Thomas Björklund begann sich für die Herstellung von hydrothermisch behandeltem Getreide zu interessieren, nachdem er 2017 mit der Produktion von Bio-Gerstenmalz für die regionalen und schnell wachsende Bierbrauereien begonnen hatte. Als ausgebildeter Agronom mit großem Interesse an moderner Pflanzenbiologie erkannte er schnell, dass die hydrothermische Behandlung von Getreide – eine raffiniertere und wissenschaftlichere Art des Mälzens – den Nährwert des Getreides und den finanziellen Ertrag steigern könnte. „Durch das Verfahren werden Nährstoffe freigesetzt, die uns sonst nicht zur Verfügung stehen würden“, erläutert er.
Um welche Nährstoffe geht es hier? Die wichtigsten sind Zink, Eisen und andere Spurenelemente. Allerdings ist Eisen dabei die sprichwörtliche „Medaille mit zwei Seiten“. In organischer Form ist Eisen ein wichtiger Nährstoff, vor allem für Menschen, die an Eisenmangel leiden. Doch wenn es nicht in organischer Form aufgenommen wird kann es gefährlich werden.
„Problematisch ist diese nicht-organische Form, weil es so ist, als würde man Eisenstaub ins Essen mischen“, sagt Professorin und Ärztin Kerstin Fredlund, Gründerin der Firma Hidden in Grains und gefragte Expertin bei Organisationen, die sich der Förderung der Gesundheit verschrieben haben. „Unser Körper kann es weder verdauen noch aufnehmen, was zu verschiedenen Krankheiten führt. Eine davon ist Diabetes Typ 2, der gerade in der westlichen Welt auf dem Vormarsch ist.“ Deshalb entwickelt Dr. Fredlund zusammen mit Thomas Björklund nährstoffhaltige Getreideprodukte. „Getreide ist ein großartiges Lebensmittel, unglücklicherweise mit einem echt schlechten Ruf, den es nicht verdient hat“, meint Björklund.
Nährwert
Heimische Sorten enthalten mehr Nährstoffe, da sie den hocheffektiven, auf die Ertragsmaximierung ausgelegten, Zuchtverfahren nicht ausgesetzt waren. Allerdings könnten auch handelsübliche Sorten mit einem höheren Gluten- und Proteingehalt grundsätzlich geeignet sein, wenn sie nicht hoch industrialisierte Verarbeitungsverfahren durchlaufen würden, die ihnen einen Großteil ihrer ursprünglichen Nährstoffe entziehen.
Dr. Fredlund, ihres Zeichens Allgemeinmedizinerin und promovierte Lebensmittelwissenschaftlerin, verfügt über umfassende Kenntnisse und Erfahrungen in der Landwirtschaft und Pflanzenbiologie. Im Rahmen ihrer täglichen Arbeit sieht sie die Ergebnisse der Lebensbranche und ihrer industriellen Verarbeitung, welche die öffentliche Gesundheit massiv schädigt.
Wir Ärzte versuchen, die von der Lebensmittelindustrie verursachten Probleme in den Griff zu bekommen.
Kerstin Fredlund
„Wir Ärzte versuchen ständig, die von der Lebensmittelindustrie verursachten Probleme in den Griff zu bekommen. Wir führen einen aussichtslosen Kampf gegen Krankheiten, die wir vermeiden könnten“, erklärt sie. „Entgegen der landläufigen Meinung führt der Weg zu einem gesünderen Lebensstil nicht über den Verzicht auf Fleisch, sondern liegt im Verzehr von mehr Vollkornprodukten.“
Das hydrothermale Verfahren, an dessen Perfektionierung sie derzeit arbeitet, basiert auf einer bewährten Technik zur Getreideaufbereitung. Darüber hinaus kommen zusätzlich wissenschaftliche Finesse, Fachkenntnisse, Techniken und pflanzenbiologischen Fertigkeiten ins Spiel, um den Prozess richtig zu steuern.
„Das Verfahren muss stimmig sein, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen“, so Fredlund. „Dabei ist der Abbau der Phytinsäure in den Körnern die größte Herausforderung. Das ist notwendig, um unserem Körper Mineralien und Nährstoffe zugänglich zu machen. Studien haben gezeigt, dass der Phytinsäureanteil in heimischem Einkorn fünfmal so hoch ist wie in modernen Bio-Sorten, und mehr Phytinsäure bedeutet auch mehr Nährstoffe“, erläutert sie.
Hydrothermische Behandlung von Getreide
Die hydrothermische Verarbeitung soll die natürlich vorkommenden Nährstoffe, Enzyme und Spurenelemente im Getreide freisetzen und so beim Verzehr dem menschlichen Körper die Aufnahme erleichtern. Im Prinzip wird der natürliche Keimungsprozess nachgeahmt, bei dem die Nährstoffe für die nächste Pflanzengeneration freigesetzt werden.
Wenn sich das Verfahren am Markt durchsetzt und die Produktion aufgrund von Skaleneffekten ausgeweitet wird, sollen schmackhafte, haltbare und nahrhafte Produkte auf Vollkornbasis kostengünstig und zu erschwinglichen Preisen für Verbraucher mit geringem Einkommen hergestellt werden können.
Neben der hydrothermischen Behandlung zur Freisetzung der in den Körnern eingeschlossenen Nährstoffe stehen auch andere Verfahren, wie Keimung, Mälzung und Gärung, z. B. Sauerteiggärung, zur Verfügung.
Quelle: Hidden in Grains
EU will beschränkende Vorschriften aufheben
Derzeit ist heimisches Getreide von der EU nicht als öffentlich-handelbares Getreide zugelassen. Daher müssen Erzeuger ihre Geschäfte und den Saatguthandel über den Branchenverband Allkorn abwickeln. Das wird im nächsten Jahr einfacher, wenn die EU die Handelsregeln für ökologisch angebautes heimisches Getreide liberalisiert. Heute liefert Björklund Landwirten das Saatgut im Rahmen einer Rückkaufvereinbarung, und in seiner Warbro-Mühle mahlt er Getreide von Erzeugern, die einige Hundert Hektar bewirtschaften.
Fredrik Zetterqvist ist einer der Landwirte, der die Warbro-Mühle mit heimischer Gerste und Weizen im Zuge eines Rückkauf-Vertrags beliefert. Auf seinem insgesamt 120 Hektar großer Betrieb in Skevbokvarn baut er rund 40 Hektar Getreide an und zieht etwa 180 Ochsen auf.
Mit heimischen Weizensorten haben wir bessere Erträge erzielt als mit einigen der modernen Bio-Sorten
Fredrik Zetterqvist
„Für mich ist dieses Arrangement ideal. Ich profitiere davon, dass ich mein Saatgut bekomme; ich weiß, was ich anbauen muss und dass ich einen Abnehmer dafür habe“, meint Zetterqvist. Die angebaute Gerste wurde zuletzt 1930 in der offiziellen Saatgutliste aufgeführt, und der erzielte Preis spiegelt den geringeren Ertrag wider. Die heimischen Sorten liefern einen Ertrag von 3 bis 4 t/ha, werden aber mit einem Standardmähdrescher geerntet. „Mit diesen Weizensorten haben wir sogar bessere Erträge erzielt als mit einigen der modernen Bio-Sorten“, führt Zetterqvist aus.
Landwirtschaft und Ökonomie
Diese neue Ausrichtung bietet auch gute Aussichten auf die Wertschöpfung im Betrieb. Bio-Mehl aus heimischen Sorten erzielt im Einzelhandel bereits das Sechsfache des Preises von herkömmlichem Mehl.
Natürlich nennt Thomas Björklund keine Erzeugerpreise – das fällt unter das Geschäftsgeheimnis – doch wenn man vom Einzelhandelspreis (unter Berücksichtigung der herkömmlichen Handelsspanne) zurückrechnet, kann der Landwirt rund 6 SEK/kg (knapp 590 €/t) erzielen. Damit wäre der Anbau heimischer Sorten auch für kleinere Betriebe wirtschaftlich tragbar. Und der Familienbetrieb Björklund mit seinen 100 ha, von denen lediglich 30 ha bewirtschaftet werden, beweist das. „Der Betrieb selbst ist zu klein, um konventionell ausreichende Erträge zu erzielen“, so Thomas Björklund.
Wir erzeugen ca. 30 t Kleie, für die wir keine Verwendung hatten. Jetzt füttern wir unsere Tiere damit.
Thomas Björklund
Der Anbau von heimischem Getreide sorgt für Synergien zwischen den ökologischen Viehzüchtern wie Björklund und Zetterqvist. „Wir erzeugen ca. 30 t Kleie, für die wir keine Verwendung hatten. Jetzt füttern wir unsere Tiere damit“, erläutert Björklund.
Das heimische Getreide mit seinen langen Stängeln macht Zetterqvist zum Selbstversorger in Sachen Grünfutter. „Normalerweise ist Grünfutter für einen Bio-Viehzüchter kostenintensiv, dementsprechend ist es für mich ein großer Vorteil, wenn ich es selbst erzeugen kann.“
Der nächste Schritt nach vorn
Der Markt für heimisches Getreide wächst langsam aber stetig. Björklund schätzt, dass inzwischen auf mehreren Tausend Hektar heimisches Getreide angebaut wird. Diese Fläche könnte sich leicht verdoppeln, wenn mehr Verbraucher auf die gesundheitlichen Vorteile und die hydrothermische Behandlung, die er zusammen mit Dr. Fredlund eiterentwickelt, aufmerksam würden.
„Als Nächstes wollen wir sehen, ob wir diese Produktion mithilfe der 3-Tonnen-Silos von Thomas, die momentan für Gerstenmalz verwendet werden, steigern können“, erläutert Dr. Fredlund.
Die Produkte sollen eigentlich bei Krankheiten helfen, die durch ballaststoffarme Lebensmittel verursacht werden. Daneben könnten sie auch in Entwicklungsländern helfen, den Mangel an Zink und Eisen in der Nahrung zu vermindern. Trotz der vielfältigen Möglichkeiten bevorzugt Björklund aber eine langsame Entwicklung des Marktes und rät der Politik zur Zurückhaltung.
„Es ist besser, wenn der Markt organisch wächst, so wie er es bisher getan hat“, meint er. „Es ist nie gut, wenn die Politik einem sagt, wie viel man von diesem oder jenem anbauen kann.“
Der Bedarf des menschlichen Körpers an Ballaststoffen und deren Verdauung
Im menschlichen Verdauungstrakt befinden sich ca. 1.300 verschiedene Bakterien, die unterschiedliche Nährstoffe benötigen, um optimal zu funktionieren. Da ein gesunder Darm zur Vermeidung vieler Krankheiten beiträgt wird der Verzehr von 30 verschiedenen Pflanzenfasern pro Woche und 80 g Vollkornprodukten pro Tag empfohlen.
Quellen: Dr. Kerstin Fredlund