„Die Landwirtschaft spielt für die Gesamtentwicklung dieser Region eine große Rolle“, unterstreicht Ivan Pavlović von der Novocommerce International d.o.o. in Osijek, die als Handelspartner von John Deere agiert. Von der mittelgroßen Stadt, nur rund 30 Kilometer von der Donau und vom Nachbarn Serbien entfernt und damit an der östlichen Grenze der Europäischen Union gelegen, ist es nur ein paar Kilometer bis zum Betrieb Fermopromet in Branjina. Im Büro von Inhaber Siniša Ćuk gibt es zuerst einmal einen Quittenschnaps. Selbstgebrannt, hervorragend – aber einer reicht vormittags.
Ćuk und seine 50 Mitarbeiter bewirtschaften rund 3.000 Hektar und weitere 3.000 Hektar auf der serbischen Seite, in der Vojvodina. Die Fruchtfolge ist klassisch: Weizen, Gerste, Mais, Raps. Letzterer ist in der Saison 2021 kaum zu sehen, weil es Probleme mit der Zulassung von Herbiziden gegeben hat, so Ćuk, „dafür läuft es aber beim Weizen und beim Mais umso besser. Wir ernten in diesem Jahr bis zu 13 Tonnen Körnermais pro Hektar.“
Auch beim Soja, der seit den 80er Jahren angebaut wird, läuft es offenbar gut. „Wir erwarten derzeit Preise von rund 700 Euro pro Tonne“, frohlockt Ćuk vor betriebseigenen Silos, in denen die Sojabohnen getrocknet und bis zu einem günstigen Verkaufstermin gelagert werden.
Herausforderungen für Milchviehbetriebe
Während ein viehloser Großbetrieb wie Fermopromet von steigenden Commoditypreisen profitiert, haben bäuerliche Milchviehbetriebe wie der von Ivan Kvetek in Gorica mit niedrigen Preisen zu kämpfen. Und das schon seit vielen Jahren. Nicht zuletzt deswegen haben viele Milchbauern die Milchproduktion aufgegeben. Zdenko Ivkić von der staatlichen Agentur für Landwirtschaft und Ernährung (Hapih) schätzt, dass rund ein Drittel aller Milchviehbetriebe in den letzten zehn Jahren das Melken aufgegeben haben. So gibt es in Kroatien nur noch 4.000 Milchviehbetriebe, die für den Markt produzieren, davon allein rund 800 in Slawonien. Darüber hinaus existieren zwar noch weitere 10.000 (Neben)erwerbsbetriebe, die allerdings nur für den eigenen und lokalen Bedarf erzeugen.
Ein Ende dieser Entwicklung ist noch nicht abzusehen. Denn nach dem sehr trockenen und heißen Sommers 2021 liegt der Milchpreis bei mageren 31 Cent. “Vielleicht bekommen wir im Winter 38 Cent“, hofft Kvetek beim Rundgang durch seinen vor einigen Jahren ausgesiedelten Hof. Rund 100 Hektar bewirtschaftet er mit seinem Vater.
Darunter sind 15 Hektar Sonnenblumen, für deren Drusch er sich extra einen Mähdrescher mietet. Als Grundfutter für die Kühe setzt Kvetek vor allem auf Heu aus Luzerne. Große Ballen stapeln sich unter halbkreisartigen Zelten, die er mit wenig Aufwand hinter seinem Kuhlaufstall aufgestellt hat.
Seine Herde mit 40 Kühen der wohlgebauten lokalen Variante des Simmentaler Fleckviehs macht einen vitalen Eindruck. Die Kühe werden im Laufstall mit Schwemm-Schubstangenentmistung gehalten und von einem Lely-Melkroboter gemolken. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt Ivan zum Roboter, dessen Anschaffung zur Hälfte vom kroatischen Staat bezahlt wurde.
Strom aus der eigenen PV-Anlage
Der Strombedarf für das automatisierte Melken wird zu einem großen Teil von der eigenen PV-Anlage mit einer Leistung von 35 kWp, die auf dem Dach des Stalls installiert ist, abgedeckt. Das spart Kosten: Statt 17 Cent an den kroatischen Netzbetreiber zu zahlen, muss der 41-Jährige für seinen eigenen Solarstrom nur rund sieben Cent Entstehungskosten berappen. Übrigens: Bemerkenswerter Weise gibt es schon ca. 50 Betriebe, die Melkroboter einsetzen.
Neben Familienbetrieben à la Kvetek gibt es auch ganz große Player in Slawonien wie auch in den anderen Regionen Kroatiens. Wenngleich sie sich geografisch und historisch sehr unterscheiden, ist Allen eines gemein. Es ist deren gemeinsame Vergangenheit als Teil des sozialistischen Jugoslawiens, das im Sommer 1991 jäh auseinanderbrach und in einem vielschichtigen Bürgerkrieg mündete. Die Wunden von damals sind bis heute nicht gänzlich verheilt.
So stehen vor allem im östlichen Kroatien immer noch viele Häuser leer, in denen einst serbische Familien gewohnt haben. Viele von ihnen verließen ihre alte Heimat und sind nach Serbien gesiedelt. Zu sehen sind vielerorts noch Einschusslöcher von Maschinengewehren kämpfender Parteien in Gemäuern und Türen. Noch wirft die Vergangenheit ihre Schatten, genauso wie die einstigen sozialistischen Strukturen ihren Abdruck im ländlichen Raum bis in die Gegenwart hinein hinterlassen haben.
Mischkonzerne mit mehreren Standbeinen
Ähnlich wie in Ostdeutschland ist es einigen früheren staatlichen landwirtschaftlichen Großbetrieben in Kroatien gelungen, sich mit allerlei Veränderungen in einem marktwirtschaftlich orientierten System zu behaupten. Aus ihren Reihen haben sich Mischkonzerne gebildet, die neben anderen Branchen auch einen landwirtschaftlichen Unternehmenszweig haben. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Žito Grupa, die in Mala Branjevina eine Milchproduktion mit 800 Holstein Frisian am Standort einer alten Produktionsgenossenschaft betreibt.
Seit vier Jahren komplettiert eine imposante Biogasanlage mit insgesamt vier Megawatt elektrischer Leistung die Aktivitäten. „Jeder Betrieb sollte so eine Anlage errichten“, strahlt Jakob Zvonarić, der für die Biogasanlage verantwortlich ist. „Das hat Zukunft“, meint der 22-jährige Maschinenschlosser optimistisch. Und auch Dražan Tomanovič, der sich im 25-köpfigen Mitarbeiterstab als Veterinärtechniker um die Gesundheit der Kühe und Kälber kümmert, fühlt sich wohl auf dem Betrieb. „Ich mag meinen Job mit den Tieren“, sagt er in einem guten Deutsch, hat doch der 44-Jährige einst seine Kindheit in Baden-Württemberg verbracht. Tauschen mit einem Job in der Industrie möchte er nie und nimmer.
Auf dem Weg zum größten Kartoffelbauern Kroatiens, in die nördliche Region Međimurje, nahe der ungarischen und slowenischen Grenze, geht es vorbei an vielen, kleinen Tabakfeldern und vereinzelten Weinstöcken, aber auch an einigen neuen Biogasanlagen. Im September ist Erntezeit. PS-starke Traktoren fahren mit großen, fabrikneuen Ladewagen frisch gehäckselten Mais von den fruchtbaren Feldern zu den Standorten der Biogasanlagen. Eine davon befindet sich in der Nähe der Stadt Slatina. „Unsere Anlage ist vor fünf Jahren in Betrieb gegangen, die Akzeptanz gegenüber Biogas ist aber gegen Null“, verrät Betriebsleiter Josip Butka.
Unsere Anlage ist vor fünf Jahren in Betrieb gegangen, die Akzeptanz gegenüber Biogas ist aber gegen Null.
Josip Butka
Er berichtet, dass rund 500 Hektar Mais in den Fermenter gefahren werden, rund 25.000 Tonnen. Mit der Aussage, „wir sind zwar eine alte Firma, aber mit jungen Investitionen“, bringt der studierte Elektroingenieur ziemlich genau auf den Punkt, was gerade im Herzen der kroatischen Landwirtschaft passiert: Einige Jahre nach EU-Beitritt und kurz vor der Einführung des Euro sucht ein Teil der jungen Generation trotz des langen Schattens der Geschichte nach neuen Wegen, um die Zukunft auf dem Land lebenswert gestalten zu können.
Nicht ohne Widersprüche, nicht ohne Hindernisse – zumal die Löhne in der Landwirtschaft vielerorts immer noch sehr bescheiden sind. Deshalb wandern immer noch viele junge Leute ab – nach Zagreb oder an die Adria, wo der Tourismus viele Arbeitsmöglichkeiten bietet. So überrascht es nicht sonderlich, dass in der Nähe von Visnjica, in einer Gegend in der vor dem Ersten Weltkrieg das Fürstenhaus von Schaumburg-Lippe große Ländereien bewirtschaftete, auf einer großen Rindermastfarm ein aus Katmandu eingeflogenes Team von Nepali die Tiere füttert und ausmistet. Sie beherrschen ihr Job offensichtlich sehr gut, denn die Bullen der Rassen Limousin, Charolais und Simmentaler machen auf Stroh gebettet in den sechs neuen Offenställen einen guten Eindruck.
Kartoffeln in der „Schweiz Kroatiens“
In Međimurje angekommen, manche bezeichnen diesen Landesteil auch als die „Schweiz Kroatiens“, geht es dann gleich in die Kartoffeln. Das Wetter ist trocken, bei der Familie Dodlek sind sämtliche Kartoffelernter im Einsatz. „Unser Großvater begann in der sozialistischen Zeit im Jahr 1961 mit ein bisschen Landwirtschaft rund ums Haus“, erzählt Andrija Dodlek vom bescheidenen Start eines Betriebes, der heute bis zu 18.000 Tonnen Kartoffeln jährlich erntet, lagert, verpackt und vermarktet. Dafür haben Andrija, sein Bruder Karlo sowie ihr Vater Mirjan in den letzten Jahren sowohl in Erntetechnik, Bewässerung, Lagerhallen als auch automatischen Verpackungsmaschinen viele Millionen Euro investiert. Sie scheuen mit ihrer Dodlek-Agro d.o.o. im Ort Belica offenbar kein Risiko.
Auf eigenem Land baut die Familie auf rund 115 Hektar Kartoffeln an – insgesamt acht Sorten. Mit weiteren 30 Betrieben im weiteren Umkreis von Belica wird eng kooperiert. Es sind Betriebe in der Größenordnung von 15 bis 75 Hektar, die insgesamt auf rund 500 Hektar Kartoffeln kultivieren. Ihre Ernte liefern sie an die Dodleks ab, die sie dann unter ihrer Marke weiter abpacken und vermarkten. Jede zweite Kartoffel in Kroatien kommt mittlerweile aus ihrer Provenienz. Darüber hinaus exportiert man unter anderem in die Ukraine, nach Serbien, Bulgarien und Ungarn.
Wohin die Reise noch geht, ist kaum abzusehen. Doch ist die Motivation, trotz Corona-Rückschlägen, hoch. Das ist allen Familienmitgliedern anzumerken, aber auch den Mitarbeitern, mit denen man auch gerne mal ein Bierchen während kleiner Erntepausen teilt. Dabei sind die Aufgaben im eigenen Betrieb klar aufgeteilt. Während Karlo den landwirtschaftlichen Part betreut, deckt der jüngere Andrija, der unter anderem in Budapest Wirtschaft studierte, den technisch-betriebswirtschaftlichen Bereich ab.
Optimistische Investitionen
Trotz des Erfolgs ist er bescheiden geblieben; und er ist ständig zusammen mit seinem Bruder auf der Suche nach Optimierungen. Über einen Solarstromspeicher und über neue Lagerkapazitäten wird ebenso nachgedacht wie über neue Optionen im Anbau von Sellerie oder Zwiebeln. Außerdem will Andrija einen neuen Kartoffelernter anschaffen, der in der Lage ist, zukünftig auch die kleinen Kartoffeln aus dem steinreichen Boden herauszuholen.
Unabhängig von seinem eigenen landwirtschaftlichen Unternehmen hofft Andrija, dass Kroatien und vor allem der Osten Kroatiens, das „Herz der kroatischen Landwirtschaft“, mit der Einführung des Euro weitere wichtige Impulse für eine (land)wirtschaftliche Erneuerung erfahren. Wenn der Nachbar Serbien irgendwann später auch Mitglied der EU wäre, würde der überzeugte Europäer Andrija dies auf jeden Fall begrüßen.