Wann es genau angefangen hat, weiß Wilhelm Heine nicht. Vor etwa zehn Jahren fiel dem baden-württembergischen Landwirt aus Bad Waldsee auf, dass auf 14 von 79 Hektar Ackerland der Ackerfuchsschwanz überhandnahm. Trotz Herbizidspritzung ließ sich das Ungras auf den schweren Lehmböden nicht mehr kontrollieren.
Immer mehr Landwirte kämpfen mit herbizidresistenten Unkräutern und -gräsern; in Deutschland vor allem mit dem Ackerfuchsschwanz. Dass in naher Zukunft neue Wirkstoffgruppen erschlossen werden, gilt als unwahrscheinlich. Doch mit dem passenden Resistenzmanagement lässt sich das Risiko einer Resistenz erheblich verringern. Dabei rücken vor allem acker- und pflanzenbauliche Maßnahmen wieder in den Fokus der Landwirte. Eine vielfältige Unkrautflora ohne einzelne, dominierende Unkräuter ist das Ziel.
Wilhelm Heine hat sich Hilfe gesucht und startete 2014 als Demonstrationsbetrieb für integrierten Pflanzenschutz. Seitdem unterstützt Pflanzenschutzexperte Bernhard Bundschuh vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) den Landwirt und landwirtschaftlichen Fachlehrer bei der Ackerfuchsschwanzbekämpfung.
Resistenzen bleiben lange unentdeckt
Wilhelm Heines Ackerfuchsschwanz ist ein Paradebeispiel für den typischen Verlauf einer Resistenzentwicklung: Anfangs entwickelten einzelne Pflanzen zufällig die Fähigkeit, eine normalerweise wirkungsvolle Herbizidbehandlung zu überstehen. Diese Pflanzen fielen im Bestand allerdings kaum auf. Der nichtsahnende Landwirt wendete in der Folge häufig den gleichen Wirkmechanismus an, wodurch sich die resistenten Pflanzen vermehrten und bald den ganzen Acker besiedelten. Erst dann fielen sie auf. „Vielleicht haben wir die Gefahr in den ersten Jahren unterschätzt. Wir dachten, wir sind ja chemisch gut aufgestellt“, erinnert sich Wilhelm Heine.
Herbizide gelten als günstige und wirkungsvolle Form der Unkrautbekämpfung. Sie sollten jedoch mit Bedacht verwendet werden, da jeder Einsatz resistente Unkräuter fördern kann. Wenn die Mittel nicht mehr wirken, muss die Herbizidbehandlung intensiviert werden. Dennoch können Ertragsrückgänge auftreten, wenn die Behandlung nicht mehr wirkt.
So erging es auch Wilhelm Heine. Eines Tages wirkte das Herbizid Atlantis nicht mehr gegen den Ackerfuchsschwanz. Eine Laboruntersuchung bestätigte die Resistenzentwicklung. Bundschuhs Rat folgend bringt der Landwirt die Herbizide seitdem stets in der höchsten Aufwandmenge aus – am besten morgens oder abends bei hoher Luftfeuchtigkeit. „Ich sage mir immer: Lieber eine Behandlung richtig, als zwei Mal halb!“, betont Pflanzenschutzexperte Bundschuh. Immer weiter reduzierte Aufwandmengen förderten das Resistenzproblem nur.
Die Fruchtfolge nutzen
Die Entwicklung einer resistenten Unkrautpopulation lässt sich vermeiden oder verlangsamen, wenn die herbiziden Wirkmechanismen über die gesamte Fruchtfolge rotiert werden. Im Fall einer getreidelastigen Fruchtfolge wie bei Wilhelm Heine empfiehlt die DLG einen Wechsel zwischen ACCase- und ALS-Hemmern zur Bekämpfung des Ackerfuchsschwanzes. Beide Wirkstoffgruppen sollten maximal die Hälfte der Anwendungen über die Fruchtfolge ausmachen.
Damit das gelingt, braucht es eine vielfältige Fruchtfolge, die Sommerung und Winterung sowie Getreide und Blattfrucht abwechselt. In Versuchen trat in Fruchtfolgen mit über 30 Prozent Sommerungen kein resistenter Ackerfuchsschwanz auf. Ohne Sommerungen entwickelte der Ackerfuchsschwanz dagegen auf 40 Prozent der Schläge Resistenzen. Ein Drittel Sommerungen in der Fruchtfolge gelten daher als empfehlenswert, um das Resistenzrisiko deutlich zu senken.
In den vergangenen Jahren wurden die Fruchtfolgen jedoch immer weiter verengt. Auch Wilhelm Heine baute früher konsequent Getreide und Raps an. Inzwischen wechselt er häufiger zwischen Winterung und Sommerung ab. Hin und wieder baut er eine Blattfrucht oder Mais ein, um den Anteil an Wintergetreide in der Fruchtfolge zu reduzieren. Dadurch konnte er die Herbizid-Wirkstoffgruppen konsequenter abwechseln und schaffte bessere Bedingungen für eine diverse Unkrautflora.
Finanziell lohnende Sommerfrüchte zu finden, war nicht einfach. Dieses Jahr setzt er auf Sommerdinkel, den er gut verkaufen kann. Auch Kartoffeln würden sich gut in der Fruchtfolge machen, passen aber nicht zum Betrieb. „Wenn es nicht passt, baut man das ja nicht an, nur um den Ackerfuchsschwanz in den Griff zu bekommen“, erklärt Bernhard Bundschuh. Für Wilhelm Heine passt eine Kultur zum Betrieb, wenn er sie verkaufen oder an seine 200 Mutterschweine verfüttern kann.
„Eigentlich müsste Herr Heine für einen nachhaltigen Effekt mindestens vier Jahre Kleegras auf der Fläche anbauen. Aber was soll er damit anfangen? Er muss ja auch ökonomisch denken“, erklärt der Pflanzenschutzexperte. Die resistenz-vorbeugenden Maßnahmen gebe es schließlich nicht zum Nulltarif. Für die konkrete Umsetzung auf dem Betrieb und das Finetuning braucht es Köpfchen.
Bodenbearbeitung ist wichtig
„Die Fruchtfolge ist der erste Punkt im Resistenzmanagement, die Bodenbearbeitung der zweite“, erklärt der Pflanzenschutzexperte vom LTZ. Wer den Boden vor der Saat noch einmal bewegt, könne schon viel erreichen – sei es mit der Saategge, dem Pflug oder dem Striegel. Denn der Ackerfuchsschwanz keimt nur nah an der Bodenoberfläche. Wird er vom Pflug vergraben, kann er nicht mehr auflaufen.
Den Pflug setzt Wilhelm Heine zugunsten der Scheibenegge inzwischen nur noch im Turnus von zwei bis drei Jahren ein. „Mit der Egge geht es schneller. Und die Minimalbodenbearbeitung verringert gegenüber dem Pflug die Wasserverdunstung“, erklärt er.
Bewährt hat sich auch das falsche Saatbett. Nach jeder Ernte macht der Landwirt eine Blindsaat: Immer wieder bewegt er den Boden ein wenig, um das aufgelaufene Unkraut zu vernichten – alle drei Wochen von der Stoppelernte bis zur Aussaat. So laufen die Unkrautkeimlinge vor der Kulturpflanze auf und können bekämpft werden.
Spät säen ist Trumpf
Mit dem gleichen Ziel wird empfohlen, Wintergetreide bei Problemen mit dem Ackerfuchsschwanz möglichst spät zu säen. „Eigentlich sagt man, dass es ausreicht, den Saattermin auf Mitte bis Ende September zu verschieben. Aber in der Praxis sieht das oft nicht so aus“, bemerkt Bernhard Bundschuh. Das nimmt sich auch Wilhelm Heine zu Herzen. 2020 säte er noch in der letzten Oktoberwoche Dinkel aus. „Da war es schon ziemlich nass“, bemerkt er. „Ich muss immer einen Kompromiss finden. Spät säen, aber nicht zu spät, sonst komm ich nicht mehr auf die Flächen.“
Im letzten Winter schädigten Kahlfröste den Dinkel so stark, dass Heine im Frühjahr mit Sommerdinkel nachsäen musste. Die Lücken im Bestand boten dem Ackerfuchsschwanz beste Aufwuchsbedingungen. Schon von weitem erkennt man den lindgrünen Schleier, der vom Ungras zwischen den Dinkelreihen herrührt. Der Landwirt hofft nun auf Regen, damit der Dinkel schnell wachsen und mit dem Fuchsschwanz konkurrieren kann.
Je dichter das Blatt- und Wurzelwerk der Kulturpflanze, desto besser kann sie sich gegen die Konkurrenz durchsetzen. Deshalb beeinflussen auch die Bestandesdichte und die Sorte das Unkrautaufkommen.
Kein Licht für den Ackerfuchsschwanz
Wilhelm Heine hat die Erfahrung gemacht, dass Zwischenfrüchte und Untersaaten den Ackerfuchsschwanz zusätzlich eindämmen. Am besten waren Gemenge, die schnell beschatten. Das will der Landwirt nun wieder verstärkt nutzen. In den nächsten Raps soll eine Untersaat aus Wicke und Alexandrinerklee eingesät werden. Das hat auf dem Betrieb schon einmal gut funktioniert. „Im Frühjahr muss man aber unbedingt kontrollieren, ob wirklich alle Pflanzen über den Winter abgefroren sind und sie gegebenenfalls abspritzen“, erwähnt Bernhard Bundschuh. Auf diese Weise spare man eine Herbizidbehandlung im Herbst und profitiere zusätzlich vom Stickstoff, den die Zwischenfrucht fixiert hat.
Zukunftsweisende Technik
Was zukünftig außerdem zur Vermeidung von Resistenzen beitragen könnte, ist präzisere Spritztechnik. Wilhelm Heine ersetze vergangenes Jahr seine 30 Jahre alte Spritze durch eine neue (Qverneland mit 1300 l und 600 l Fronttank). Nun kann er nicht nur die günstige Witterung in der Nacht zum Spritzen nutzen, weil das Gerät GPS-Daten ablesen kann. „Ich kann auch höhere Aufwandmengen fahren und bin trotzdem noch flächenstark“, ist der Ackerbauer begeistert. Statt 1000 Liter hat er jetzt 2000 Liter Spritzmittel mit dabei. So muss er seltener auf die Fläche fahren. „Ich gehe davon aus, dass wir in Zukunft noch viel präziser arbeiten können. Die Spritze weiß dann selbst, was man an welcher Stelle braucht“, ist er überzeugt.
Was sich bewährt hat
In der Kombination aus später Saat, mechanischer Unkrautbeseitigung und abwechslungsreicher chemischer Bekämpfung sieht Wilhelm Heine ein wirkungsvolles Trio. Die Mühen der vergangenen Jahre tragen Früchte: Die Probleme mit dem resistenten Ackerfuchsschwanz sind deutlich weniger geworden – da sind sich Heine und Bundschuh einig.
Natürlich sollten alle Maßnahmen gut aufeinander abgestimmt und zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden. Dafür braucht es einen entscheidenden Schritt: Der vor die Tür und ins Feld. „Ich bin jetzt wieder konsequenter draußen in der Kultur und schaue, was nötig ist und wann man es machen sollte“, verrät Wilhelm Heine.
Auf einen Blick
Das Resistenzmanagement beim Ackerfuchsschwanz basiert auf vier Stellschrauben:
- Rotation der Herbizidwirkstoffgruppen
- Vielfältigere Fruchtfolgen
- gezielte Bodenbearbeitung
- spätere Saat von Wintergetreiden