ErntemaschinenTraktoren„Es ist schwierig, den Strom auf die Maschine zu bringen.“

Professor Dr. Peter Pickel arbeitet bei John Deere am euro­päi­schen Forschungs­standort in Kaisers­lau­tern. Wir haben mit ihm darüber gespro­chen, welchen Beitrag John Deere zur Elek­tri­fi­zie­rung der Land­wirt­schaft leistet.

Herr Professor Pickel, wie stellt sich aus Ihrer Sicht der aktu­elle Stand der Elek­tri­fi­zie­rung der Land­wirt­schaft dar?

Prof. Pickel: Im statio­nären Bereich, also bei der Versor­gung von Gebäuden und Anlagen aus Foto­vol­taik und Biogas, ist der Elek­tri­fi­zie­rungs­grad bereits relativ hoch. Bei den Fahr­zeugen sieht es dagegen anders aus, einfach weil es schwierig ist, den Strom auf die mobile Maschine zu bringen.

Warum gibt es in der Land­technik eine andere Geschwin­dig­keit als im Auto­mo­bil­be­reich?

Zunächst einmal haben wir komple­xere Anfor­de­rungen an den Antrieb – es geht ja in der Land­technik nicht nur um den Fahr­an­trieb. Auch der Auslas­tungs­grad von Land­ma­schinen ist im Vergleich zum Auto­mobil sehr hoch. Das bedingt einen höheren Ener­gie­spei­cher­be­darf auf dem Fahr­zeug, den aktu­elle Batte­rie­sys­teme mit Lithium-Ionen-Tech­no­logie noch nicht abde­cken können.

Der Auslas­tungs­grad von Land­ma­schinen ist im Vergleich zum Auto­mobil sehr hoch.

Die Schnitt­stel­len­the­matik ist in der Land­technik eben­falls um einiges komplexer als beim Auto­mobil. Und nicht zuletzt ist der gesell­schaft­liche und poli­ti­sche Druck auf die Auto­mo­bil­branche derzeit noch höher als bei uns in der Land­technik.

Gibt es noch andere Bereiche, außer den Maschinen, die ein Poten­zial zur Elek­tri­fi­zie­rung bieten?

In der so genannten Sektor­kopp­lung, also der Kopp­lung der Strom­pro­duk­tion mit der Wärme- und Kälte­er­zeu­gung sowie der Mobi­lität, liegt sicher­lich noch großes Poten­zial. Die Teil­nahme am Regel­en­er­gie­markt durch das Anbieten von Netz­dienst­leis­tungen unter Einbin­dung von elek­tri­fi­zierten mobilen Maschinen bietet Agrar­be­trieben auch ganz neue ökono­mi­sche Perspek­tiven auf dem Weg zu einer bilan­ziell ener­gie­neu­tralen Land­wirt­schaft.

Einiges an Arbeit liegt hier sicher­lich noch vor uns bei der Abstim­mung von Vergü­tungs­mo­dellen mit den Ener­gie­ver­sor­gern und Netz­be­trei­bern und im Aufbau von Kommu­ni­ka­ti­ons­wegen.

Ist die Elek­tri­fi­zie­rung in der Land­technik auf die euro­päi­schen Märkte beschränkt oder sehen Sie da einen globalen Trend?

Ich sehe das als eine globale Entwick­lung. Gerade in den Ländern, in denen klei­nere mobile Land­ma­schinen mit einem gerin­geren Leis­tungs­be­darf im Einsatz sind, macht eine Elek­tri­fi­zie­rung, beispiels­weise über Strom aus PV-Anlagen, Sinn.

In Kaisers­lau­tern arbeiten die Experten von John Deere unter anderem am Zusam­men­spiel der Batterie mit der Lade­infra­struktur.

Ist der voll­elek­tri­sche Traktor bzw. die voll­elek­tri­sche Maschine über­haupt das Ziel, das es zu errei­chen gilt?

Für uns bei John Deere geht es in der Vorent­wick­lung darum zu zeigen, dass eine voll­elek­tri­sche land­wirt­schaft­liche Maschine grund­sätz­lich funk­tio­niert und sowohl ökono­mi­sche wie auch ökolo­gi­sche Poten­ziale beinhaltet. Das haben wir sowohl mit unserem SESAM-Traktor (Sustainable Energy Supply for Agri­cul­tural Machines, Anm. der Redak­tion) als auch mit dem GridCON-Projekt, unserem kabel­ge­bunden E-Traktor, unter Beweis gestellt.

Stand heute ist es zu früh für verläss­liche Aussagen, was der beste ökono­mi­sche und ökolo­gi­sche Weg sein wird Ich gehe aller­dings davon aus, dass wir Ende der 2020er Jahre wissen werden, wohin die Reise bei den Antriebs­formen in der Land­technik gehen wird.

Könnten Sie bitte die drei wich­tigsten Vorteile des elek­tri­schen Antriebs gegen­über dem klas­si­schen Verbren­nungs­motor nennen?

Erstens sind elek­tri­sche Systeme, also gerade auch Traktor plus Anbau­gerät, besser dyna­misch regelbar und können damit präziser als mecha­ni­sche oder hydrau­li­sche Antriebe arbeiten. Ein gutes Beispiel ist unsere Exac­tE­m­erge-Säma­schine, deren Genau­ig­keit der Korn­ab­lage bei hoher Geschwin­dig­keit wir nur mit Hilfe von Servo­mo­toren errei­chen können. direkt während des Häck­selns ermit­telt.

Elek­tri­sche Antriebe arbeiten deut­lich genauer, weil sie Sensorik beinhalten, etwa zur Erfas­sung des Dreh­mo­ments und der Motor­dreh­zahl.

Zwei­tens arbeiten elek­tri­sche Antriebe auch deut­lich genauer, weil sie Sensorik beinhalten, etwa zur Erfas­sung des Dreh­mo­ments und der Motor­dreh­zahl.

Und nicht zuletzt arbeitet eine voll­elek­tri­sche Maschine zuver­läs­siger und prak­tisch verschleiß­frei. In Summe ergibt sich dadurch ein höherer poten­ti­eller Auto­ma­ti­sie­rungs­grad bei redu­zierten Betriebs­kosten.

Welche Auswir­kungen hat die Elek­tri­fi­zie­rung der Land­technik für den land­wirt­schaft­li­chen Betrieb als Ganzes?

Neben den gerade erwähnten Vorteilen bei den Maschinen ergeben sich für den Land­wirt beispiels­weise neue Einnah­me­quellen durch Netz­dienst­leis­tungen wie die Einspei­sung von Strom, aber auch das Bereit­stellen von Puffer­ka­pa­zi­täten. Beim Betriebs­ma­nage­ment kann durch den Einsatz von voll­elek­tri­schen Einheiten der Anteil des selbst verbrauchten Stroms aus der FV- oder Biogas­an­lage deut­lich erhöht werden. Auch die Notstrom­ver­sor­gung kann dann autark gere­gelt werden. Für die Wartung der Systeme ist natür­lich neues Know-How über Elek­trik zu erlernen.

Die Batterie kann sowohl direkt am Traktor als auch auf dem Hof genutzt werden.

Was bedeutet der Einsatz von voll­elek­tri­schen Antrieben für die Schwarm­tech­no­logie?

Grund­sätz­lich funk­tio­niert die Schwarm­tech­no­logie unab­hängig vom Antrieb der einzelnen Einheiten auf dem Feld. Aller­dings macht es Sinn, dass bei einer solchen grund­sätz­lich neuen Tech­no­logie auch die modernste Antriebs­technik zum Einsatz kommt. Stich­worte sind auch hier wieder die höhere Präzi­sion und Auto­ma­ti­sie­rungs­grad.

Wo liegen die größten Hürden für einen weiteren Ausbau der Elek­tri­fi­zie­rung?

Da sind zum einen sicher­lich die noch hohen Kosten für Leis­tungs­elek­tronik und Batte­rien zu nennen. Auf Grund des hohen Leis­tungs- und Ener­gie­be­darfs unserer Maschinen muss man auch bessere Lösungen für die Über­tra­gung der Energie auf das Fahr­zeug finden als nur mit Batte­rien.

Es gibt noch viel zu tun, aber der Einsatz lohnt sich defi­nitiv.

Ansätze hierfür gibt es viele, beispiels­weise unser kabel­ge­bun­dener GridCON-Traktor oder andere für den Mobi­li­täts­sektor gene­rell disku­tierte Lösungen, wie induk­tive Ener­gie­über­tra­gung oder der Einsatz von Ober­lei­tungen, was ja zurzeit für LKWs auf Auto­bahnen getestet wird. Schnell­lade- und Schnell­wech­sel­sys­teme bieten eben­falls noch großes Poten­zial. Als wenig viel­ver­spre­chend für mobile Land­ma­schinen stufen wir Wasser­stoffe als Ener­gie­träger ein. Es gibt noch viel zu tun, aber der Einsatz lohnt sich defi­nitiv.