Wein­reben erobern den Norden

Es gibt immer mehr schwe­di­sche Winzer – trotz schwie­riger klima­ti­scher und wirt­schaft­li­cher Bedin­gungen. Sie wollen ihrem Land einen Platz auf der euro­päi­schen Wein­land­karte verschaffen. Nicht zuletzt kommt ihnen die globale Erwär­mung dabei zugute.

Im südwest­schwe­di­schen Vejby­strand unter­nahm Jeppe Appelin den gewagten Schritt, rote Rebsorten anzu­bauen. „Ange­fangen hat alles vor 15 Jahren nach dem Besuch däni­scher Wein­berge. Damals wurde uns noch gesagt, dass die Herstel­lung von Rotwein in Schweden ein unmög­li­ches Unter­fangen sei, aber mitt­ler­weile können wir lager­fä­higen Wein anbieten.“

Wie die meisten anderen schwe­di­schen Wein­güter, weist auch Appe­lins Wein­be­trieb eine beschau­liche Größe auf: Das auf der Südseite der Halb­insel Bjäre gele­gene Weingut ist nur einen Hektar groß. Für viele seiner Kollegen und Appelin selbst ist die Entwick­lung des schwe­di­schen Wein­baus Pionier­ar­beit. Auf der kleinen Fläche, die dem Winzer zur Verfü­gung steht, versucht er ständig etwas Neues aus und bedient sich aus dem Reper­toire anderer Wein­bau­tra­di­tionen, um „die Grenzen dessen, was in unserem Klima möglich ist, auszu­reizen.“

Seit drei Jahren benutzt Jeppe Appelin diese geor­gi­schen Tonge­fäße namens Qvevris für seine Weine.

Beson­ders inspi­riert ist er vom tradi­tio­nellen geor­gi­schen Wein­ausbau, der in soge­nannten Quevri statt­findet. Inzwi­schen verfügt er über 20 der je tausend Liter fassenden Tonge­fäße in seinem Wein­lager. Ohne die zugabe von Hefe werden die Trauben einschließ­lich Schale und Stiel über mehrere Monate fermen­tiert. Die lange Fermen­ta­ti­ons­dauer verleiht dem Endpro­dukt Körper und Rund­heit. Den rest­li­chen Fermen­ta­ti­ons­pro­zess durch­läuft der Wein in Stahl-, Beton- oder Eichen­fäs­sern. Hierbei verwendet Appelin über 25 verschie­dene Hefe­stämme.

Lehm­boden opti­mieren

Mithilfe von Diabas, Granit, Gneis, Sand­stein und Porphyr aus einer Mine in der Nähe des Guts reichert der Winzer seinen sandigen Lehm­boden an. Dadurch soll eine Verbes­se­rung der Anbau­re­gion erreicht werden. „Das Gestein verhilft dem Wein nicht nur zu einer sehr inter­es­santen mine­ra­li­schen Komple­xität, sondern auch zu einer höheren Boden­tem­pe­ratur und zu einer verbes­serten Drai­nage. „Die Wurzeln der vor 15 Jahren gepflanzten Reben errei­chen nun den seichten Grund­was­ser­spiegel, wodurch sich die Bewäs­se­rung erüb­rigt.“

Beim Wein­ausbau expe­ri­men­tiert er insbe­son­dere mit der Solera-Methode, die in Spanien und Portugal weit verbreitet ist. Diese Methode zeichnet sich durch eine bestimmte Stapel- und Auffüll­technik der Fässer aus. Der älteste Wein befindet sich hierbei in der untersten Fass­reihe. Darüber liegen die jüngeren Weine. Mehr­mals im Jahr werden die darunter liegenden Fässer mit einem Teil des jüngeren Weins aus der jeweils darüber liegenden Reihe aufge­füllt, um so den Wein viel­schich­tiger zu machen. Die älteren Weine „erziehen“ sozu­sagen die jüngeren.

Blaue Trauben sind zwar arbeits­in­ten­siver, kommen dafür aber gut mit dem skan­di­na­vi­schen Klima zurecht, wie Jeppe Appelin auf Vejby Vingård bewiesen hat.

Das Alkohol-Monopol

Die größte Heraus­for­de­rung stellt der Vertrieb dar. In Schweden hält das staat­liche Unter­nehmen „Systembo­laget“ das Monopol für den Einzel­handel von alko­hol­hal­tigen Produkten. Dadurch soll der Alko­hol­konsum besser regu­liert werden. Somit stehen Appelin derzeit nur drei Vertriebs­ka­näle für seinen Wein offen: Lizen­zierte Staats­ge­schäfte, Gastro­no­mie­be­triebe und der Verzehr direkt auf dem Weingut.

Keine der drei Optionen wirft wirk­lich etwas ab. „Unser Wein ist für den Verkauf in den Staats­ge­schäften zu teuer“ Hier werden darüber hinaus hohe Steuern auf Alkohol erhoben. „Die Restau­rants trauen sich noch nicht so richtig, schwe­di­sche Weine auf ihre Karte zu setzen. Und ich möchte auch keine Herberge betreiben müssen, um eine Flasche Wein verkaufen zu können.  Ich möchte mich gerne auf das Wein­ma­chen konzen­trieren“, argu­men­tiert er leiden­schaft­lich.

Aktuell sind Wein­proben Appe­lins einzige Vermark­tungs­mög­lich­keit.

Weißer Schaum­wein im Norden

In Väder­stad, nahe der nörd­li­chen Grenze der schwe­di­schen Wein­bau­ge­biete, wandte sich Niclas Albinsson vor 10 Jahren dem Weinbau zu. Auf seinem Weingut namens „Särts­höga“ bewirt­schaftet er 2 ha für die Produk­tion von weißem Schaum­wein, die jähr­lich 10.000 Flaschen umfasst. Er pflanzte 8.000 Solaris-Rebstöcke – eine weiße pilz­wi­der­stands­fä­hige Rebsorte (PIWI). Diese Sorte wurde vom Wein­bau­in­stitut Frei­burg gezüchtet und liefert auch in Skan­di­na­vien hervor­ra­gende Ergeb­nisse.

Im Särts­höga Vingård baut Niclas Albinsson nur die grüne Rebsorte Solaris an und hat nun zusammen mit anderen Winzern ein schwe­di­sches Quali­täts­label einge­führt, das der fran­zö­si­schen Cham­pa­gner-Methode nach­emp­funden ist.

„Ich denke, in Schweden sollten wir uns auf die Herstel­lung von quali­tativ hoch­wer­tigen Weiß­weinen aus Trauben konzen­trieren, die unserem Klima stand­halten können“, erklärt er. Das Weingut, das zwischen einem See und einem Berg liegt, wird durch ein über­wie­gend mildes Klima mit Durch­schnitts­tem­pe­ra­turen über 10 °C begüns­tigt. „Mit dem Experten Pierre-Yves Bour­ne­rias vom fran­zö­si­schen Institut Œnolo­gique de Cham­pagne haben wir heraus­ge­funden, dass die Tempe­ra­turen, die Sonnen­ein­strah­lung und die Nieder­schläge hier fast dieselben sind, wie in der Cham­pagne.“

Albinsson verar­beitet Wein nach der Méthode der berühmten fran­zö­si­schen Weiß­wein­re­gion. Die Hälfte der Ernte ist für eine Cuvée und weitere 40 Prozent sind für die Reifung in Eichen­fäs­sern bestimmt. Nach der ersten Gärung wird der Wein durch­ge­rüt­telt und die Hefe­rück­stände werden aufge­rührt. „Dies trägt zum Schutz des Weins vor Oxyda­tion und Bakte­rien, zur Erhö­hung des Poly­phe­nol­ge­halts sowie zur Abrun­dung bei. Die Herstel­lung einer Cuvée dauert drei­ein­halb Jahre. „Wir möchten die Komple­xität der Aromen von der Wein­rebe hervor­heben. Wir wollen keinen lieb­li­chen, sondern einen frischen Wein herstellen und dies nimmt Zeit in Anspruch.“

Auf dem Weg zu einem Güte­siegel

Solaris domi­niert den schwe­di­schen Weinbau. Daraus werden weiße Schaum­weine ebenso wie Still­weine gemacht.

Mit dem Ziel, auf dem inter­na­tio­nalen Markt Fuß zu fassen, arbei­tete Albinsson zusammen mit der Swedish Spar­k­ling Wine Asso­cia­tion an der Einfüh­rung von Stan­dards für die schwe­di­schen Wein­bauer, die Solaris-Schaum­wein herstellen, und der Ausar­bei­tung eines Leis­tungs­ver­zeich­nisses, das sich größ­ten­teils an der tradi­tio­nellen Methode orien­tiert. Er geht davon aus, „dass solch ein Güte­siegel den Verbrau­chern als Quali­täts­merkmal dient.“

Für den Vertrieb grün­dete der Winzer einen Gastro­no­mie­be­trieb und bietet Gäste­zimmer an, um eine Verkaufs­li­zenz für Alkohol zu erhalten. „Diese Entschei­dung raubt uns viel Zeit bei der eigent­li­chen Wein­her­stel­lung“, gesteht er. Dennoch sind die wirt­schaft­li­chen Auswir­kungen sehr positiv. „Auf der kleinen, uns zur Verfü­gung stehenden Fläche machen wir einen Umsatz von ca. 5 Mio. schwe­di­schen Kronen (490.000 €).“ „Um mit der Produk­tion von Getreide dasselbe wirt­schaft­liche Ergebnis zu erzielen, würde man hunderte Hektar benö­tigen“, veran­schau­licht er zum Vergleich.“

Die globale Erwär­mung – ein Vorteil auf lange Sicht

Albinsson hofft dennoch auf eine Locke­rung bei den Verkaufs­re­ge­lungen. „Ich möchte meinen Wein nicht in Super­märkten verkaufen. Ich würde lieber einen Laden auf meinem Weingut eröffnen und die Bewir­tung von Gästen und den Wein­tou­rismus, wie er in Frank­reich, dem US-ameri­ka­ni­schen Nappa Valley oder anderen Wein­bau­län­dern vorherrscht, ausbauen. Für die hiesige Land­wirt­schaft wäre das von enormer Bedeu­tung.“

Im Früh­jahr müssen die Winzer bei Nacht­frost kleine Feuer im Wein­berg anzünden, um die Tempe­ratur in der unmit­tel­baren Umge­bung zu erhöhen und so die Reben zu schützen. Foto: Niclas Albinsson

Während die schwe­di­schen Winzer noch auf die Entschei­dung des Gesetz­ge­bers warten, entwi­ckeln sie den Wein­anbau im Hinblick auf Quan­tität und Qualität weiter. Dieser Aufschwung ist aller­dings nicht dem Klima­wandel geschuldet, sondern der Selek­tion, schätzt Albinsson: „Es ist ja nicht so, als ob es 15 Grad wärmer geworden wäre. Wir haben es den Rebsorten zu verdanken, die sich besser an unser Klima ange­passt haben.“

Letz­lich sorgt der Anstieg der Durch­schnitts­tem­pe­ra­turen auf lange Sicht dafür, dass sich ein Teil des euro­päi­schen Wein­baus in die nörd­li­cheren Regionen verla­gert. Grund hierfür ist insbe­son­dere der zu hohe Zucker­ge­halt der Weine aus dem Süden des Konti­nents. „Viele Inves­toren schauen nun in Rich­tung Nord­eu­ropa, Südskan­di­na­vien inbe­griffen“, vermutet Niclas Albinsson.

Wein­ni­sche in Skan­di­na­vien

Die Gesamt­wein­bau­fläche Schwe­dens ist noch beschau­lich und besteht aus 125 ha und einer Hand voll Wein­güter. Die meisten Wein­güter messen 1 bis 2 Hektar und das größte umfasst etwa 20 Hektar. Dennoch verzeichnet die Gesamt­an­bau­fläche seit einigen Jahren ein rasantes Wachstum. Derzeit verkaufen 50 schwe­di­sche Wein­güter ihren Wein.

Die Trauben sind nach etwa 100 Tagen reif. Die Blüte findet im April statt und die Wein­lese Ende September, bzw. Anfang Oktober. Solaris ist die in Schweden am häufigsten ange­baute Rebsorte. Die Erträge belaufen sich auf ca. 1 kg/Weinstock, was etwa 3.000 kg Trauben pro Hektar entspricht.