Klein­bauern können eine Brücke zur Öffent­lich­keit schlagen

Am Beispiel der slowe­ni­schen Land­wirt­schaft zeigt sich, warum in der modernen Land­wirt­schaft neben größeren Betrieben auch klei­nere Höfe weiterhin ihren Platz haben sollten. Gerade klei­nere Betriebe können den Dialog zwischen Erzeu­gern und Verbrau­chern stärken und damit der Land­wirt­schaft neue Geschäfts­mo­delle erschließen.

In zwei Wochen beginnt die Kürbis­ernte. Dušan Kos freut sich schon darauf. Auf seinem Hof in Dorf Pragersko, 25 km von Maribor entfernt im Nord­osten Slowe­niens, glänzt eine neu ange­schaffte Maschine im Sonnen­licht. Diese Maschine wird ihm die Ernte seiner 6 ha Kürbis­fläche deut­lich erleich­tern. Finan­ziert wurde der Kauf­preis von etwa 5.000 Euro durch das EU-Unter­stüt­zungs­pro­gramm für Jung­land­wirte, über das seine Frau Brigita Hergan geför­dert wird. Wenn sie drei Jahre in Voll­zeit auf dem Fami­li­en­be­trieb arbeitet, erhält sie 45.000 Euro. Animiert durch die Förde­rung leitete das Paar einen radi­kalen Kurs­wechsel ein.

Bis vor kurzem hielt Hergans Familie 60 Milch­kühe und betrieb etwas Ackerbau. Vor zwei Jahren gab es eine große Diskus­sion im Fami­li­en­kreis: Sollte man trotz des nied­rigen Milch­preises in einen neuen Melk­stand inves­tieren oder lieber umsat­teln? Brigita Hergan und ihr Mann entschieden sich für eine neue Ausrich­tung des Betriebes: die Herstel­lung von Pflan­zenöl, und zwar aus selbst ange­bauten Kürbissen und Sonnen­blumen. „Mit 6 ha Kürbis und 2 ha Sonnen­blumen sind wir kein Groß­be­trieb“, ist sich Hergan bewusst. „Um dennoch gute Einnahmen zu erzielen, müssen wir unseren Produkten einen zusätz­li­chen Mehr­wert verleihen.“

Ihr Vater gab ihr die Möglich­keit den neuen Betriebs­zweig aufzu­bauen und stellte ihr Flächen zur Verfü­gung. Hergan suchte Rat bei der slowe­ni­schen Land­wirt­schafts­kammer und ihr Mann, der damals fünf Tage in der Woche als Fabrik­leiter arbei­tete, kümmerte sich um die Technik. Er entwarf und baute einen Verar­bei­tungs­raum und lernte, wie man hoch­wer­tiges kalt gepresstes Kürbis­kernöl herstellt.

Dušan Kos füllt die Ölpresse mit Kernen.

Sonnen­blumen- und Kürbis­kernöl vom Hof von Dušan Kos und Brigita Hergan. Mitt­ler­weile stellen die beiden jähr­lich 3.000 Liter Kürbis­kern- und 1.000 Liter Sonnen­blu­menöl her.

Alle Produkte gibt es auch im eigenen Hofladen zu kaufen.

Die Kühe verschwanden, und Dušan Kos funk­tio­nierte die ehema­ligen Ställe zu einer Trock­nungs­an­lage um. Dafür instal­lierte er auch eine Heizung, die sowohl die Kerne trocknet als auch das Haus beheizt. Die Kosten dafür: 25.000 Euro. „Es gibt im Umkreis andere Trock­nungs­ein­rich­tungen, aber als Erzeuger kann man zu stark von ihnen abhängig werden. Ich möchte meine Ernte aber trocknen können, wann immer ich will. Wenn zu viel Zeit bis zur Trock­nung verstreicht, leidet darunter auch die Qualität.“ Mitt­ler­weile produ­ziert das Paar jähr­lich 3.000 Liter Kürbis­kern- und 1.000 Liter Sonnen­blu­menöl und verkaufen es auf Bauern­märkten und im eigenen Hofladen. Beson­ders der Hofladen hat ihnen zu einer guten Vernet­zung vor Ort verholfen. Kos betont: „Dieser direkte Kontakt zu unseren Kundenn ist für uns enorm wichtig. Wir möchten Haus­halte in Slowe­nien mit quali­tativ guten Produkten belie­fern.“

Der länd­liche Raum unter Druck

Kos und Hergan sind nicht die einzigen Klein­bauern, die als Erzeuger den Kontakt zu ihrem direkten Umfeld suchen. Darin liegt für viele Klein­bauern der Schlüssel, um neben viel größeren Betrieben bestehen zu können. Beim Gipfel­treffen der euro­päi­schen Land­wirt­schafts­mi­nister Anfang September 2021 warb der EU-Kommissar für Land­wirt­schaft, Janusz Wojciech­owski, bereits dafür, ein beson­deres Augen­merk auf die ca. 10 Millionen Klein­bauern in der EU zu richten. „Skalen­ef­fekte gelten natür­lich weiterhin, aber gerade die Klein­bauern sind für die Erhal­tung des länd­li­chen Raumes unver­zichtbar. Daher wird die EU diese Bauern finan­ziell unter­stützen müssen.“

Aller­dings stellt sich die Frage, ob Finanz­hilfen allein ausrei­chen. Der länd­liche Raum in der EU steht unter Druck, und das liegt nicht nur an immer größer werdenden land­wirt­schaft­li­chen Betrieben. Auch der Wohnungsbau, Infra­struk­tur­pro­jekte und Inves­toren haben es auf Land abge­sehen und treiben die Preise in schwin­del­erre­gende Höhen. So hat der Internet-Konzern Amazon in Italien kürz­lich mehrere Hundert Hektar frucht­bares Acker­land in der Nähe von Bologna erworben, um ein neues Vertriebs­zen­trum zu errichten. In den Nieder­landen halten Inves­toren Ausschau nach Acker­land, um darauf Solar­parks zu errichten. In Deutsch­land sehnen sich Stadt­be­wohner nach Erho­lungs­mög­lich­keiten auf dem Land und parken dabei Land­straßen und Wege zu, so dass Bauern mit ihren Geräten nicht mehr durch­kommen.

Klein­bauern sind für die Erhal­tung des länd­li­chen Raumes unver­zichtbar.

Janusz Wojciech­owski, EU-Agrar­kom­missar

Außerdem scheint es in vielen euro­päi­schen Ländern ‒ teils infolge der Covid-19-Pandemie ‒ die Menschen aus der Stadt wieder zuneh­mend aufs Land zu ziehen. Sie suchen dort Platz und Ruhe und ändern damit radikal das gesell­schaft­liche Gefüge auf dem Land.

Diese Verän­de­rungen gehen mit einer Zunahme von Nach­bar­schafts­kon­flikten einher. Der fran­zö­si­sche Land­wirt­schafts­mi­nister etwa merkte auf Nach­frage an: „Städter wissen nicht, wie die Dinge auf dem Land laufen, also müssen wir es ihnen erklären. Wir müssen den Dialog suchen, und meiner Meinung nach ist die Land­wirt­schaft der Schlüssel dafür. Wenn wir dem Rest der Bevöl­ke­rung die Land­wirt­schaft wieder näher­bringen können, etwa durch den Verkauf von Produkten aus lokaler Erzeu­gung, können wir den Graben zwischen Stadt und Land über­brü­cken.“

Güte­siegel als Quali­täts­kenn­zei­chen

Genau das versu­chen zurzeit viele slowe­ni­sche Klein­bauern. Seit 32 Jahren veran­staltet das Kloster im ältesten Ort des Landes, Ptuj, ein Bauern­fes­tival: Dobrote slovenskih kmetij. Dort verkaufen Bauern ihre Erzeug­nisse, aber viel­leicht noch wich­tiger ist der Wett­be­werb. In diesem Jahr präsen­tierten 500 Bauern aus ganz Slowe­nien der Jury 978 Produkte zur Bewer­tung in 15 verschie­denen Kate­go­rien. Die Gewinner dürfen ihre Produkte ein Jahr lang mit einer entspre­chenden Kenn­zeich­nung versehen, und die sieg­rei­chen Produkte werden direkt über die Festival-Website online verkauft. Ein solches Produkt ist der Apfel­wein von Marija Erjavec. Sie ist sehr stolz darauf. „Das Quali­täts­kenn­zei­chen schafft Kunden­ver­trauen. Es zeigt, dass das Produkt quali­tativ gut ist.“

Marija Erjavec und ihre Familie bauen auf ihrem Hof fast ausschließ­lich Äpfel an. Hier zeigen sie ihre preis­ge­krönten Produkte.

Mitt­ler­weile produ­zieren sie jähr­lich 90 Tonnen Äpfel.

Im Hofladen gibt es allerlei selbst herge­stellte Produkte wie Trocken­obst und Apfel­essig zu kaufen.

Gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Sohn betreibt sie einen kleinen Obsthof in Gorica, einem 50 km nörd­lich der Landes­haupt­stadt Ljubljana gele­genen Ort. Der Hof verfügt über 4 Hektar Apfel­bäume, 4 Hektar Acker­land und 11 Hektar Wald. Anfang der 1990er Jahre zählte das Ehepaar zu den Pionieren im Obst­anbau. „In dieser Region wurde tradi­tio­nell kein Obst ange­baut, aber wir hatten damals nur 2 Hektar Land, und um so viel Ertrtag wie möglich daraus zu erhalten, haben wir uns für das Anpflanzen von Apfel­bäumen entschieden“, erzählt Erjavec. „Der Erlös pro Quadrat­meter ist höher als bei Kartof­feln.“ Mitt­ler­weile produ­zieren sie jähr­lich 90 Tonnen Äpfel und verar­beiten sie zu allerlei Produkten wie Trocken­obst und Apfel­essig. Außerdem kaufen sie Birnen zu, die sie verschie­denen Produkten beifügen.

„Der gesamte Verkauf läuft über lokale Märkte oder spezia­li­sierte Geschäfte. Außerdem betreiben wir seit 10 Jahren einen Hofladen. Wir waren davor bereits auf Bauern­märkten präsent, aber immer mehr Menschen riefen uns an und wollten wissen, ob sie auch direkt bei uns kaufen könnten“, so Erjavec. „Darum eröff­neten wir den Hofladen. Am Anfang verkauften wir darüber 80 Prozent unserer Produk­tion, mitt­ler­weile sind es nur noch 20 Prozent. Heut­zu­tage verlangen immer mehr Firmen nach Geschenk­pa­keten mit lokalen Produkten. Auch in diese Markt­lücke sind wir hinein­ge­stoßen, und es hat sich für uns gelohnt.“

Bessere Aussichten für Klein­bauern

Slowe­nien brachte sein Enga­ge­ment für eine Verbes­se­rung der Kommu­ni­ka­tion zwischen Stadt und Land auch während seiner EU-Präsi­dent­schaft vom Juli bis zum Dezember 2021 zum Ausdruck. „Konflikte bestehen zwei­fellos“, räumt der slowe­ni­sche Minister für Land- und Forst­wirt­schaft und Lebens­mittel, Jože Podgoršek, ein.  „Sie entstehen vor allem im Zuge des Arbeits­all­tags von Bauern. Beispiels­weise beschweren sich Nicht-Bauern über zahl­reiche Trans­port­fahrten und Lärm­be­las­tung. Während unserer Präsi­dent­schaft stand deshalb der Dialog zwischen Bauern und ihrem nicht-länd­lich geprägten Umfeld ganz oben auf der Liste. Dort wollen wir etwas bewegen.“ Er nennt ein Beispiel: „Manche Menschen aus Regionen, in denen Hopfen produ­ziert wird, beschweren sich über den Einsatz von Pflan­zen­schutz­mit­teln. Wir setzen als Reak­tion darauf tech­ni­sche Neue­rungen um, mit deren Hilfe Bauern Pflan­zen­schutz­pro­dukte ziel­ge­nauer ausbringen können. So können wir Konflikte zwischen Bauern und anderen Menschen entschärfen.“

Dabei spielt die slowe­ni­sche Land­wirt­schafts­kammer eine tragende Rolle. Sie vertritt 100.000 Betriebe mit einer Nutz­fläche von durch­schnitt­lich 8 bis 10 Hektar Land. Ihr Vorsit­zender, Roman Žveglič, ist selbst Klein­bauer im slowe­ni­schen Berg­land, wo er 25 ha Land besitzt. Davon sind 5 ha Acker­land, zudem hält er 33 Rinder und 23 Mutter­kühe. Für ihn lautet der Knack­punkt: „Land­wirt­schaft ist wie Fußball: Alle denken, sie wissen Bescheid, und führen sich wie Trainer auf. Die Öffent­lich­keit will Nahrung, die vor Ort, ohne Chemi­ka­lien und Pesti­zide produ­ziert wurde, sicher ist, aber nicht viel kosten soll. All das zusammen funk­tio­niert nicht. Und genau das müssen wir besser erklären. Für mich kommt den Klein­bauern in unserem Land dabei eine wich­tige Rolle zu, denn sie haben die engsten Kontakte zu ihrem Umfeld.“

Die slowe­ni­sche Land­wirt­schafts­kammer vertritt 100.000 Betriebe mit einer Nutz­fläche von durch­schnitt­lich 8 bis 10 Hektar und unter­stützt diese zum Beispiel bei der Entwick­lung neuer Konzepte für ihre Höfe.

Slavica Strelec ist in der Region, in der Kos und Hergan leben, für die Land­wirt­schafts­kammer tätig. Sie und ihr regio­nales Team helfen Klein­be­trieben bei der Erschlie­ßung neuer Einnah­me­quellen. „Wenn jemand zu uns ins Büro kommt, schauen wir uns gemeinsam an, welche Möglich­keiten sich in Sachen Tech­no­logie, Standort und Quali­täts­si­che­rung bieten“, erklärt Strelec. „Darüber hinaus helfen wir Bauern mit den Forma­li­täten, die zum Erhalt von Geneh­mi­gungen zur Verar­bei­tung und zum Verkauf von Produkten erfor­der­lich sind. Dadurch bietet sich klei­neren Betrieben eine tolle Möglich­keit, auch in einer Welt, in der sich alles nur um Skalen­ef­fekte zu drehen scheint, weiterhin in der Land­wirt­schaft zu bleiben. Ein Klein­bau­ernhof lässt sich nur mithilfe von Neben­tä­tig­keiten rentabel führen.“

Für Kos und Hergan scheint das Rezept aufge­gangen zu sein: Nach zahl­rei­chen Inves­ti­tionen und Reno­vie­rungen ist ihr Betrieb nun fest im slowe­ni­schen Boden verwur­zelt ‒ und floriert. Andere Bauern in der Region fragen die beiden mitt­ler­weile, ob sie auch ihr Saatgut trocknen würden, oder bieten ihnen ihre Produkte für die Weiter­ver­ar­bei­tung an. Kos zeigt auf den neuen Empfangs­be­reich für Besu­cher und ist dabei sicht­lich ergriffen. „Ich hätte nie gedacht, dass wir all dies aus einem kleinen Hof machen könnten. Aber wir haben es geschafft“, strahlt er. „Damit hat unser Fami­li­en­be­trieb wieder eine Zukunft.“

Land­wirt­schaft in Slowe­nien

Slowe­nien bzw. amtlich die Repu­blik Slowe­nien (in Landes­sprache: Repu­blika Slove­nija) ist ein Land in Mittel­eu­ropa am Südrand der Alpen und trat am 1. Mai 2004 der EU bei. Seit 2007 verwendet Slowe­nien den Euro als Zahlungs­mittel. Es grenzt im Norden an Öster­reich, im Westen an Italien und die Adria, im Süden und Osten an Kroa­tien und im Nord­osten an Ungarn. Das Land ist klein, dicht bewaldet und bergig. Seine Haupt­stadt und größte Stadt Ljubljana hat 286.745 Einwohner (Stand: 2020).

Die Land­wirt­schaft spielt in der slowe­ni­schen Wirt­schaft eine immer gerin­gere Rolle. 2017 kam dieser Sektor nur noch auf einen Anteil von 1,8 Prozent des Brut­to­in­lands­pro­dukts, und nur 5,5 Prozent der Erwerbs­tä­tigen arbei­teten in der Land­wirt­schaft. Dadurch musste Slowe­nien unterm Strich Nahrungs­mittel impor­tieren. Die Bauern­höfe dort sind in der Regel Fami­li­en­be­triebe mit einer Größe von 8 bis 10 Hektar, die oft einer Genos­sen­schaft ange­hören.

Wegen der Klima- und Boden­be­din­gungen besteht der Groß­teil der land­wirt­schaft­li­chen Nutz­fläche aus Gras­weiden. Etwa 250.000 Hektar sind für den Acker- und Gartenbau geeignet. Ange­baut werden in erster Linie Obst, Weizen, Mais und Kartof­feln. Etwa 21.000 Hektar werden für den Weinbau genutzt.

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