In einer Wiese sind Solarmodule vertikal installiert, sodass Landmaschinen zwischen ihnen hindurchfahren können. Allerdings wirken die schimmernden Glasflächen ein wenig zerbrechlich. „Man muss nur einmal den Dreh raushaben“, lächelt Rainer Hall. Er ist Miteigentümer dieses Grundstücks, auf dem das Unternehmen Next2Sun im Jahr 2020 eine Anlage mit vertikal aufgestellten Modulen installierte. Mit ihren 14 ha ist diese Fläche heute eine der größten Agri-PV-Anlagen in Europa.
Die Idee der doppelten Landnutzung kam in Deutschland bereits im Jahr 1981 auf. Sie blieb allerdings für lange Zeit im Experimentierstadium. Durch den wachsenden Fokus auf erneuerbare Energien interessieren sich nun aber immer mehr Unternehmen und landwirtschaftliche Betriebe für die Agri-PV. Neben der Sorge um die Auswirkungen auf Grundstückspreise und Bedingungen für Pächter geht es vor allem um die praktische Frage: Wie wirkt sich die Beschattung durch die Module auf das Produktivitätsniveau aus?
Schatten und Windschutz
Hier in Donaueschingen wurde die Anlage in einem leicht hängigen Gelände errichtet, 10 m breite Grasstreifen wechseln sich mit den Solarmodulreihen ab. Die Paneele sind 3 m hoch und verlaufen von Nord nach Süd. Sie verringern das verfügbare Licht um 15 % und erzeugen einen Schatten, der das Gras in kritischen Phasen schützen soll. Für die Jahre 2022 und 2023 gibt Next2Sun einen Ertrag von 88 % im Vergleich zur Kontrollfläche an. Dabei ist der Flächenverlust von 10 % durch die Modulreihen bereits berücksichtigt. Rainer Hall zieht ein vorsichtiges Fazit: „Das Wachstum ist ähnlich wie auf meinem eigenen Betrieb, in trockenen Zeiten kann es vielleicht sogar besser sein.“ Neben dem Schatten trägt der Windschutzeffekt dazu bei, dass mehr Feuchtigkeit erhalten bleibt.
Mit Gras haben wir keine Schwierigkeiten.
Rainer Hall
Der Ertragsverlust entsteht vor allem durch den Flächenverlust und kann durch die Elektrizitätserzeugung kompensiert werden. Dies gilt besonders in heißen und trockenen Jahren. Die Fläche in Donaueschingen wäre auch ohne Energieerzeugung rentabel, da das Heu an Schweizer Landwirte in der Nähe verkauft wird. Daher musste für die Pächter der Teilflächen eine Vereinbarung gefunden werden. Sie werden jetzt auf Grundlage der Einnahmen aus dem Heuverkauf von dem Maschinenring, bei dem auch Rainer beschäftigt ist, als Dienstleister bezahlt. Der Energieertrag beträgt etwa 4.850 MWh pro Jahr. „Da die Solarmodule in Ost-West-Richtung stehen, erzeugt die Anlage den meisten Strom zu einer Zeit, in der das Netz nicht voll ausgelastet ist, und wir erhalten bessere Preise auf dem Strommarkt.“
Für die Bewirtschaftung bedurfte es keiner neuen Maschinen. „Es ist relativ einfach, weil wir hier weder pflügen noch spritzen müssen. Mit dem Kreiselheuer werden vielleicht Steine aufgewirbelt, aber es ist nicht so, dass wir jedes Mal zehn Module zerbrechen, wenn wir durchfahren.“ Lediglich das Wenden mit der 9 m breiten Mähmaschine erfordert etwas Geschick, da die Parzelle komplett mit einem gesetzlich vorgeschriebenen Zaun umschlossen ist.
Versuch im Ackerbau
In den Jahren 2022 und 2023 wurden in Donaueschingen drei der Streifen mit Erbsen und Weizen bestellt. Martin Müller, Landwirt und Agraringenieur, war für das Experiment verantwortlich. „Wir haben uns gegen das Pflügen und für einen Grubber entschieden.“, sagt er. „Für die Düngung benutzten wir einen pneumatischen Düngerstreuer, da ein Schleuderstreuer für die Ausbringung zwischen den Modulreihen ungeeignet ist.“ Das Spritzen erfolgte mit einer teilweise eingeklappten 24-m-Feldspritze, erforderte aber wegen der Schwingungen des Spritzgestänges und der Hangneigung hohe Konzentration bei der Arbeit. Das RTK-Lenksystem ist „dabei sehr hilfreich, ja sogar unerlässlich“, so Martin Müller.
Ergebnis: Der Schatten hatte einen negativen Einfluss auf den Erbsenertrag, aber Weizen keimte im Herbst besser als auf der Kontrollparzelle. „Ackerbau ist möglich, aber technisch gesehen nicht ideal“, sagt Rainer Hall. Für den Anbau von Feldfrüchten sollte die Fläche möglichst eben sein. Weitere Versuche laufen noch und Next2Sun vermeldet ermutigende Ergebnisse an mehreren Standorten: +1 bis 19 % für Weizen und +17 % für Linsen in Channay (Frankreich), +10 % für Gerste in Guntramsdorf (Österreich). Diese Zahlen beziehen sich ausschließlich auf die landwirtschaftlich nutzbare Parzelle, exklusive der 10 % Fläche für die Modulreihen. Diese Ergebnisse beziehen sich auf die Erntesaison 2022 gelten für ein Jahr in dem sich der Schatteneffekt zugunsten des Ertrags ausgewirkte.
Erhöhte Agri-Photovoltaik-Module
Bei einer anderen Agri-PV-Variante werden die Module hoch aufgeständert installiert. Seit 2022 hat Sylvain Raison eine solche Anlage auf seinem Betrieb. Er bewirtschaftet seinen 850 ha Hof in Amance, in der Region Aube, nach den Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft. Die 6 m hohe Trägerstruktur sowie die Solarmodule gehören dem Energieversorger TSE, der den Raum oberhalb einer 3 ha großen Parzelle von Sylvain gepachtet hat. Ein ausgeklügeltes System aus Kabeln und Wettersensoren ermöglicht es, dem Lauf der Sonne zu folgen, um eine Leistung von 900 kW/ha zu erzielen. „Der Energieertrag pro Hektar ist beeindruckend“, sagt Sylvain, der auch eine 500-kW-Biogasanlage betreibt.
Nach sechsmonatigen Bauarbeiten wurden im Mai 2022 Sojabohnen gesät. Bei einer der untersuchten Sorten gab es keinen nennenswerten Ertragsunterschied unter der Beschattung, aber der Proteingehalt war um 3 % höher als auf der Kontrollparzelle. Im darauffolgenden Jahr wurde Weizen angebaut. Das Wetter war feuchter und die Ergebnisse waren schlechter. „Der Nachteil ist, dass die Bodenfeuchtigkeit während des Winters hoch bleibt“, sagt Sylvain. Auf dem durch Wasser stark beeinflussten Boden haben sich die Bauarbeiten im zweiten Anbaujahr negativ auf den Weizen ausgewirkt.
Im April 2024 stand die Gerste gut. „Beim Wachstumsbeginn im Frühjahr schützen die Module vor Kälte.“ Messungen von TSE zeigen eine bis zu 5,6 °C geringere Temperatur bei warmem Wetter und +1 °C im Winter. Die Module dienen auch als Hagelschutz, und ihre Neigung passt sich automatisch an das Wetter an.
In heißen und trockenen Jahren entfaltet Agri-PV das Potential
In Frankreich müssen Agri-PV-Anlagen ein Ertragsniveau von mindesten 90 % verglichen zu einer Referenzfläche über einen Zeitraum von drei/fünf Jahren aufweisen. „Dieses Ziel ist durchaus erreichbar“, so Xavier Guillot, Leiter der pflanzenbiologischen Forschung und Entwicklung bei TSE. Er räumt jedoch ein, dass es noch nicht genügend Vergleichsuntersuchungen gibt. Der Wettertrend in Frankreich deutet auf eine Zunahme heißer, trockener Jahre hin. „Unter diesen Bedingungen wird die Agri-PV ihr volles Potenzial entfalten, da sie in den entscheidenden Pflanzenwachstumsstadien einen zusätzlichen Schutz bietet, der die Verluste begrenzt, und in bestimmten Situationen sogar die Erträge erhöht.“
TSE-Daten von mehreren Standorten belegen, dass der Temperaturrückgang einen positiven Einfluss während der Blüte und der Körnerentwicklung hatte. Außerdem kann der Boden das Wasser besser halten, was sich positiv auf die Bestockung auswirkt. Der Lichtmangel bleibt ein Nachteil. Er bewirkt ein Längenwachstum und einen Verlust an Ähren, der nicht unbedingt durch die späteren Vorteile des Schattens kompensiert werden kann. „Diesen Nachteil gilt es zu überwinden“, räumt Xavier Guillot ein. Das Unternehmen plant Wachstumsregler zu testen, um so die Pflanze zur Bildung zusätzlicher Triebe oder Schoten (bei Leguminosen) anzuregen.
Agri-PV-Systeme bieten in den entscheidenden Pflanzenwachstumsstadien einen zusätzlichen Schutz, der Verluste begrenzt.
Xavier Guillot
Die niedrigere Temperatur unter den Modulen wirkt sich auf die kumulative Temperatur aus. Dies führt zu einer Reifeverzögerung von ca. zwölf Tagen. Die Einführung früher reifender Sorten oder die Anpassung der Aussaatzeiten könnten zu einer längeren Aussaatperiode führen und so die Arbeitsorganisation erleichtern. Außerdem wird das Risiko von Pilzerkrankungen untersucht. „Neben dem Licht ist dies ein kritischer Risikofaktor, der aufgrund der leicht erhöhten Luftfeuchtigkeit unter den Modulen besondere Aufmerksamkeit erfordert.“
Neuer Betriebszweig mit zusätzlichem Einkommen
Sylvain Raison berichtet von keinen besonderen Schwierigkeiten bezüglich der Arbeitsbedingungen im Feld. Die Entfernung zwischen den Stützpfeilern beträgt 27 m. Die Spritzarbeiten werden mit einem einseitig ausgeklappten Gestänge erledigt, und die Aussaat erfolgt mit einer Arbeitsbreite von 12 m. Um eine Oxidation des Metalls zu verhindern, werden keine festen Düngemittel ausgebracht. Es waren Interferenzen mit dem RTK-Signal zu beobachten. Daher könnte die Installation von Verstärkern erforderlich sein. Der Mähdrescher kann problemlos unter den Modulen hindurchfahren.
Das Geschäftsmodel sieht einen langfristigen Pachtvertrag mit einer Laufzeit von 40 Jahren mit einer dreiseitigen Zusatzvereinbarung vor, für den Fall, dass das Flurstück von einem Pächter bewirtschaftet wird. Der Landwirt denkt auch an langfristig steigende Grundstückspreise: „Ich glaube, dass dies für junge Landwirte ein zusätzlicher Anreiz für eine Installation sein könnte, da sie so zusätzliches Einkommen generieren können.“ Außerdem sieht er die Möglichkeit der Risikostreuung, um die Folgen des Klimawandels auszugleichen. „Es ist ein neuer Betriebszweig, den wir uns zu eigen machen müssen“, fasst er pragmatisch zusammen.
Verbesserung der Qualität von Trauben
In Spanien hat die Finca Daramezas im Rahmen ihres Winesolar-Projekts ein „Wein-Voltaik“-System getestet. „Im Sommer beobachten wir vermehrt höhere Temperaturen und längere Dürreperioden“, berichtet Miguel Tejerina, Agronomie-Ingenieur und technischer Leiter der Finca. „Deshalb haben wir nach Lösungen gesucht, um die Rebstöcke zu schützen und eine langsamere Reifung zu ermöglichen.“
Auf einer kleinen Fläche wurde eine hochmoderne Solaranlage installiert. Durch Variation der Neigung optimiert sie Beschattung und Sonneneinstrahlung während der Blütezeit, um das Traubenwachstum zu fördern. In der Anlage und auf den Kontrollflächen erfolgt eine umfassende Überwachung: Es werden meteorologische, bodenkundliche und physiologische Daten erfasst, der Wasserverbrauch überwacht und Analysen des Zuckergehalts und des pH-Werts der Trauben während der gesamten Saison durchgeführt.
Airén, die wichtigste Rebsorte Spaniens, bedeckt 99 % der Fläche. Diese Sorte kann große Temperaturschwankungen verkraften. An diesem Ort, auf einer Höhe von 640 m, steigen die Temperaturen im Juli/August regelmäßig auf über 42 ºC. Die jährliche Niederschlagsmenge beträgt etwa 400 mm. „Während der heißesten Zeit des Tages ist die Temperatur im Schatten unter den Modulen 3 bis 4 ºC niedriger. Nach aktuellen Beobachtungen sind dadurch ein höherer Säuregehalt und eine ausgewogenere Reife zu erwarten, während sich der Zucker langsamer ansammelt. Miguel fügt hinzu, dass es im Moment keine spürbaren Auswirkungen hinsichtlich des Auftretens von Parasiten und Krankheiten gibt.
Der Maschineneinsatz auf der Agri-PV-Fläche orientiert sich nun an der Ausrichtung der Paneele. Das sei keine nennenswerte Einschränkung, meint Francisco J. Navarro, der Verwalter des Weinguts. „Die Vorteile für die Pflanzen und die Senkung der Energiekosten rechtfertigen die Anpassungen.“ Die Anlage deckt 10 bis 15 % des Energieverbrauchs des Weinguts, insbesondere für die Tröpfchenbewässerung. „Die Agri-PV-Fläche wollen wir vergrößern, um 100 % unseres Strombedarfs zu decken“, verrät Miguel Tejerina.
Die Temperatur im Schatten ist 3 bis 4 °C niedriger.
Miguel Tejerina
Einen entscheidenden Vorteil sieht er in den Wassereinsparungen. „Die Verdunstung wird reduziert, und der Boden braucht länger, um auszutrocknen. Wir glauben, dass wir bei einer großflächigen Umsetzung erhebliche Wassermengen einsparen können.“ Das ist ein erheblicher Vorteil, da in den letzten Jahren das Wasser, welches für die Bewässerung zur Verfügung steht, in vielen Regionen Spaniens zurückgegangen ist. Dies begrenzt die Produktivität der landwirtschaftlichen Betriebe. Daher erwartet Miguel, dass Anlagen wie das Winesolar-Projekt in Zukunft auf der iberischen Halbinsel Verbreitung finden werden.