Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind seit mehreren Jahren ein Thema für die breite Öffentlichkeit. Waren zunächst der Autoverkehr und Flugreisen im Fokus der öffentlichen Debatte, fällt der Blick nun auf die Landwirtschaft und ihre dieselbetriebenen Landmaschinen. Ideen gibt es: riesige Akkus, kabelgebundene Maschinen oder klimaneutraler Kraftstoff. Die Liste der Visionen für eine klimafreundlichere Landwirtschaft ist lang.
Doch großflächig und praktisch nutzbar sind viele der Ideen und Projekte noch nicht. Für den Anfang bedarf es kreativer Lösungen, die auf bestehenden Möglichkeiten basieren und in ihrer Mischung einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Auch wenn der Verbrauch fossiler Kraftstoffe nicht der Hauptfaktor für Treibhausgas (THG)-Emissionen aus der Landwirtschaft ist, muss der Agrarsektor seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Landwirtschaft kann nur dann nachhaltig sein, wenn sie vom Verbrauch fossiler Treibstoffe unabhängig wird.
Visionen sind grundsätzlich ein gutes Zeichen. Dahinter stehen Fortschrittsgeist und die Vorstellungskraft für neue Ideen und Konzepte, die am Ende zu Innovationen führen. Dennoch ist wichtig festzuhalten, dass gerade bei mittleren und großen Landmaschinen der Verbrennungsmotor in der nächsten Dekade noch nicht zu ersetzen sein wird.
Zwar gibt es bereits Ansätze und vielversprechende Prototypen, doch kein gleichwertiges Ersatzprodukt ist derzeit nah an der Marktreife. Die Forschung ist noch nicht so weit: Die Batterie für einen mit 250 PS betriebenen Traktor, der acht Stunden durchgehend auf einem Feld fahren soll, würde beim aktuellen Forschungsstand rund 15 t wiegen. In der Praxis würden die damit vorhandenen Herausforderungen für die Umwelt den Mehrwert der E-Mobility negieren.
Hinter Visionen steht die Vorstellungskraft für neue Ideen und Konzepte, die am Ende zu Innovationen führen.
Ein weiterer Faktor ist die Langlebigkeit der Maschinen. Viele Traktoren und Agrarfahrzeuge halten sehr lange. Dieses Qualitätsmerkmal macht eine „Aufrüstung“ in Richtung Nachhaltigkeit zu einer schwierigen Rechenaufgabe für die Nutzerinnen und Nutzer.
Elektrischer Traktor mit Kabel
Eine visionäre Idee ist „GridCON“, ein elektrischer Traktor von John Deere. Er wird mit einer Kabeltrommel direkt vom Stromnetz betrieben. Der Kabeltraktor führt dann per Fernbedienung oder autonom auf vorher programmierten Pfaden. Das Kabel wird während der Fahrt automatisch ab- und aufgerollt. Dafür legt es ein Roboterarm neben der ersten Fahrspur ab und nimmt es auf der nächsten Fahrspur wieder auf. Rechnerisch kann die Maschine bis zu 16 ha – das entspricht 22 Fußballfeldern – um einen Anschlusspunkt bearbeiten. Selbst wenn ein Prototyp vorliegt, braucht ein solches Projekt aber lange bis zur Markteinführung. Mit der Serienreife ist frühestens in 2035 zu rechnen.
Aktuelle Studien zeigen: Maschinen werden dank technologischem Fortschritt immer effizienter. Weiterhin sorgen Technologien wie „Precision Farming“ durch Effizienzgewinne dank Digitalisierung für weniger Verbrauch bezogen auf die Erträge. Dennoch reicht das nicht, die absolute Kraftstoffreduktion zu erreichen, die notwendig wäre, um einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz entsprechend den Klimaschutzzielen der EU leisten zu können.
Der Klimawandel macht keine Pause.
Grund dafür ist, dass aufgrund steigender Nachfrage nach Agrargütern die Arbeitsintensität und damit der Kraftstoffeinsatz steigt, was die geschilderten positiven Effekte teilweise kompensiert. An dieser Stelle beißt sich die Katze in den Schwanz und sorgt für eine echte Herausforderung. Doch der Klimawandel macht keine Pause.
Zurzeit liegt der Anteil der Landmaschinen, die mit Alternativen zu Dieselkraftstoff fahren, praktisch bei null. Die Landwirtschaft müsste ab sofort rund 20 % der THG-Emissionen, die aus dem Kraftstoffverbrauch entstehen, reduzieren, um analog zu anderen Sektoren die Klimaschutzziele für 2030 erreichen zu können.
Technologische Fortschritte, wie das Precision Farming, bringen gut die Hälfte davon an Reduktion. Die einzige Chance sind die Nutzung von Biodiesel in Bestandsflotten sowie eine schnelle Förderung der Entwicklung und Einführung alternativer Antriebe. Am besten ist es, die Motorenkonzepte je nach Maschinengröße entsprechend anzupassen, um klimafreundlicher und umweltschonender zu werden. Eine flexible Zwischenlösung ist die Mischung verschiedener Antriebsstoffe.
Politische Leitplanken nötig
Der Einsatz alternativer Kraftstoffe und Antriebstechnologien steht und fallt mir der finanziellen Attraktivität. Hier ist es am Gesetzgeber, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen. Interessant könnten vor allem Biokraftstoffe sein, die aus der Landwirtschaft für die Landwirtschaft produziert werden. Denn die eigenständige Herstellung des benötigten Kraftstoffs eröffnet die Chance, die Wertschöpfung auf landwirtschaftlichen Betrieben zu verbessern.
Bei einer ganzheitlichen Betrachtung ist die Produktion von Biodiesel oder reinem Pflanzenöl so lange nachhaltig, wie sie begrenzt ausgeführt wird. Vorstellbar ist es, die Produktion auf 8 bis 10% der landwirtschaftlichen Nutzfläche zu begrenzen und die Nutzung dieser Kraftstoffe tatsächlich auf den Bereich der Land- und Forstwirtschaft zu konzentrieren, sodass diese Sektoren mittelfristig unabhängig von fossilen Treibstoffen werden können.
Um die landwirtschaftlichen Beiträge zum Klimaschutz zu bewerten, ist es sinnvoll, die Einsparungen an THG-Emissionen durch Einsatz nicht-fossiler Treibstoffe dem Landwirtschaftssektor zuzuordnen und nicht, wie auf EU-Ebene üblich, dem Transportsektor.
Der Einsatz nachhaltiger Biokraftstoffe in der Land- und Forstwirtschaft wird in Deutschland heute steuerlich entlastet. Diese Steuerentlastung ist jedoch bis zum 31. Dezember 2021 befristet. Deswegen fehlt die langfristige Planungssicherheit, die notwendig ist, um seitens der Maschinenhersteller und Anwender in entsprechende Technologie zu investieren. Eine unbefristete Steuerentlastung analog zum Agrardiesel wäre wünschenswert, ebenso eine Subvention hinsichtlich der Klimarelevanz.
eFuels und Wasserstoff
Global betrachtet, ist der zunehmende Ersatz von Diesel durch eFuels, also von synthetischen Treibstoffen, die mithilfe erneuerbarer Energie hergestellt werden, frühestens ab 2030 realistisch. Dies setzt jedoch den Aufbau von Großanlagen zur Erzeugung von erneuerbarem elektrischem Strom in ariden Gebieten der Erde voraus. Außerdem müssten diese Kraftstoffe den Wirtschaftssektoren vorbehalten werden, in denen der Mobilitätsbedarf praktisch nicht oder nur in geringem Umfang durch Elektrifizierung mit Energie gedeckt werden kann. Dies sind etwa die Luft- und Schifffahrt, aber auch Land-, Bau- und Forstmaschinen.
Bis eine revolutionäre Idee und ihre Umsetzung den Markt erobert, wird noch einige Zeit vergehen. Aber auch kleine Schritte können schon eine Wirkung entfalten.
Genauso wie bei Straßenfahrzeugen gibt es auch für Landmaschinen die große Hoffnung, dass ein Antrieb mit Wasserstoff viele Probleme lösen kann. Doch ähnlich wie bei der Batterietechnik momentan gibt es noch keine Möglichkeit, ausreichend Wasserstoff in den Maschinen zu speichern, sodass die Energie für einen ganzen Arbeitstag reichen würde. Bis eine revolutionäre Idee und ihre Umsetzung den Markt erobert, wird noch einige Zeit vergehen. Aber auch kleine Schritte können schon eine Wirkung entfalten.
Zwischenlösung: Multifuel
Ein sogenannter Multifuel-Antrieb könnte mit mehreren Kraftstoffen betrieben werden – etwa mit Biodiesel, Pflanzenöl und Diesel. Das System würde den entsprechenden Kraftstoff erkennen und passend arbeiten. John Deere arbeitet derzeit gemeinsam mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) an einem entsprechenden Motorenkonzept.
Die On-Board-Erkennungsverfahren zeigen erste Erfolge und könnten direkt in eine Motorsteuerung integriert werden. Kraftstofferkennung basierend auf künstlicher Intelligenz könnte in Zukunft über Cloud-Dienste realisiert werden, sie ermöglichen ferner eine erweiterte Motordiagnose – etwa die Detektion von Motorenbelastung und -verschleiß sowie mögliche Pumpen- und Injektorfehler.
Allerdings liegt die Lösung eben nicht nur in der Technologie. Wichtig ist beim Einsatz von Pflanzenöl, dass es lokal produziert wird, um zu vermeiden, dass es klimaschädlich per Frachtschiff aus Fernost transportiert werden muss. Ideal wäre der Ersatz von Diesel durch pflanzenölbasierte Kraftstoffe in einer möglichst dezentralen Erzeugung mit kurzen geschlossenen Kreisläufen.
Ideen und Innovationen sprießen aus dem Boden, doch Lösungen und Umsetzungen wachsen nicht an Bäumen.
Ein Blick ins Innere der Branche zeigt: Ideen und Innovationen sprießen aus dem Boden, doch Lösungen und Umsetzungen wachsen nicht an Bäumen. Bis klimaneutrale oder sehr klimafreundliche Antriebe für Landmaschinen entwickelt und zur Marktreife gebracht werden, vergehen noch einige Jahre. Doch einfach abzuwarten ist das falsche Signal. Es gilt, jetzt mit kreativen Zwischenlösungen die ersten Schritte hin zu einer nachhaltigeren und klimafreundlicheren Landwirtschaft zu beschreiten.
Die Mischung des Antriebs gepaart mit weiteren Lösungen sind erste wichtige Ansätze. Doch klar ist auch: Weitere Innovationen müssen folgen. Auf dem Acker zählen mittlerweile nicht mehr nur jedes Korn und jede Pflanze, sondern auch jeder eingesparte Tropfen Kraftstoff.