TraktorenKlima­freund­li­chere Trak­toren in Sicht

Die Diskus­sion über umwelt­freund­liche Antriebe gewinnt auch in der Land­wirt­schaft an Fahrt. Dort lässt sich die starke Abhän­gig­keit vom tradi­tio­nellen Kraft­stoff Diesel aber schwerer über­winden. Mitt­ler­weile gibt es jedoch erste Ideen und Impulse, die dazu beitragen können, den CO2-Ausstoß von Land­ma­schinen zu verrin­gern.

Klima­schutz und Nach­hal­tig­keit sind seit mehreren Jahren ein Thema für die breite Öffent­lich­keit. Waren zunächst der Auto­ver­kehr und Flug­reisen im Fokus der öffent­li­chen Debatte, fällt der Blick nun auf die Land­wirt­schaft und ihre diesel­be­trie­benen Land­ma­schinen. Ideen gibt es: riesige Akkus, kabel­ge­bun­dene Maschinen oder klima­neu­traler Kraft­stoff. Die Liste der Visionen für eine klima­freund­li­chere Land­wirt­schaft ist lang.

Prof. Peter Pickel ist Manager für Zukunfts­tech­no­lo­gien am Euro­pean Tech­no­logy Inno­va­tion Center von John Deere in Kaisers­lau­tern.

Doch groß­flä­chig und prak­tisch nutzbar sind viele der Ideen und Projekte noch nicht. Für den Anfang bedarf es krea­tiver Lösungen, die auf bestehenden Möglich­keiten basieren und in ihrer Mischung einen Beitrag zum Klima­schutz leisten können. Auch wenn der Verbrauch fossiler Kraft­stoffe nicht der Haupt­faktor für Treib­hausgas (THG)-Emissionen aus der Land­wirt­schaft ist, muss der Agrar­sektor seinen Beitrag zum Klima­schutz leisten. Land­wirt­schaft kann nur dann nach­haltig sein, wenn sie vom Verbrauch fossiler Treib­stoffe unab­hängig wird.

Visionen sind grund­sätz­lich ein gutes Zeichen. Dahinter stehen Fort­schritts­geist und die Vorstel­lungs­kraft für neue Ideen und Konzepte, die am Ende zu Inno­va­tionen führen. Dennoch ist wichtig fest­zu­halten, dass gerade bei mitt­leren und großen Land­ma­schinen der Verbren­nungs­motor in der nächsten Dekade noch nicht zu ersetzen sein wird.

Zwar gibt es bereits Ansätze und viel­ver­spre­chende Proto­typen, doch kein gleich­wer­tiges Ersatz­pro­dukt ist derzeit nah an der Markt­reife. Die Forschung ist noch nicht so weit: Die Batterie für einen mit 250 PS betrie­benen Traktor, der acht Stunden durch­ge­hend auf einem Feld fahren soll, würde beim aktu­ellen Forschungs­stand rund 15 t wiegen. In der Praxis würden die damit vorhan­denen Heraus­for­de­rungen für die Umwelt den Mehr­wert der E-Mobi­lity negieren.

Hinter Visionen steht die Vorstel­lungs­kraft für neue Ideen und Konzepte, die am Ende zu Inno­va­tionen führen.

Ein weiterer Faktor ist die Lang­le­big­keit der Maschinen. Viele Trak­toren und Agrar­fahr­zeuge halten sehr lange. Dieses Qualitäts­merkmal macht eine „Aufrüs­tung“ in Rich­tung Nach­hal­tig­keit zu einer schwie­rigen Rechen­auf­gabe für die Nutze­rinnen und Nutzer.

Elek­tri­scher Traktor mit Kabel

Eine visio­näre Idee ist „GridCON“, ein elek­tri­scher Traktor von John Deere. Er wird mit einer Kabel­trommel direkt vom Strom­netz betrieben. Der Kabel­traktor führt dann per Fern­bedienung oder autonom auf vorher program­mierten Pfaden. Das Kabel wird während der Fahrt auto­ma­tisch ab- und aufge­rollt. Dafür legt es ein Robo­terarm neben der ersten Fahr­spur ab und nimmt es auf der nächsten Fahr­spur wieder auf. Rech­ne­risch kann die Maschine bis zu 16 ha – das entspricht 22 Fußball­fel­dern – um einen Anschluss­punkt bear­beiten. Selbst wenn ein Prototyp vorliegt, braucht ein solches Projekt aber lange bis zur Markt­ein­füh­rung. Mit der Seri­en­reife ist frühes­tens in 2035 zu rechnen.

Aktu­elle Studien zeigen: Maschinen werden dank techno­logischem Fort­schritt immer effi­zi­enter. Weiterhin sorgen Tech­no­lo­gien wie „Precision Farming“ durch Effizienz­gewinne dank Digi­ta­li­sie­rung für weniger Verbrauch bezogen auf die Erträge. Dennoch reicht das nicht, die abso­lute Kraftstoff­reduktion zu errei­chen, die notwendig wäre, um einen Beitrag zum Umwelt- und Klima­schutz entspre­chend den Klima­schutzzielen der EU leisten zu können.

Der Klima­wandel macht keine Pause.

Grund dafür ist, dass aufgrund stei­gender Nach­frage nach Agrar­gü­tern die Arbeits­intensität und damit der Kraft­stoff­ein­satz steigt, was die geschil­derten posi­tiven Effekte teil­weise kompen­siert. An dieser Stelle beißt sich die Katze in den Schwanz und sorgt für eine echte Heraus­for­de­rung. Doch der Klima­wandel macht keine Pause.

Zurzeit liegt der Anteil der Land­ma­schinen, die mit Alter­na­tiven zu Diesel­kraftstoff fahren, prak­tisch bei null. Die Land­wirtschaft müsste ab sofort rund 20 % der THG-Emis­sionen, die aus dem Kraftstoff­verbrauch entstehen, redu­zieren, um analog zu anderen Sektoren die Klimaschutz­ziele für 2030 errei­chen zu können.

Bis zur Praxis­reife alter­na­tiver Antriebe werden diesel­ge­trie­bene Land­ma­schinen wie hier ein „625OR“-Traktor von John Deere auf den Feldern domi­nieren.

Tech­no­lo­gi­sche Fort­schritte, wie das Precision Farming, bringen gut die Hälfte davon an Reduk­tion. Die einzige Chance sind die Nutzung von Biodiesel in Bestands­flotten sowie eine schnelle Förde­rung der Entwick­lung und Einfüh­rung alter­na­tiver Antriebe. Am besten ist es, die Moto­ren­kon­zepte je nach Maschinen­größe entspre­chend anzu­passen, um klima­freundlicher und umwelt­schonender zu werden. Eine flexible Zwischen­lösung ist die Mischung verschie­dener Antriebs­stoffe.

Poli­ti­sche Leit­planken nötig

Der Einsatz alter­na­tiver Kraft­stoffe und Antriebs­technologien steht und fallt mir der finan­zi­ellen Attrak­ti­vität. Hier ist es am Gesetz­geber, geeig­nete Rahmen­bedingungen zu schaffen. Inter­es­sant könnten vor allem Biokraft­stoffe sein, die aus der Land­wirt­schaft für die Land­wirtschaft produ­ziert werden. Denn die eigen­stän­dige Herstel­lung des benö­tigten Kraft­stoffs eröffnet die Chance, die Wert­schöpfung auf land­wirtschaftlichen Betrieben zu verbes­sern.

Bei einer ganz­heit­li­chen Betrach­tung ist die Produk­tion von Biodiesel oder reinem Pflan­zenöl so lange nach­haltig, wie sie begrenzt ausge­führt wird. Vorstellbar ist es, die Produk­tion auf 8 bis 10% der land­wirtschaftlichen Nutz­fläche zu begrenzen und die Nutzung dieser Kraft­stoffe tatsäch­lich auf den Bereich der Land- und Forst­wirtschaft zu konzen­trieren, sodass diese Sektoren mittel­fristig unab­hängig von fossilen Treib­stoffen werden können.

Um die landwirt­schaftlichen Beiträge zum Klima­schutz zu bewerten, ist es sinn­voll, die Einspa­rungen an THG-Emis­sionen durch Einsatz nicht-fossiler Treib­stoffe dem Land­wirtschafts­sektor zuzu­ordnen und nicht, wie auf EU-Ebene üblich, dem Trans­port­sektor.

Der Einsatz nach­hal­tiger Biokraft­stoffe in der Land- und Forst­wirt­schaft wird in Deutsch­land heute steu­er­lich entlastet. Diese Steuer­entlastung ist jedoch bis zum 31. Dezember 2021 befristet. Deswegen fehlt die lang­fris­tige Planungs­si­cher­heit, die notwendig ist, um seitens der Maschinen­hersteller und Anwender in entspre­chende Tech­no­logie zu inves­tieren. Eine unbe­fris­tete Steuer­entlastung analog zum Agrar­diesel wäre wünschens­wert, ebenso eine Subven­tion hinsicht­lich der Klima­re­le­vanz.

eFuels und Wasser­stoff

Global betrachtet, ist der zuneh­mende Ersatz von Diesel durch eFuels, also von synthe­ti­schen Treib­stoffen, die mithilfe erneu­er­barer Energie herge­stellt werden, frühes­tens ab 2030 realis­tisch. Dies setzt jedoch den Aufbau von Groß­an­lagen zur Erzeu­gung von erneu­er­barem elek­tri­schem Strom in ariden Gebieten der Erde voraus. Außerdem müssten diese Kraft­stoffe den Wirtschafts­sektoren vorbe­halten werden, in denen der Mobilitäts­bedarf prak­tisch nicht oder nur in geringem Umfang durch Elektri­fizierung mit Energie gedeckt werden kann. Dies sind etwa die Luft- und Schiff­fahrt, aber auch Land-, Bau- und Forst­ma­schinen.

Bis eine revo­lu­tio­näre Idee und ihre Umset­zung den Markt erobert, wird noch einige Zeit vergehen. Aber auch kleine Schritte können schon eine Wirkung entfalten.

Genauso wie bei Straßen­fahrzeugen gibt es auch für Land­ma­schinen die große Hoff­nung, dass ein Antrieb mit Wasser­stoff viele Probleme lösen kann. Doch ähnlich wie bei der Batterie­technik momentan gibt es noch keine Möglich­keit, ausrei­chend Wasser­stoff in den Maschinen zu spei­chern, sodass die Energie für einen ganzen Arbeitstag reichen würde. Bis eine revo­lu­tio­näre Idee und ihre Umset­zung den Markt erobert, wird noch einige Zeit vergehen. Aber auch kleine Schritte können schon eine Wirkung entfalten.

Zwischen­lö­sung: Multi­fuel

Ein soge­nannter Multi­fuel-Antrieb könnte mit mehreren Kraft­stoffen betrieben werden – etwa mit Biodiesel, Pflan­zenöl und Diesel. Das System würde den entspre­chenden Kraft­stoff erkennen und passend arbeiten. John Deere arbeitet derzeit gemeinsam mit dem Bundes­ministerium für Ernäh­rung und Land­wirt­schaft (BMEL) und der Fach­agentur Nach­wach­sende Rohstoffe (FNR) an einem entspre­chenden Motoren­konzept.

Die begrenzte Nutzung von reinem, dezen­tral erzeugtem Pflan­zenöl wie Biodiesel als Kraft­stoff kann eine nach­hal­tige Lösung für Land­wirte sein.

Die On-Board-Erken­nungs­­­ver­fahren zeigen erste Erfolge und könnten direkt in eine Motor­steuerung inte­griert werden. Kraftstoff­erkennung basie­rend auf künst­li­cher Intel­li­genz könnte in Zukunft über Cloud-Dienste reali­siert werden, sie ermög­li­chen ferner eine erwei­terte Motor­diagnose – etwa die Detek­tion von Motoren­belastung und -verschleiß sowie mögliche Pumpen- und Injektor­fehler.

Aller­dings liegt die Lösung eben nicht nur in der Tech­no­logie. Wichtig ist beim Einsatz von Pflan­zenöl, dass es lokal produ­ziert wird, um zu vermeiden, dass es klima­schädlich per Fracht­schiff aus Fernost trans­por­tiert werden muss. Ideal wäre der Ersatz von Diesel durch pflanzenöl­basierte Kraft­stoffe in einer möglichst dezen­tralen Erzeu­gung mit kurzen geschlos­senen Kreis­läufen.

Ideen und Inno­va­tionen sprießen aus dem Boden, doch Lösungen und Umset­zungen wachsen nicht an Bäumen.

Ein Blick ins Innere der Branche zeigt: Ideen und Inno­va­tionen sprießen aus dem Boden, doch Lösungen und Umset­zungen wachsen nicht an Bäumen. Bis klima­neu­trale oder sehr klima­freundliche Antriebe für Land­maschinen entwi­ckelt und zur Markt­reife gebracht werden, vergehen noch einige Jahre. Doch einfach abzu­warten ist das falsche Signal. Es gilt, jetzt mit krea­tiven Zwischen­lösungen die ersten Schritte hin zu einer nach­hal­ti­geren und klima­freundlicheren Land­wirtschaft zu beschreiten.

Die Mischung des Antriebs gepaart mit weiteren Lösungen sind erste wich­tige Ansätze. Doch klar ist auch: Weitere Inno­va­tionen müssen folgen. Auf dem Acker zählen mitt­ler­weile nicht mehr nur jedes Korn und jede Pflanze, sondern auch jeder einge­sparte Tropfen Kraft­stoff.