Eine selbstfahrende Maschine, die sich autonom über die Felder bewegt, Sonnenenergie erntet und mit einem H2-Erntesystem in Wasserstoff umwandelt: So lautet das Konzept des „H2arvester“ (kurz für H2-Harvester). Der erste Prototyp eines solchen Wasserstoffernters wurde letztes Jahr in den Niederlanden getestet. „Wir haben nach neuen Möglichkeiten gesucht, Energieerzeugung mit landwirtschaftlicher Produktion zu verbinden“, so Wouter Veefkind, Mitbegründer des Projekts. „In diesem Zusammenhang ist multifunktionale Landnutzung ein wichtiger Faktor.“

Wouter Veefkind, Mitbegründer des Projekts H2arvester
Herstellung von H2 per Elektrolyse
Genau hier kommt der H2arvester ins Spiel. 2017 wurde diese Erfindung vom Niederländischen Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit einem Umweltpreis ausgezeichnet. „Seit der Prototyp auf dem Feld im Einsatz war verzeichnen wir reges Marktinteresse“, bestätigt Veefkind. „Die Lösung ist teils politisch motiviert, weil wir mehr Solarenergie brauchen. Daher sehen wir unter einem gewissen Druck ‒ wir brauchen einen Nachweis der Machbarkeit.“ Dieses Jahr wird ein Feldversuch im Streifenanbau auf dem „Bauernhof der Zukunft“ der Universität Wageningen (Wageningen University & Research) in Angriff genommen.
Die Ernter bestehen aus Sonnenkollektor-Segmenten auf angetriebenen Radsätzen, mit denen sie autonom über Acker- und Weideland fahren und dabei sogar Gräben überwinden können, wie frühere Versuche gezeigt haben. Da jeweils maximal 10 Prozent der Feldfläche von den Sonnenkollektoren verdeckt ist, kann das Lands doppelt genutzt werden. Der Ertrag der Sonnenkollektoren wird dann zur Herstellung von H2 per Elektrolyse genutzt, das heißt, Wasser wird mit Hilfe der gesammelten Solarenergie in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Die Speicherung des produzierten Wasserstoffs könnte entweder im landwirtschaftlichen Betrieb geschehen, um ihn von externer Versorgung unabhängig zu machen, oder bei einer genossenschaftlichen Organisation.

Ab 2022 wird der Prototyp „H2arvester“ an der niederländischen Universität Wageningen getestet.
Der gespeicherte Wasserstoff könnte auch in Brennstoffzellen genutzt werden, um wieder Strom zu erzeugen. „Energetisch gesehen wäre dies jedoch unrentabel“, erläutert sein Kollege Marcel Vroom. „Besser wäre es, H2 direkt als Kraftstoff für Transport, Mechanisierung und Heizung zu verwenden.“ Auch würde die Kombination aus H2-Speicherung und Solarenergie dem Landwirtschaftsbetrieb zwei saisonal nutzbare Energiequellen erschließen und damit eine ganzjährige Selbstversorgung ermöglichen.
Ideal wäre es, unsere Erfindung auch während der Anbauperiode zu nutzen ‒ etwa, indem sie Energie erzeugt und zugleich ein Anbaugerät mitführt.
Wouter Veefkind
Der Elektrolyseur, der für die Gewinnung von Wasserstoff benötigt wird, befindet sich zurzeit in Entwicklung. Vroom dazu: „Aus technischer Sicht hat sich der Prototyp bewährt. Jetzt brauchen wir einen Plan für den Einsatz. Unser System wird oft mit Solaranlagen auf dem Dach verglichen, aber wir befinden uns in einer höheren Preiskategorie. In den Niederlanden gilt der H2arvester jedoch als landtechnische Maschine, so dass wir bereits ab 2023 entsprechende Subventionen beantragen können.“
Für Marcel Vroom ist der H2arvester jedoch mehr ist als nur ein „bewegliches Solarkraftwerk auf dem Land“. „Dahinter steht eine ganze Kette nachhaltiger Energieversorgungskonzepte. Deshalb suchen wir zurzeit Partner und Investoren, die eine solche Kette führend koordinieren können. Und aus eben diesem Grund brauchen wir den Machbarkeitsnachweis.“
Gewonnene Energie selbst nutzen
„Die Landwirtschaft muss ihre CO2-Bilanz verbessern und daher in nachhaltig erzeugte Energie investieren“, verdeutlicht Vroom. „Das gilt mindestens in der Logistik ‒ so werden Lastwagen beispielsweise in Zukunft mit Wasserstoff fahren. Mit der passenden Technologie kann ein Landwirt den Wasserstoff etwa in senem eigenen Milchviehbetrieb einsetzen. Das würde ein neues Geschäftsmodell erschließen und den Betrieb nachhaltiger machen.“

Auch Lastwagen werden in Zukunft mit Wasserstoff fahren.
Ein anderes Beispiel wäre ein Ackerbaubetrieb, der Wintergetreide anbaut. „Im Frühjahr hätte der Betrieb kaum Einnahmen. Umso besser wäre es, mit Energiegewinnung und -verkauf auch in dieser Zeit Einnahmen generieren zu können. So setzt sich eine ganz neue Kette zusammen.“
Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Art der Energiegewinnung das vorhandene Stromnetz nicht beansprucht. „Unsere Stromnetze in den Niederlanden arbeiten bereits am Rand ihrer Kapazität. Wenn die gewonnene Energie also nicht über das Stromnetz transportiert werden muss, sondern lokal in Wasserstoff umgewandelt wird, den die Landwirte selbst nutzen oder Energieversorgern verkaufen kann, wird das Netz unterm Strich entlastet. Eine echte Win-Win-Situation!“
Weitere Pläne für den Anbau
Die Pläne der Initiatoren des Projekts gehen jedoch noch weiter. „Ideal wäre es, wenn unsere Erfindung auch während der Anbauperiode genutzt werden könnte ‒ etwa, indem sie Energie erzeugt und zugleich ein Anbaugerät mitführt“, erläutert Veefkind. „Eine solche Lösung hätte besonderes Potenzial im Ackerbau, der zunehmend auf Streifenanbau setzt. Aber das ist erst die nächste Phase.“
Veefkind ist allerdings zuversichtlich: „Es ist immer eine Herausforderung, etwas Neues auf den Markt zu bringen. Wir müssen gewisse Startschwierigkeiten daher wohl einfach als Teil des Gesamtpakets akzeptieren. Schließlich geht es um den Aufbau eines ganzen Ökosystems. Ob es möglich ist, auf diese Weise produzierten Wasserstoff gewinnbringend zu verkaufen, wird die Zukunft zeigen.“
Weitere Informationen
- zum niederländischen Projekt H2arvester