Mit Soja auf Nummer sicher

Die Bohne voller Eiweiß wird als Tier­futter und für die Lebens­mit­tel­her­stel­lung immer wich­tiger. Der größte Teil wird aus Süd- und Nord­ame­rika impor­tiert. Doch die Zahl euro­päi­scher Anbauer wächst. Soja aus Europa schont Umwelt und Klima, sichert die Versor­gung und gibt Land­wirten wirt­schaft­liche Perspek­tiven.

Ein Morgen im September in der Vojvo­dina in Serbien, eine der frucht­barsten Regionen Europas. Es liegt bereits etwas Herbst in der Luft. Nur langsam verdunstet die Sonne die Feuch­tig­keit aus der Nacht von den Feldern. Auf den Straßen und Äckern herrscht Hoch­be­trieb. Trak­toren und Mähdre­scher sowje­ti­scher Bauart sind ebenso im Einsatz wie Modelle aus dem west­li­chen Ausland. Auch Pfer­de­fuhr­werke zuckeln vorbei, auf denen sich Säcke voller Zwie­beln oder roter Paprika stapeln.

Vlada Vuki­ce­vich will heute eben­falls ernten. Der Mähdre­scher steht in der Halle neben seinem Haus bereit. Die Zeit für einen schnellen Mokka nimmt sich der 45-jährige Land­wirt mit den wachen Augen aber doch noch. Schließ­lich kommt der Agrar­ex­perte Bane Jevremov nicht alle Tage vorbei. Der Land­wirt hat ihm viel zu verdanken. „Soja hatte ich auch vorher schon ange­baut.“ Vlada Vuki­ce­vich nippt an dem Mokka. „Aber längst nicht so nach­haltig.“

Vlada Vuki­ce­vich baut nach­haltig Soja in Serbien an.

Bane Jevremov ist Agrar­ex­perte. Der Mann baro­cken Ausmaßes kennt gefühlt jeden Land­wirt, Agrar-Händler und Verar­beiter in der Voij­vo­dina. Er arbeitet für die Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tion Donau Soja. Das Ziel der Orga­ni­sa­tion mit Sitz in Wien ist die Umstel­lung der Prote­in­ver­sor­gung Europas, durch eine Gentechnik freie und nach­hal­tige Soja­pro­duk­tion. „Unsere Land­wirte erzielen auch ohne Gentechnik sehr gute Ergeb­nisse im Soja-Anbau“, sagt Bane Jevremov und nickt Vlada Vuki­ce­vich aner­ken­nend zu.

Senk­recht­starter Soja

Eine Tonne Soja aus Brasi­lien, die auf entwal­deten Flächen ange­baut wurde, verur­sacht 5,6 Tonnen Klimagas, eine Tonne aus Europa im Schnitt dagegen 0,82 Tonnen.

Soja ist ein echter Senk­recht­starter. In den letzten 50 Jahren hat sich die jähr­liche Produk­tion mehr als verzehn­facht. Der Inter­na­tio­nale Getrei­derat in London schätzt das globale Soja­an­gebot für 2022/23 auf 387 Millionen Tonnen. Vier Fünftel davon werden zu Futter­mit­teln verar­beitet. Mehr als 80 % der welt­weiten Soja­menge stammt aus Brasi­lien, den USA und Argen­ti­nien. Alle drei Länder setzen über­wie­gend auf gentech­nisch verän­dertes Saatgut. In Südame­rika findet zudem ein großer Teil des Anbaus auf gero­deten Regen­wald­flä­chen statt und verur­sacht häufig Vertrei­bung und Land­nut­zungs-Konflikte. Hinzu kommen die Folgen weiter Trans­port­wege rund um den Globus.

Welt­weiter Haupt­ab­nehmer für Soja ist mit über 96 Millionen Tonnen China. Danach kommt mit 35 Millionen Tonnen die Euro­päi­sche Union, die einen Groß­teil davon aus Brasi­lien bezieht. Deutsch­land hat 2021 rund 3,6 Millionen Tonnen Soja­bohnen impor­tiert, davon kamen 1,6 Millionen Tonnen aus Brasi­lien. Eine Tonne Soja aus Brasi­lien, die auf entwal­deten Flächen ange­baut wurde, verur­sacht 5,6 Tonnen Klimagas, eine Tonne aus Europa im Schnitt dagegen 0,82 Tonnen. Aufgrund der kurzen Trans­port­wege im Land sind es nach Angaben von Donau Soja sogar nur 0,28 Tonnen, wenn die Bohnen in Serbien ange­baut werden.

Lokaler Anbau für mehr Nach­hal­tig­keit

Diese erheb­lich güns­ti­gere Klima-Bilanz ermög­licht neben den kurzen Wegen auch Methoden für den nach­hal­tigen Anbau. Vlada Vuki­ce­vich hat verschie­dene lokale Sorten getestet, die speziell für den Anbau in Serbien entwi­ckelt wurden. Sie passen zum lokalen Klima und den Böden. So hat Vlada Vuki­ce­vich seine Erträge gestei­gert, bei glei­chem Einsatz von Acker­fläche, Wasser und Dünger. Als Legu­mi­nose stei­gert Soja zudem die Frucht­bar­keit der Böden. Auf dem Feld reißt Agrar­ex­perte Bane Jevremov eine Pflanze heraus und zeigt auf kleine, weiß­graue Kügel­chen an den Wurzeln. Stick­stoff. Aus der Luft gebunden. Dem Boden zuge­führt. Das verbes­sert die Erträge bei Weizen und Mais, mit denen Vlada Vuki­ce­vich Soja im Wechsel anbaut. So spart er mine­ra­li­schen Dünger. Bis zu 100 Kilo­gramm weniger muss er pro Hektar und Jahr auf die Äcker bringen.

Auch wenn das vergan­gene Jahr wegen Dürre enttäu­schende Ergeb­nisse brachte, setzen immer mehr serbi­sche Bauern auf Soja.

Das hilft ihm beson­ders jetzt, wo die Dünger­preise aufgrund des Krieges in der Ukraine explo­diert sind, und verrin­gert die Klimagas-Emis­sionen seiner Land­wirt­schaft. Zudem drängt die Frucht­folge auf seinen Feldern die Ausbrei­tung von Unkraut und Pflan­zen­krank­heiten zurück. Auch hat Vlada Vuki­ce­vich auf Feld­tagen gelernt, wie er weniger Herbi­zide einsetzen kann, indem er Unkraut mit dem Traktor bekämpft. Am meisten aber begeis­tert den Land­wirt, dass Donau Soja ihn mit den rich­tigen Abneh­mern zusam­men­bringt. „Die Nach­frage steigt und der Preis stimmt eben­falls“, sagt er mit strah­lenden Augen.

„Soja ist in Serbien ein Motor für Entwick­lung“, sagt Jovana Djisalov von Donau Soja in Novi Sad. Das Büro der serbi­schen Sektion der Orga­ni­sa­tion befindet sich in einer ruhigen Neben­straße im pitto­resken Zentrum der Stadt an der Donau, die das Zentrum der Vojvo­dina ist. In einem Schau­kasten im Konfe­renz­raum ist die breite Palette an Produkten ausge­stellt, in denen von Donau Soja zerti­fi­zierte Bohnen stecken, von Spei­seöl, Fleisch- und Aufschnit­ter­satz, Crispies in Pizzas oder Scho­ko­rie­geln bis hin zu Eiern, gelegt von mit euro­päi­schen Soja gefüt­terten Hennen.

Bohnen, Flocken, Chips und Mehl. In der Soja­mühle werden verschie­dene Produkte für die Lebens­mittel- und Futter­in­dus­trie herge­stellt.

Soja-Situa­tion in Europa

Im Jahr 2022 wurden in Serbien auf 300.000 ha Soja ange­baut, in den vergan­genen Jahren waren es noch um die 250.000. Der Anbau von Soja wächst auch in anderen euro­päi­schen Ländern. Vor zehn Jahren wurden 17 % des in Europa verbrauchten Soja hier ange­baut. Heute sind es bereits 22 %. Der Groß­teil stammt aus Nicht-EU-Ländern, vor allem aus den südöst­li­chen Staaten auf und um den Balkan. Aufgrund von neuen Sorten und Klima­ver­än­de­rungen entde­cken auch Land­wirte in Öster­reich und Deutsch­land die Pflanze für sich. Haupt­pro­du­zent in Europa ist aber die Ukraine. Trotz des Krieges konnten ukrai­ni­sche Bauern im Jahr 2022 3,6 Millionen Tonnen ernten. Die meisten Soja­ex­porte werden über Land trans­por­tiert, etwa über Polen in die EU, was nach wie vor funk­tio­niert.

„Die Nach­frage nach Soja aus Europa steigt enorm, getrieben vor allem von den großen Handels­ketten, die immer mehr vege­ta­ri­sche Lebens­mittel im Angebot haben und auf das gewach­sene Bewusst­sein der Konsu­menten reagieren, was die Herkunft von Tier­futter angeht“, freut sich Jovana Djisalov in Novi Sad. In Öster­reich zum Beispiel füttern sämt­liche Lege­hennen-Betriebe bereits seit zehn Jahren mit Donau Soja. Bis heute haben sie nach Angaben der Orga­ni­sa­tion dadurch eine Million Tonnen Klimagas einge­spart, so viel wie eine Groß­stadt in Europa mit 100.000 Einwohner pro Jahr emit­tiert. Auch in Deutsch­land bewegt sich mitt­ler­weile etwas. Erste Handels­ketten bieten Fleisch oder Eier an, produ­ziert mit zerti­fi­ziertem Soja aus Europa. Hersteller vege­ta­ri­scher und veganer Produkte, wie Tofu, Brot­auf­striche oder Soja-Drinks, setzen wegen des Verbotes von Gentechnik in Lebens­mit­teln schon lange auf Soja aus Europa.

Anlie­fe­rung im großen Stil. Ein LKW nach dem anderen kommt zur Entla­dung.

Im September werden die Lager der Soja­mühlen für das ganze Jahr gefüllt.

Stich­proben sichern die Qualität.

Zerti­fi­ziertes Premium-Produkt

Vom Nach­fra­ge­boom profi­tieren Land­wirte, Händler, land­wirt­schaft­liche Koope­ra­tiven, Trans­port- und Logistik-Unter­nehmen sowie Verar­beiter, die zum Teil nach Angaben von Donau Soja ihre Kapa­zi­täten verdop­peln wollen. Die Zerti­fi­zie­rung von Donau Soja hilft ihnen, ein Premium-Produkt zu entwi­ckeln und zu vermarkten und damit ihr Einkommen zu stei­gern, Nach­hal­tig­keits­kri­te­rien entlang der Liefer­kette einzu­halten und nach­zu­weisen, mit Abneh­mern zusammen zu kommen und die eigene Qualität zu verbes­sern. „300 unser 400 Bauen bauen mitt­ler­weile nach den Krite­rien der Orga­ni­sa­tion zerti­fi­ziert an“, sagt Marko Nenadić, Logistik Manager bei der Koope­ra­tive Ulja­rice-Bačka, die seit drei Jahren mit Donau Soja zusam­men­ar­beitet.

Um die Stan­dards für die Zerti­fi­zie­rung zu erfüllen, muss die Koope­ra­tive engen Kontakt zu den Land­wirten halten, um diese fort­zu­bilden, mit Wissen zu versorgen und zur Doku­men­ta­tion anzu­halten. „Das hilft, die Qualität zu verbes­sern, bis hin zu den strengen Hygie­ne­auf­lagen beim Trans­port der Bohnen“, so Nenadić weiter.

Abnehmer in ganz Europa

Im Schnitt hat Ulja­rice-Bačka pro Jahr 10.000 Tonnen zerti­fi­zierte Bohnen produ­ziert. Ein Drittel davon expor­tiert die Koope­ra­tive nach Öster­reich, zehn Prozent nach Deutsch­land. Aber auch Däne­mark und Norwegen zählen zu den Abneh­mern. „Der Zugang zu diesen Märkten ist bedeu­tend einfa­cher durch die Zerti­fi­zie­rung – und manchmal bekommen wir auch einen besseren Preis“, sagt Marko Nenadić mit einem Augen­zwin­kern. Was zudem sehr hilft, sind die sehr strengen Stan­dards in Serbien für die Konta­mi­nie­rung mit gene­tisch verän­dertem Soja, die über den übli­chen Vorgaben in Europa liegen.

176 Sorten wurden in Serbien entwi­ckelt, bis hin zu der viel­fach ausge­zeich­neten schwarzen Soja­bohne.

Seit vielen Jahr­zehnten werden in Novi Sad lokale Sorten erforscht und weiter­ent­wi­ckelt.

Vuk Dorđević, Experte für Sorten­ent­wick­lung am Institut für Feld­früchte und Gemüse in Novi Sad.

Das Saatgut für den nächsten Test- und Erhal­tungs­anbau auf den Flächen des Insti­tutes.

Geför­dert wird der Anbau von Soja als Futter­mittel in Serbien seit den 1970er Jahren, den Zeiten des früheren Jugo­sla­wiens also. „Im rest­li­chen Europa wächst das Inter­esse an heimi­schem Soja erst seit 15 Jahren“, sagt Vuk Dorđević, Experte für Sorten­ent­wick­lung am Institut für Feld­früchte und Gemüse in Novi Sad. „Wir hier arbeiten seit damals konti­nu­ier­lich an der Entwick­lung geeig­neter Sorten.“ Bereits 1979 wurde an dem Institut die erste lokale Sorte entwi­ckelt. Heute sind es insge­samt 176, also ein breit gefä­chertes Angebot, aus dem sich Züchter und Land­wirte die passende auswählen können. Vor kurzem haben die Wissen­schaftler eine mit Preisen ausge­zeich­nete Sorte mit schwarzen Bohnen gezüchtet, deren Inhalts­stoffe beson­ders für den Einsatz in der Phar­ma­in­dus­trie sowie im Bereich Healthy Food geeignet sind. Vor allem aber haben sie sich in den letzten zehn Jahren auf die Entwick­lung trocken­heits­re­sis­tenter Sorten konzen­triert.

Kein Wunder also, dass Vlada Vuki­ce­vich trotz der dies­jäh­rigen Dürre auch in Serbien so zufrieden mit seinen Erträgen ist. Doch nun blickt der quir­lige Land­wirt auf seine große Uhr mit dem breiten Armband und dem dunklen Ziffern­blatt. Schließ­lich will er heute noch ernten. Einer seiner Mitar­beiter hat mitt­ler­weile den Mähdre­scher gestartet. „Nach­hal­tiger Anbau heißt auch, so wenig wie möglich Treib­stoff zu verbrau­chen.“ Schnell klet­tert Vlada Vuki­ce­vich auf die große Maschine und fährt davon.