Flur und Furche: Herr Döring, wie gut ist die Eiweißversorgung in der europäischen Tierhaltung?
Alexander Döring: Bei vielen Eiweißgruppen ist unser Versorgungsgrad sehr hoch, beispielsweise liegt er bei Raufutter, Grünfutter und Getreide bis zu 15% Eiweißgehalt bei fast 100%. Die Eiweißlückendiskussion beschränkt sich auf hochkonzentrierte Eiweißquellen zwischen 30% und 50%, im wesentlichen Rapsschroten und Sojaschroten. Da liegen wir bei 29%, allerdings ist die Tendenz eher positiv.
Ist das Defizit in dieser Proteingruppe nicht problematisch?
Aus meiner Sicht ist nicht das Defizit an sich das Problem. Wir dürfen uns aber nicht von einem oder zwei Exportländern abhängig machen, sondern die Abhängigkeit verteilen, um Preisschocks auf den Weltmärkten abfedern zu können. Wichtig ist dabei, dass wir den Marktzugang sowohl zu heimischen wie auch zu anderen Anbietern haben.
Wir brauchen eine möglichst reichhaltige Angebotspalette.
Wir brauchen eine möglichst reichhaltige Angebotspalette. Beispielsweise beziehen wir gerade größere Mengen von Nachbarländern im Schwarzmeerraum. Das ist nicht die EU, aber es ist ein Anfang.
Wieviel Spielraum gibt es für Sojaanbau in Europa?
Italien ist seit Jahren der größte Hersteller. Dort erwarten wir auf Grund der agronomischen Verhältnisse keine starke Steigerungsfähigkeit. In anderen Nachbarländern wie z.B. Rumänien, Ungarn und Polen sehen wir durchaus die Möglichkeit, die Flächen zu steigern. Das Marktsegment für gentechnikfreie Eiweiße wird sicher ein wichtiger Fokus für europäische Hersteller sein, um sich von Importen abgrenzen zu können. Diese Vermarktungsnische könnte das Zugpferd für die Ausweitung des Anbaus sein. Natürlich auf einem relativ niedrigen Niveau – aber wir sind natürlich froh über jedes Angebot, das wir aus den Mitgliedsstaaten bekommen.
Und für Eiweißpflanzen generell?
Es ist tatsächlich sehr wichtig, heimische Eiweißquellen noch besser zu nutzen. In Brüssel und in vielen Mitgliedstaaten gibt es den großen Wunsch, dafür mehr zu tun. Die europäische Kommission hat in ihrer neusten Eiweißbilanz schon vermerkt, dass sich in den letzten Jahren aufgrund der bestehenden Mechanismen und Unterstützungsformen der GAP die Flächen sowohl für Sojaanbau als auch andere Leguminosen schon deutlich erweitert haben.
Es ist sehr wichtig, heimische Eiweißquellen besser zu nutzen. In Brüssel und in vielen Mitgliedstaaten gibt es den großen Wunsch, dafür mehr zu tun.
Ich denke, dass das Thema im agrarpolitischen Kontext nach 2020 als eine höhere Priorität eingestuft werden wird. Als Zwischenfrüchte gibt es sicherlich im ackerbaulichen Bereich größere Spielräume für Eiweißpflanzen, deren Beitrag in der Fruchtfolge bspw. für die Bodenfruchtbarkeit oft unterbewertet ist.
Leisten Ölsaaten nach wie vor den größten Beitrag im hochkonzentrierten Bereich?
Ja, in diesem Segment werden sie auf Jahre hinaus die größere Rolle spielen – gekoppelt an die Produktion von nachhaltigen Energien. Raps weiterhin, aber auch die Sonnenblume steht ganz klar im Fokus. Sonnenblumenschrot ist aufgrund von Fortschritten in der Verarbeitung inzwischen in einer Qualität zu haben, die dem Sojaschrot praktisch gleichwertig ist. Züchtungsfortschritte und Fortschritte auf der Verarbeitungsstufe werden die Verdaulichkeit weiter verbessern.
Welchen Spielraum gibt es im Bereich Tierzucht?
Viele Wissenschaftler weisen darauf hin, dass eine verstärkte Kopplung der Tierzucht und Pflanzenzucht notwendig wäre. Bis jetzt lief Vieles parallel, ohne große Schnittstellen. Die optimale Ausnutzung der Eiweißquellen ist aber eine Frage des Zusammenspiels von Fortschritten in diesen beiden Bereichen, natürlich mit der Tierernährung als Bindeglied dazwischen. Hier steckt noch viel Potenzial.