Anfang Mai betrete ich zum ersten Mal in meinem Leben ein Annona-Plantage. Ich befinde mich in Catona di Reggio Calabria, in Süditalien, und dies ist nicht einfach irgendeine Parzelle voller Annona cherimola, sondern die erste, die in den neunziger Jahren im Gebiet von Reggio Calabria angelegt wurde: die Annona-Obstzucht der Familie Bilardi. Die Idee dazu stammte von Dr. Domenico Bilardi. Im Jahr 1988 beschloss der Agrarwissenschaftler, einen Teil der Zitrusfruchtplantagen der Familie aufzugeben und stattdessen auf eine alte Frucht aus Mittel- und Südamerika zu setzen, die wahrscheinlich schon zur Zeit der Inkas in den Andentälern Ecuadors und Perus angebaut wurde: die Annona-Frucht. Damals waren tropische Früchte in Italien weder besonders bekannt noch gefragt, und so erwies sich dieses Projekt als echte Herausforderung. Bilardis Lösung: Neben der Annona-Frucht begann er gleichzeitig mit dem Anbau von Mangos und Avocados. Seit 2018 führen seine Frau und seine Söhne Francesco, Paolo und Fabrizio Bilardi dieses Erbe fort. „Wir bewirtschaften 8-9 ha in der Provinz Reggio Calabria und in geringerem Umfang in der Provinz Vibo Valentia“, erklären sie. „Wir haben ausschließlich Freilandanlagen und wir haben mehrere Kulturen in der Region, in der wir die Früchte vermarkten.“
Insgesamt beläuft sich der Ertrag auf etwa 40 Tonnen im Jahr, darunter verschiedene Annona-Sorten (20 t), Avocados (10 t), Mangos (8 t) und etwa eine Tonne Passionsfrüchte, dazu 8-10 Tonnen Bergamotten, Zitronen und Orangen, angebaut auf 2,5 ha. „Wir haben den Markt und seine Schwankungen ständig beobachtet“, sagt Francesco Bilardi, „und seit wir den Betrieb leiten, haben wir beschlossen, den Wert dieser Produkte noch stärker in den Vordergrund zu stellen, indem wir die Verbindung zum Land hervorheben.“
Neue Trends
Dank des Online-Verkaufs und des Vertriebsnetzwerks, das im Laufe der Jahre aufgebaut wurde, können die Bilardis heute Kunden in ganz Italien erreichen. „Wir beliefern Privatkunden ebenso wie Obst- und Gemüsemärkte, kleine Wiederverkäufer und solidarische Einkaufsgemeinschaften: sorgfältig ausgewählte Nischen, die den Wert und die Qualität unserer Früchte erkennen. Wir liefern auf der gesamten Halbinsel und bündeln die Lieferungen, aber wir verkaufen auch nach Österreich und in die Schweiz.“ Die Erzeugnisse des Betriebs werden nach und nach von Hand geerntet, da die verschiedenen Sorten in unterschiedlichen Zeiträumen reifen, von August/September bis Dezember/Januar. Danach werden sie verpackt und per Kurier ausgeliefert, damit die Früchte nicht tagelang in Kühlräumen gelagert werden müssen.
Während Mango, Avocado und Passionsfrucht mittlerweile weithin bekannt sind, weckt die weniger verbreitete Annona-Frucht ein besonderes Interesse. „Die Nachfrage ist groß“, sagt Bilardi, „die Menschen interessieren sich für ungewöhnliche Früchte und entscheiden sich zunehmend für Produkte, von denen sie wissen, woher sie kommen, und die – wie unsere – keine langen Transportwege und keine Behandlungen zur Haltbarkeitssteigerung durchlaufen haben. Sie sind Null-Kilometer-Produkte und frei von Pflanzenschutzmitteln.“
Diese Beobachtung deckt sich mit den derzeitigen Verbrauchertrends und der Entwicklung zu vegetarischer oder veganer Ernährung und einem gesunden Lebensstil. „Außerdem sind die Menschen heute viel besser informiert als früher und tropische Früchte sind bekannter. Demnach hat die Zunahme der so bewirtschafteten Flächen in Italien nichts mit dem Klimawandel zu tun, von dem man so viel hört. Der Beweis dafür ist die Tatsache, dass diese Pflanzen hier schon seit Jahrzehnten angebaut werden. Es ist einfach so, dass sich die Wahrnehmung der Verbraucher und damit auch ihre Nachfrage verändert hat.“
Der Anbau von tropischen Früchten ist eine Chance, er muss aber mit der nötigen Weitsicht betrieben werden, ohne zu improvisieren.
Francesco Bilardi
Die Daten liefern den Beweis. Laut einer Studie des Ismea Mercati – Istituto di Servizi per il Mercato Agricolo Alimentare – gab es in Italien von 2018 bis 2022 einen Importboom sowohl für Mangos als auch für Avocados: +37 % (von 13,5 Mio. kg auf 18,5 Mio. kg) bzw. +120 % (von 20 Mio. kg auf 45 Mio. kg).
Hohes Potenzial – unter bestimmten Bedingungen
Um das Überleben dieser baumartigen Kulturpflanzen zu sichern, muss der Standort geeignet sein, wobei die Minimal- und Maximaltemperaturen nie überschritten werden dürfen. Auch die Böden müssen passen: weder zu schwer noch unbelebt, um Staunässe zu vermeiden, sondern mit einer ausgewogenen Zusammensetzung für eine gute Wasserführung. „Für die Bewässerung sind überall auf den Parzellen Brunnen vorhandene. Im Moment sind wir dabei, die Bewässerungssysteme zu sanieren, um den Wasserverbrauch zu verringern“, erklärt Bilardi.
„Auch der Beschnitt ist für Annona, Mango und Avocado wichtig. Für die Nährstoffversorgung – vor allem in den ersten Jahren – verwenden wir Dünger aus der näheren Umgebung. Wir säen stickstoffbindende Sorten und führen regelmäßig Bodenuntersuchungen durch, um die Nährstoffversorgung auf Mikro- und Makroebene sowie die Wasserqualität zu überprüfen. Wir arbeiten nachhaltig und verwenden zum Schutz unserer Pflanzen chromotrope Fallen und proteinhaltige Köder gegen die Mittelmeerfruchtfliege auf der Annona-Frucht, während wir gegen die Mango-Bakteriose Kupfer einsetzen.“
Die Erstinvestitionen sind hoch: Für den Kauf von Obstbäumen, die Anpflanzung, die Grunddüngung und die Bewässerungssysteme fallen 15.000–20.000 €/ha an, ein Betrag, der im Vergleich zu anderen Kulturpflanzen fast das Dreifache beträgt. Die Erträge übersteigen jedoch das Dreifache: 5-7 €/kg für Annona, Mango und Avocado (für Endverbraucher) gegenüber 1 €/kg für Zitrusfrüchte.
„Wir sind mehrere Partnerschaften mit Universitäten und Forschungszentren eingegangen, um aktuelle Informationen über Pathologien und Marktentwicklungen zu erhalten,“ erklärt Bilardi. Gemeinsam mit der Universität Mediterranea in Reggio Calabria untersucht der Betrieb die mögliche Verlängerung der Haltbarkeitsdauer der Annona-Frucht (bisher nur 4 Tage) durch verbesserte Anbaumethoden und natürliche Substanzen sowie Verarbeitungsmöglichkeiten für verschiedene Früchte. „Wir stellen bereits einige Marmeladen her und experimentieren mit verschiedenen anderen Pflanzen, unter anderem mit Fingerlimetten, die wir bereits an Restaurants liefern.
„Wir empfangen auch Schulen und Reisegruppen und zeigen ihnen unsere Anbauflächen, außerdem betreiben wir eine Pension. In der Zukunft“, so schließt er, „werden wir versuchen, die Produktion zu steigern und uns mit anderen lokalen Erzeugern zusammenzuschließen. In 10 Jahren möchten wir etwa 20 ha bewirtschaften, und wer weiß, vielleicht wird in der Zwischenzeit eine Herkunftsbezeichnung für die Annona-Frucht eingeführt: Das wäre hilfreich, um den Wert des Produkts zu steigern.“
Vittorio Farina:
„Erträge und Qualität sind wichtig“
„In Italien begann die Produktion von tropischen Früchten in den 1960er und 70er Jahren mit universitärer Forschung und wurde in den 80er und 90er Jahren kommerziell, als die wirtschaftliche Attraktivität des Zitrusfrucht-Anbaus zurück ging. Diese Experimente begannen mit Avocado, Mango und später Papaya sowie anderen weniger verbreiteten Arten, die neben den bestehenden Zitrusfrüchten angebaut wurden.
Diese Kulturen sind sehr profitabel und haben eine große Nachfrage, sowohl in Italien als auch in ganz Europa. Da sie jedoch nicht im Mittelmeerraum heimisch sind, benötigen sie spezialisierte Kenntnisse für den Anbau, die Lagerung und die Logistik. Hier kommen die Universitäten ins Spiel. Zu den am meisten spezialisierten Universitäten gehört die Universität Palermo mit ihrem Fachbereich für Agrar-, Lebensmittel- und Forstwissenschaften. Sie hat lange die Anpassung verschiedener Arten und Anbautechniken untersucht und arbeitet auch daran, den Produktabfall aufzuwerten, um ein zirkuläres System zu schaffen.
Die italienischen Früchte reifen am Baum, sind verzehrfertig, kommen aus der Region (null Kilometer), sind oft biologisch und haben im Vergleich zu importierten Produkten einen geringen ökologischen Fußabdruck sowie hervorragende gesundheitliche Eigenschaften. Sie erfordern jedoch eine sorgfältige agronomische Bewirtschaftung: Im Winter müssen sie vor Kälte geschützt werden, und im Sommer vor Hitze, zudem benötigen sie eine optimale Wassermenge.
Seit 2000 hat die Forschung wirklich Fahrt aufgenommen, wobei die Ergebnisse mit den Landwirten geteilt wurden, um die besten Ergebnisse zu erzielen. Es ist jedoch ein noch besserer Wissensaustausch zwischen Forschern und Landwirten nötig, da die Anzahl der Obstbauern in Apulien, Kampanien und Sardinien zunimmt, zusätzlich zu dem bekannten Regionen Sizilien – dem Marktführer – und Kalabrien. Die Verbraucher sind zunehmend anspruchsvoll und sehr daran interessiert, woher ihre Lebensmittel stammen. Daher müssen die Betriebe sowohl profitabel als auch umweltverträglich wirtschaften und qualitativ hochwertige Früchte produzieren, um einen höheren Preis im Vergleich zu importierten Produkten zu rechtfertigen. Wenn Erträge und Qualität nicht garantiert sind, ist man aus dem Markt.“
Vittorio Farina
Lehrstuhlinhaber für Arboristik an der Universität von Palermo, Koordinator der Arbeitsgemeinschaft Tropische und Subtropische Früchte der SOI – Società di Ortoflorofrutticoltura