In der Region zwischen Rotterdam und Den Haag gibt es nur noch wenige klassische Outdoor-Landwirtschaftsbetriebe. Stattdessen stehen Gewächshäuser dicht an dicht, in denen viel Gemüse und eine ganze Palette Spezialkulturen produziert werden. So auch im Ort de Lier, wo Sander van Kampen seit einigen Jahren Wasabi heranzieht. Mittlerweile gedeiht der Japanische Meerrettich in seinen Produktionshallen auf 3.000 Quadratmetern; das sind rund 2.000 Pflanzen, aus deren Wurzelstöcken die scharfe Paste gewonnen wird. In Japan genießt dieses eigenwillige Gewürz eine Art Kultstatus. Denn: Gutes Sushi ohne Wasabi? Kaum denkbar. In Japan wie auch hierzulande. Und wenn man beispielsweise die Köche der japanischen Edel-Restaurants in „Little Tokio“, im japanischen Viertel von Düsseldorf, höflich fragt, worin das Geheimnis guter Wasabi-Qualität liege, der bekommt eher keine Antwort. Das bleibt ein Geheimnis.
Kein Geheimnis ist dagegen, dass die japanische Küche in ganz Europa immer beliebter wird. Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach Wasabi. Allein in den Niederlanden werden schon 800 Kilogramm pro Jahr verzehrt. Diesen Trend hatte Sander van Kampen schon länger im Blick gehabt und als Anbauchance wahrgenommen, als er im Jahr 2018 die ersten jungen Wasabi-Pflanzen aus Japan importierte und in seinem Betrieb anzog. Das war eine absolute Pioniertat, war er doch der erste in den Niederlanden, der sich an das begehrte Gewürz aus der Familie der Kreuzblütler heranwagte.


Je frischer, desto besser
Wenn er durch seinem üppig-grünen Bestand geht, bekundet er offen, dass er „noch immer am Lernen und Experimentieren ist“. Dennoch: Trotz zwischenzeitlicher Totalausfälle hat er sich doch mit der sensiblen Sonderkultur erfolgreich etablieren können. So erzeugt der 41-jährige Entrepreneur mittlerweile auf seinem Betrieb stolze 200 bis 300 Kilogramm – rund 100 Gramm pro Pflanze. Dabei ist der Verkaufspreis respektabel: er liegt bei stolzen 200 bis sogar 300 €/kg. Allerdings fordern die Abnehmer, vor allem japanische Restaurants, kompromisslos hohe Qualitäten, unterstreicht einer der ersten europäischen Wasabi-Produzenten. Je frischer, desto besser.

Ein geernteter Wurzelstock kann nur maximal 14 Tage bei einer konstanten Kühltemperatur von 4 Grad Celsius frischgehalten werden, dann lässt die Qualität drastisch ab. So wird im Idealfall die Wurzelknolle mittags bei van Kampen geerntet und landet schon abends in exquisiten Restaurants in Den Haag, Amsterdam oder Rotterdam. Diese kurzen Wege garantieren maximale Frische, wie sogar der japanische Botschafter in den Niederlanden bereits wahrnahm. Er begrüßte öffentlich, dass so etwas urtypisch Japanisches in de Lier erzeugt werde.
Ein Quereinsteiger probiert sich aus
Mit dieser Rückendeckung erstaunt es nicht, dass der niederländische Quereinsteiger-Gärtner – er war früher in der Unterhaltungsbranche aktiv – seinen Wasabi-Anbau weiter ausdehnen will. Obgleich er aufgrund von Viren, Pilzen und Insekten, die den Japanischen Meerrettich mit seinen rosettenartig am Stängel angeordneten Laubblättern befallen, nicht ohne Pflanzenschutzmittel auskommt, sieht er mit wachsender Nachfrage gute Chancen für steigende Erlöse. Zwar muss er immer noch neue Jungpflanzen aus Fernost einfliegen, doch vielleicht ändert sich das in Zukunft, wenn sich in den Niederlanden auch die Vermehrung etablieren würde.

Ich bin immer noch am Lernen und Experimentieren.
Sander van Kampen
Bis dahin sammelt er weiter eifrig Erfahrungen, optimiert die sensiblen Parameter wie Temperatur, Licht, Bedampfung, Wasserzufuhr, Nährstoffe oder die Beschaffenheit der Topferde. Unabhängig von der anspruchsvollen scharfen Knolle, die in Japan schon eine 400-jährige Anbautradition hat, schweben van Kampen noch weitere Kulturen vor, die er gerne in seinem Gewächshaus heranziehen: Bergamotte, Indisches Basilikum, Gewürzlilie oder die Japanische Weinbeere zum Beispiel. Globale Botanik unter einem wohltemperierten Dach in den Niederlanden.

Sonderkulturen für die gehobene Küche
Dass Nischen auch eine Perspektive für größere Dimensionen bieten, demonstriert Koppert Cress im nur zehn Kilometer entfernten Monster auf eindrucksvolle Weise. In den Gewächshäusern des Spezialanbauers Koppert Cress wachsen allein 35 verschiedene Kresse-Sorten heran, die weltweit vor allem aber nicht nur in der Haute Cuisine nachgefragt werden; so arbeiten inzwischen mehr als 150 Menschen in dem Unternehmen, das neben dem Know-how für Kresse aktuell sowohl an der Kultivierung von verschiedenen Algentypen als auch zum Indoor-Anbau von Vanille intensiv forscht.
Unterdessen spielen Nischenkulturen wie Wasabi & Co. im benachbarten Deutschland (noch) nahezu keine Rolle. Zwar könne die Sortimentsausweitung für beispielsweise direktvermarktende Betriebe (Wochenmarkt, Hofladen) sinnvoll sein, so Laura Lafuente von der Geschäftsführung Bundesfachgruppe Gemüsebau im Zentralverband Gartenbau e. V. (ZVG). „Aber dafür müsste aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Erzeugung und der Absatz beim Verbraucher stimmen“, mahnt Lafuente an. Letztlich bestimme die Zahlungsbereitschaft der Kunden, „was man produzieren kann. Und hier haben die letzten Jahre leider gezeigt, dass der Preis doch ein erhebliches Kaufargument beim Endverbraucher ist und die regionale Produktion und Nachhaltigkeit diesem nachstehend bewertet wird.“

Sicherlich, der Preis ist eine wichtige Seite der Medaille, aber qualitätsbewusste und Surrogatfreie Esskultur ist eben die andere. Dies beweist eine spontane Geschmacksprobe im Gewächshaus. Mit routiniertem Griff packt sich van Kampen einen Japanischen Meerrettich, befreit die längliche Knolle behutsam aus der Topferde, trennt sie vorsichtig von den Blättern, schneidet Stängel und wurzelige Seitentriebe vorsichtig ab. Und dann reibt er das teure Ding mit einer feinen Reibe, die mit ihren winzigen Zähnchen an eine Haihaut erinnert, die in Japan in der Vergangenheit tatsächlich fürs Reiben verwendet wurde. Ein kohlartiger Duft steigt empor, während die feuchte Paste satt aufs Holzbrett fällt. Es schmeckt herrlich, betörend, scharf, aber nicht zu scharf.