Kot zu Gold machen

Für Lars Andersson und 20 andere Tier­halter, die mit Biokraft Möns­terås zusam­men­ar­beiten, sind nied­rige Einnahmen und Probleme mit der Gülle­aus­brin­gung kein Thema mehr, weil Biogas­pro­du­zenten in Schweden ihre Produk­ti­ons­ka­pa­zi­täten ausweiten.

Im Juni nächsten Jahres wird der Geflü­gel­halter Lars Andersson in Banke­berg mit der Liefe­rung von jähr­lich 1500 t Hühnerkot an das Biokraft-Biogas­an­lage mit 125 GWh außer­halb von Möns­terås beginnen. „Der Hühnerkot wird in meiner Gewinn- und Verlust­rech­nung kein Kosten­faktor mehr sein“, sagt Lars. „Statt­dessen schafft er zusätz­li­ches Einkommen.“ Seine derzei­tigen Umwelt­ge­neh­mi­gungen erlauben es ihm, den Kot für 10 Monate unter einem Dach auf seinem 0,8 ha großen Betrieb zu lagern. Anschließen muss Lars den Kot entsorgen, was lange Trans­port­wege bedeutet und nur geringe Einnahmen bringt.

Sobald die Liefe­rungen an Biokraft beginnen, wird der Kot achtmal im Jahr abge­holt, und er kann seine Geflü­gel­pro­duk­tion erwei­tern. Als Geflü­gel­pro­du­zent hat er wenig Inter­esse daran, den vergo­renen Kot zurück­zu­nehmen. „Ich werde eine bestimmte Menge des produ­zierten Düngers zurück­be­kommen, aber in meinem Vertrag ist auch eine finan­zi­elle Vergü­tung verein­bart.“ Jeder Liefe­rant unter­zeichnet einen indi­vi­du­ellen Vertrag mit Biokraft. Und als Teil­haber an der 60 Millionen € teuren Anlage von Biokraft Biogas Möns­terås wird Lars auch Divi­denden auf zukünf­tige Gewinne erhalten. „Es ist sehr span­nend, Teil eines solchen Unter­neh­mens zu sein.“

Mein Hühnerkot hat sich in eine zu-künf­tige Einnah­me­quelle verwan­delt.

Lars Andersson

Chris­tian Strand­berg ist Projekt­leiter und über­wacht den Bau der Biogas­an­lage. „Wenn die Anlage voll­ständig in Betrieb ist, wird sie fast 100 % reines verflüs­sigtes Biogas (LBG) produ­zieren, was 12 Millionen Litern Diesel entspricht. Damit sollen sowohl Kunden in Schweden als auch im Ausland belie­fert werden“, sagt er. Wie die meisten großen Biogas­an­lagen, die derzeit in Schweden gebaut werden, setzt Biokraft auf Kot als Haupt­roh­stoff. Mindes­tens 80 % der 260 000 t Substrat, die die Anlage bei voller Produk­tion verbrau­chen wird, bestehen aus Kot, die verblei­benden 20 % aus Abfällen der Lebens­mit­tel­in­dus­trie.

Der Hühner­halter Lars Andersson in Banke­berg bei Möns­terås ist stolzer Teil­haber der Möns­terås Biogas AB, die ab dem nächsten Jahr 120 TWh LBG produ­zieren wird.

More Biogas besteht seit etwa 10 Jahren und betreibt eine Anlage für Fahr­zeuggas außer­halb von Möns­terås. Die Gemeinde ist ein wich­tiger Kunde des Unter­neh­mens.

Über die wirt­schaft­liche Rendite hinaus ist es für Lars Andersson „span­nend, Teil eines solchen Unter­neh­mens zu sein“.

Noch ein zusätz­li­cher Schritt auf Öland

In Alböke auf der Insel Öland haben der Milch­bauer Stig Bertilsson und 50 andere Tier­halter einen anderen Weg gewählt, um gemeinsam mit dem nieder­län­di­schen Unter­nehmen Orange Gas Biogas zu produ­zieren. Um den Trans­port­auf­wand für die Gülle zu mini­mieren, planen sie den Bau eines Rohr­lei­tungs­netzes, an das mehrere Betriebe ange­schlossen werden, die dann wiederum als Satel­li­ten­stand­orte genutzt werden können. Von dort aus wird die Gülle zur eigent­li­chen Biogas­an­lage geleitet, und die Gärreste werden an die Stand­orte zurück­ge­leitet.

Die Vieh­züchter, zu denen auch ein Kamel­halter gehört, haben ca. 1,41 € in den Bau der Biogas­an­lage inves­tiert. Von der Anlage aus wird das Rohgas (60–65 % Methan­ge­halt) an eine geplante Verar­bei­tungs­an­lage verkauft, die sich im Besitz von Orange Gas befindet und betrieben wird, um LBG herzu­stellen. Die Anlage wird voraus­sicht­liche insge­samt 240 000 t Gülle benö­tigen. Davon werden Stig und sein Sohn Mattias mit ihren 800 Milch­kühen von ihrem Hof in Alböke ca. 15.000 t liefern. Die Anlage wird zu 100 % mit Gülle betrieben. Andere entscheiden sich dafür, Co-Vergä­rungs­an­lagen zu bauen und zusätz­liche Substrate, beispiels­weise aus der Lebens­mit­tel­in­dus­trie, einzu­bringen, um den Ener­gie­ge­halt zu erhöhen.

Auf der Insel Öland betreiben Stig Bertilsson und sein Sohn Mattias einen Bauernhof mit 800 Milch­kühen.
Stig und seine Kollegen haben 1,4 Millionen Euro in das Projekt inves­tiert.

Bessere Dünger­qua­litat 

„Wir könnten Gas ausschließ­lich aus Gülle produ­zieren, aber die Mengen wären dann etwas kleiner“, sagt Denniz Erol, CEO der Firma More Biogas, die seit 10 Jahren tätig ist. Die Zusam­men­set­zung und Qualität der Substrate, die in die Biogas­pro­duk­tion eingehen, beein­flussen sowohl die Qualität des Gases als auch die des Düngers, der an die Land­wirte zurück­ge­geben wird. 

Der Schwei­ne­halter und Teil­haber von More Biogas, Daniel June­berg, baut zusätz­lich auf 350 ha Raps und Weizen an und lobt den Dünger, den er im Gegenzug erhält. „Das ausge­gli­chene Verhältnis von Stick­stoff und Feuch­tig­keit im Gärsub­strat macht den Stick­stoff besser verfügbar; es lässt sich einfa­cher auszu­bringen und ist nahezu geruchlos. Unsere Nach­barn sagen, dass die Probleme mit den Fliegen verschwunden sind“, berichtet er. 

Der Dünger, den wir zurück-bekommen, ist oft besser als handels­üb­li­cher Dünger.

Per-Göran Sigfri­dsson

Alle sind sich einig, dass die Ausbrin­gung des Gärsub­strats große ökolo­gi­sche Vorteile bietet, aber die agro­no­mi­schen Vorteile sind ebenso wichtig. „Das Substrat ist genauso gut und manchmal sogar besser als der handels­üb­liche Dünger, den wir zukaufen “, sagt der Partner und Schwei­ne­halter Per-Göran Sigfri­dsson. „Es weist ein besseres Stick­stoff-Phos­phor-Verhältnis auf, und der Stick­stoff ist besser verfügbar. Wir haben den Zukauf von handels­üb­li­chem Dünger fast halbiert.“

Moderne Biogas­an­lagen scheiden während der Vergä­rung Phos­phor ab, was es den Vieh­hal­tern ermög­licht, die Tier­be­stände zu erhöhen, ohne die Phos­phor­aus­brin­gungs­grenzen auf ihren Flächen zu über­schreiten. In Schweden dürfen Land­wirte maximal 22 kg/ha pro Jahr an Phos­phat ausbringen. „Das ermög­licht es uns, Phos­phor an Getrei­de­re­gionen zu verkaufen, wo ein höherer Bedarf herrscht“, sagt Stig Bertilsson aus Alböke.

Von links nach rechts: Schwei­ne­halter und Partner von More Biogas, Daniel Ljun­e­berg und Per-Göran Sigfri­dsson, zusammen mit dem CEO des Unter­neh­mens, Denniz Erol.

Die Vergä­rung erfolgt bei 55 °C in zwei Fermen­tern mit jeweils 8.000 m³ und 2.000 m³.

Substrat­proben auf dem Werks­ge­lände von More Biogas. Rück­stände der Tier­hal­tung machen den Groß­teil der für die Metha­ni­sie­rung vorge­se­henen Inputs aus.

Starke poli­ti­sche Unter­stüt­zung

Die Nach­frage nach Biogas durch Schwer­last­fahr­zeuge und aus der Indus­trie ist erheb­lich gestiegen. Es wird ein Boom erwartet, wenn auch die ener­gie­in­ten­sive Schiff­fahrt ernst­haftes Inter­esse zeigt. Dazu kommt die breite poli­ti­sche Unter-stüt­zung, die die Biogas­in­dus­trie sowohl in Schweden als auch in der EU erhält, da sowohl Erdgas allge­mein und beson­ders russi­sches Erdgas ersetzt werden sollen. Das schwe­di­sche Programm Klimat­klivet (Der Klima­sprung) bietet eine maxi­male Inves­ti­ti­ons­för­de­rung von 13,13 Millionen € für den Bau von Biogas­an­lagen. Außerdem gibt es eine Produk­ti­ons­sub­ven­tion von ca. 3,5 Cent/kg für aus Gülle produ­ziertes Gas. Laut Erik Woode, verant­wort­lich für die Biogas­pro­duk­tion beim finni­schen Gasun­ter­nehmen Gasum, hat die Präsi­dentin der Euro­päi­schen Kommis­sion, Ursula von der Leyen, erklärt, dass die EU bis 2030 im Rahmen des RePowerEU-Plans insge­samt 350 TWh Biogas produ­zieren sollte.

Es wird einen Kampf um den Rohstoff geben.

Erik Woode

Verschie­dene Betei­li­gungs­mög­lich­keiten

Nicht alle Land­wirte haben die Chance, Partner in einer Biogas­an­lage zu werden und so vom Gasver­kauf an die Endver­brau­cher zu profi­tieren. Gasum beispiels­weise bietet keine Teil­ha­ber­schaften; statt­dessen über­nehmen die Land­wirte die Rolle von Rohstoff­lie­fe­ranten. Dag Arvidsson, ein Bio-Milch­pro­du­zent und Schwei­ne­halter, ist einer von rund 50 vertrag­lich gebun­denen Land­wirten, die Gülle an Gasums Göten 120 GWh LBG-Anlage liefern werden, die im September dieses Jahres mit der Produk­tion starten wird. Die Göten-Anlage ist eine von fünf gleich großen Anlagen, die Gasum bauen will.

Dag wir 30 000 t Gülle von seinen 5.000 Schlacht­schweinen und 500 Milch­kühen an die Anlage liefern, die jähr­lich 400.000 t Substrat benö­tigt. Er sieht viele Vorteile in dem Vertrag. „Es ist fantas­tisch, Teil einer so posi­tiven Umwelt­in­itia­tive zu sein, die aus einem bereits vorhan­denen Produkt Kraft­stoff produ­ziert und dafür im Gegenzug besseren Dünger zurück­lie­fert“, sagt er. „Das ist wirk­lich eine tolle Chance für uns.“

Mehr Wett­be­werb um einen wert­vollen Rohstoff

Was ursprüng­lich als ein reines Tausch­ge­schäft begann – Gülle für die Biogas­an­lage und Dünger im Gegenzug – hat sich zugunsten der Land­wirte geän­dert, da die Nach­frage nach Gülle gestiegen ist. Jetzt ist in den lang­fris­tigen Verträgen, die bis zu 20 Jahre laufen, immer auch eine finan­zi­elle Trans­ak­tion enthalten. „Gülle im Austausch gegen Dünger ist immer noch die Grund­lage des Geschäfts, aber kommt eine finan­zi­elle Kompo­nente dazu“, sagt Dag, dessen Güllelager voll und bereit für die Liefe­rung sind. „Wir haben bereits vor 12 Jahren begonnen. Neun Jahre lang gab es keine Nach­frage.“

Menge an Gülle (Jahr 2022)

TierartNatio­naler BestandDung­menge in kg/Tier/Jahr
Rinder1,389,50010,950
Schweine1,393,000613
Geflügel18,229,00013
Pferde333,500 *9,000

*2016

Viele Tier­halter entscheiden sich immer noch für eine eigene Biogas­an­lage, um ihren eigenen Strom zu erzeugen. Der Bran­chen­be­rater Stefan Hall­dorf schätzt, dass in den kommenden Jahren etwa 140 solcher Anlagen gebaut werden. Aber anstatt selbst die Initia­toren solcher Projekte zu sein, werden Land­wirte nun von Gasun­ter­nehmen ange­spro­chen, die lang­fris­tige Liefer­ver­träge mit ihnen abschließen möchten, um ihre hohen Inves­ti­tionen zu recht­fer­tigen.

„Aber das ist für uns kein Problem“, sagt Lars. „Land­wirt­schaft ist lang­fristig ange­legt, und 70 Jahre sind für uns lang­fristig, nicht fünf Jahre.“ Ein Markt für Abfälle aus der Lebens­mit­tel­in­dus­trie, die höheren Ener­gie­ge­halte aufweisen, exis­tiert bereits, und Biogas­un­ter­nehmen konkur­rieren dort mit anderen Käufern wie der Tier­fut­ter­in­dus­trie. Aber die Gülle der Land­wirte wird mit dem kräf­tigen Wachstum der Biogas­in­dus­trie, die nicht länger auf Rohstoffe aus lebens­mit­tel­taug­li­chen Kulturen basieren kann, immer wert­voller. „Das sehen wir bereits“, sagt Erik Woode von Gasum. „Es wird zuneh­mend klar, dass wir einen enormen Wett­be­werb um das Rohma­te­rial erleben werden.“

Von der Gülle zum Biogas 

Gülle ist der wich­tigste Rohstoff für die heutige Biogas­pro­duk­tion. Weitere Substrate stammen aus der Lebens­mit­tel­in­dus­trie und aus Haus­halts­ab­fällen. Zunächst durch­läuft die Gülle in einem Fermenter einen Vergä­rungs­pro­zess, in dem ein Rohgas entsteht. Dieses Gas hat einem Methan­ge­halt von bis zu 65 %, der Rest ist Kohlen­di­oxid. 

Im Zuge der Aufbe­rei­tung zu Fahr­zeuggas oder verflüs­sigtem Biogas (LBG) wird der Methan­ge­halt auf mindes­tens 97 % erhöht. Der Methan­ge­halt in chemisch reinem Biogas (CPG) beträgt mindes­tens 99 %. Das Gas kann dann in LBG umge­wan­delt werden, wobei das Gasvo­lumen um das 600-fache kompri­miert wird. Der Ener­gie­ge­halt von LBG entspricht dem von Erdgas und ist etwa 1,5-mal ener­gie­hal­tiger als fossile Brenn­stoffe. 

Quellen: Biogas-Indus­trie

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