Stromlos glücklich. Das geht! Zum Beispiel in Beaver County, Utah. Dieser beschauliche Landkreis liegt mitten in der Wüste. Die Großstädte Las Vegas und Salt Lake City sind jeweils rund 320 km entfernt. Und hier soll die Stromwende stattfinden?
Die rund 4.000 ha große Weidefläche, die Tammy Pearson und ihre Familie im westlichen Teil der Mineral Mountains bewirtschaften, ist umgeben von rauem Terrain. Den im 19. Jahrhundert hier lebenden Cowboys mag sich ein fast gleiches Bild geboten haben. Doch etwas ist neu: Auf rund 600 ha des Pearson-Grundstücks sind Solarmodule installiert.
Die hier gewonnene Elektrizität wird zunächst an das nördlich gelegene Kraftwerk Intermountain Power Plant in Delta geliefert und anschließend nach Kalifornien weitergeleitet. Der Markt für erneuerbare Energien wächst Tag für Tag. Selbst der Social-Media-Gigant Facebook hat sein Interesse an Elektrizität aus dem Tal in der Nähe des Ortes Milford bekundet.
Das Silicon Valley für erneuerbare Energien
Was das Silicon Valley für die US-amerikanische Technologiebranche ist, verspricht das Milford Valley für den Sektor der erneuerbaren Energien zu werden. In einem Bereich des Tals, das von den Einheimischen Milford Flats getauft wurde, gedeiht dank künstlicher Bewässerung jetzt Luzerne. Auch Getreide und Silomais werden hier angebaut. Neben der groß angelegten kommerziellen Landwirtschaft ist die Region aber auch durch viele zukunftsweisende Projekte im Bereich alternativer Energien geprägt.
Erdwärme, Solar- und Windenergie, aus Gülle gewonnenes Biogas zur Stromerzeugung – all diese Arten der „grünen“ Energie finden sich in diesem Tal mitten in der Wüste. „Wir sind zu einem gefragten Ort für erneuerbare Energien geworden“, sagt Pearson, die auch als Beaver County Commissioner, also als Kommissionsmitglied der Gemeinde, fungiert. „Die Möglichkeiten hier scheinen schier endlos. In ganz Utah, vielleicht sogar in ganz Nordamerika, passiert im Bereich der erneuerbaren Energien nirgendwo so viel wie in unserem Landkreis.“
Vergütung von eingespeistem Strom
Zweifelsohne ist die Solarenergie ein brandaktuelles Thema und omnipräsent. Einige Landwirte beispielsweise können dank der Pläne für das sogenannte Net-Metering, einem Modell zur Vergütung von eingespeistem Strom, Solarmodule in den sonst ungenutzen Randbereichen ihrer Felder mit Kreisberegnungsbewässerung aufstellen.
Da die Sonne sich hier an 320 Tagen im Jahr scheint, kann Energie auch während der Wintermonate gewonnen und in das Stromnetz eingespeist werden. Dadurch werden die Kosten für das Pumpen von Wasser aus tiefen Brunnen zur Bewässerung der angrenzenden Felder kompensiert.
So viel Sonnenschein lockt natürlich auch kommerzielle Solarprojekte nach Beaver County. Aktuell werden vier größere Projekte entwickelt oder bereits betrieben und die weiten Flächen mit den Solarmodulen sind längst zu einem unverkennbaren Bestandteil der Landschaftskulisse geworden. Im Tal gilt eine einfache Faustregel: Eine Solarfarm mit einer Leistung von 80 MW benötigt rund 280 ha Land. Neuere Anlagen können auf derselben Fläche sogar 100 MW erzeugen.
Die Fläche, die für die Stromerzeugung genutzt werden kann, ist enorm. Doch in diesem Teil von Utah wird Weidefläche in Hektar pro Kuh und nicht in Kühe pro Hektar gemessen. Die Solarunternehmen wollen die Module daher in Bereichen aufstellen, in denen die Beweidung am wenigsten produktiv ist.
Elektrizität aus Methan
Smithfield Foods, ein globales Lebensmittelunternehmen mit einem Marktwert von 15 Milliarden US-Dollar und der größte Schweineerzeuger in den Vereinigten Staaten sowie größter Schweinefleischverarbeiter weltweit, kurbelt den Sektor der erneuerbaren Energien ebenfalls an. Smithfield ist in Beaver County allgegenwärtig, da das Unternehmen dort eine große Schweineproduktionsanlage betreibt und in Milford seinen Hauptsitz hat.
Schon seit Jahren ist Smithfield in die Erzeugung erneuerbarer Energien in der Region um Milford involviert. Beaver County hat mit rund 180 Windkraftanlagen die größte Windfarm in ganz Utah – ein Großteil davon steht auf Land, das von Smithfield gepachtet wurde. Smithfield liefert außerdem Gülle aus seiner Schweineproduktionsstandorte an ein Unternehmen, das Methangas sammelt und daraus 3,2 MW Elektrizität erzeugt.
Doch Smithfield wollte noch mehr: Seit einigen Monaten engagiert sich der Fleischproduzent auch im Bereich des erneuerbaren Naturgases (RNG), einem besonders hochwertigen Biogas. Mit diesem Schritt will Smithfield seinem ambitionierten und in der Branche führenden Ziel ein Stück näher kommen: Die Treibhausgasemissionen sollen über die gesamte Produktionskette hinweg bis 2025 um 25 % reduziert werden.
„Das ist ein hoch gestecktes Ziel“, sagt Kraig Westerbeek, Senior Director von Smithfield Renewables. „Allein 40 % unserer Emissionen stammen aus dem Güllemanagement. Wir wussten, wenn wir etwas an unseren Treibhausgasemissionen ändern wollten, mussten wir zunächst dort ansetzen.“
Kürzlich konnte Smithfield auf seinen Betrieben in Missouri gute Fortschritte im Bereich Naturgas erzielen. Über ein Joint Venture wurden einige Produktionsstandorte nachgerüstet, um eine Einspeisung in das nationale Pipeline-Sytem, in dem Naturgas transportiert wird, zu ermöglichen.
Als Smithfield kürzlich 26 Mastanlagen in Utah in Auftrag gab, wurde die Produktion von Naturgas von Anfang an eingeplant. Über ein Joint Venture wird Methan unter einer Polyethylen-Abdeckung direkt an den Produktionsstandorten nördlich von Milford gesammelt und über ein unterirdisches Rohrnetzwerk in eine zentrale Aufbereitungsanlage transportiert. Dort werden Verunreinigungen aus dem Biogas herausgefiltert, bis letztlich das hochwertige Naturgas übrig bleibt.
Sobald das Gas die Qualitätsstandards erfüllt, wird es über eine 8 km lange Pipeline an eine Zwischenstelle transportiert, wo es auf 1.400 psi komprimiert und über die Kern River-Pipeline nach Bakersfield in Kalifornien weitergeleitet, wo die Nachfrage nach Naturgas besonders hoch ist.
Diese Region beweist eindrucksvoll, wie Landwirtschaft und erneuerbare Energien Hand in Hand gehen können. Das ist ein wirklich beeindruckender Ort.
Kraig Westerbeek
Das liegt vor allem daran, dass Naturgas dort umfänglich zum Betanken von Fahrzeugen wie Busflotten oder leichten Lastkraftwagen verwendet wird. Doch das hat natürlich seinen Preis: Da das aus den Schweinebetrieben gewonnene Naturgas eine sehr niedrige CO2-Bilanz hat, können dafür auf dem kalifornischen Markt höhere Preise gefordert werden. Doch auch zu Milford passt das Naturgas gut, findet Westerbeek: „Diese Region beweist eindrucksvoll, wie Landwirtschaft und erneuerbare Energien Hand in Hand gehen können. Das ist ein wirklich beeindruckender Ort.“
Erdwärme mit Tradition
Erdwärme ist eine Form der erneuerbaren Energie, die in Milford eine lange Tradition hat. Schon seit vielen Jahren wird in dieser Region Erdwärme gewonnen. Die Blundell Geothermal Power Plant in der Nähe von Milford war bei Inbetriebnahme 1984 die erste Erdwärmeanlage außerhalb von Kalifornien, die Elektrizität erzeugte.
Doch es gibt noch ein weiteres Erdwärmeprojekt im Tal. Das Ziel hier ist nicht die Gewinnung von Strom, sondern die Entwicklung von neuen Technologien für Erdwärmesysteme. Das Projekt unter der Leitung der University of Utah trägt den Namen Frontier Observatory for Research in Geothermal Energy, oder kurz FORGE.
Der leitende Forscher Joseph Moore glaubt, dass uns der Schlüssel zu einer unabhängigen Energiebereitstellung all die Jahre bereits zu Füßen lag. Wissenschaftler sind der Auffassung, dass eine Gewinnung von nur 2 % der thermischen Energie wenige Kilometer unter der Erdoberfläche die aktuell in den Vereinigten Staaten verbrauchte jährliche Energie um 2.000 Mal übersteigen würde.
Moore und sein FORGE-Team arbeiten also mit Hochdruck an einer Methode zur bestmöglichen Gewinnung dieser Energie. „Unsere Idee ist, tief zu bohren, um Risse im Granit aufzuspalten und das Wasser, das durch das rund 200 Grad Celsius heiße Gestein fließt, aufzubereiten und die Wärme wie in einer Heizung zu speichern. Eine solche Methode würde nicht nur bei uns im Westen der USA funktionieren. Auf der ganzen Welt gibt es Orte mit ähnlichen geologischen Bedingungen.“
Wenn die Forscher und Forscherinnen bei FORGE erfolgreich sind, können die Ergebnisse aus Milford dazu beitragen, Stromnetze weltweit zu revolutionieren. Moore fügt hinzu: „Erdwärme ist die ideale Quelle für erneuerbare Energie. Sie ist sicher und sauber und hat eine sehr geringe CO2-Bilanz. Und sie ist rund um die Uhr verfügbar.“