühende Landschaften geben.
Häufig angebaute Zwischenfrüchte
- Ölrettich
- Phacelia
- Rauhhafer/Sandhafer
- Öllein
- Klee (Alexandriner, Stein-, Boxer-, Weiß-, Rotklee)
- Luzerne
- Wicke
- Felderbse (Peluschke)
- Buchweizen
- Ramtillkraut