Im John Deere Werk in Mannheim herrscht geschäftiges Treiben. Auf einem Fließband, das sich durch die gesamte Produktionshalle schlängelt, bewegen sich Traktoren im Rohbau von einer Montagestation zur nächsten. Mit jedem Schritt wachsen sie von einer Plattform mit Rahmen zu einem kompletten Traktor mit Kabine, Motorhaube, Reifen und Beleuchtung. In der Mitte ihres Weges führt das Fließband die Traktoren seit einigen Monaten durch einen großen Torbogen. Blaue Lichter auf dem Boden markieren hier den Beginn des Arbeitsbereichs einer der neuesten Errungenschaften der Qualitätssicherung – des SkyHawk.
Hinter dem heroischen Namen verbirgt sich ein Hightech-Kamerasystem, das auf einem 6-Achs-Roboter montiert ist. Dieses prüft die Traktoren auf Herz und Nieren, bevor sie in den nächsten Stationen mit Kabine, Motorhaube und anderen Komponenten versehen werden.
Ein scharfes Auge
50 Prüfpunkte fährt die SkyHawk-Kamera innerhalb von 3 Minuten an und vergleicht den Zustand des Traktors mit gespeicherten Bildern des Sollzustands.
Streben nach Perfektion
Die höchstmögliche Qualität der gefertigten Traktoren ist für alle Mitarbeitenden im Werk in Mannheim eines der wichtigsten Ziele. Linus Baumhauer, Werkleiter in Mannheim erklärt: „Mit dem Projekt SkyHawk bringen wir den Grundgedanken der für unsere Kunden entwickelte See-and-Spray-Technologie in unsere eigene Fertigung. Während es bei den Landwirten darum geht, Pflanzenschutzmittel nachhaltige und zielgerichtete auf dem Feld auszubringen, hilft SkyHawk uns dabei, Abweichungen in der Produktion früh zu erkennen und zu vermeiden.
SkyHawk hilft uns dabei, Abweichungen in der Produktion früh zu erkennen und zu vermeiden.
Linus Baumhauer
Ziel des Projektes ist es, menschliche Bewegungsabläufe mit Hilfe eines Roboters abzubilden sowie Montageergebnisse mittels industrieller Bildverarbeitung zu erkennen und zu interpretieren. Dadurch können wir einerseits unsere Werker entlasten und andererseits die Qualität unserer Produkte vollautomatisch überwachen.“
Für das Konzept und den Aufbau des SkyHawk-Systems ist Tobias Trunk, Factory Automation Lead in Mannheim, verantwortlich. Gemeinsam mit seinem Team musste er zunächst eine Lösung finden, um das Inspektionssystem nahtlos in die über Jahre gewachsene Fabrikstruktur in Mannheim zu integrieren. „Es gibt weltweit nur wenige vergleichbare Systeme. Und die sind alle parallel zur Montagelinie aufgebaut – das reduziert die Komplexität, weil der Roboter die Kamera so leichter an alle Stellen des Fahrzeugs bringen kann. Diese Art der Montage war bei uns aber nicht möglich, weil der Platz nur eine Portalanlage zulässt, die quer zur Fertigungslinie über den Traktoren arbeitet.“
Um herauszufinden, wie die Anlage funktionieren könnte, bauten Trunk und sein Team zunächst einen vollständig digitalen Prototypen des Systems, mit dem sie das Konzept gründlich überprüften. In einem zweiten Schritt bauten sie das System in einer leeren Halle auf dem Mannheimer Werksgelände auf. „Vor allem bis Hard- und Software wirklich Hand in Hand arbeiten, mussten wir einige Hürden nehmen. Schließlich müssen wir am Ende eine große Variantenvielfalt abbilden und prüfen können“, erzählt Trunk.
Aufbau mit Deadline
Der Weg, den die Kamera um das jeweilige Traktormodell fährt, ist von den Experten genau programmiert, ebenso die Prüfpunkte, an denen die Kamera kurz anhalten muss. Grundlage dafür sind digitale Modelle der Traktoren: Die Kamera fliegt im Live-Betrieb also nicht den physischen Traktor vor sich ab, sondern einen digitalen „Mantel“, der sich über die Maschine legt. Die Information, welches Modell in welcher Konfiguration geprüft werden soll, erhält SkyHawk über einen RFID-Chip im Tankdeckel des Traktors, der diese Information trägt.
Nachdem das Team viele Teststunden absolviert und viele Codezeilen programmiert hatte, war der SkyHawk bereit für den Einsatz in der realen Produktion. Für die Installation des Systems in die Produktionslinie stand ein festes Zeitfenster von 14 Tagen während der Betriebsferien im Mannheimer Werk zur Verfügung. Konzentriert und eingespielt baute das Team in dieser Zeit das SkyHawk-System in der Testhalle ab und in der Traktorenproduktion auf. „Das war noch einmal eine sehr intensive Zeit für uns alle“, erinnert sich Tobias Trunk. „Aber weil wir alle hervorragend als Team zusammengearbeitet haben, stand das System und war live, bevor die Produktion nach der Betriebsruhe wieder losging.“
SkyHawk ist gelandet
Während der 14-tägigen Betriebsferien im Mannheimer Werk wurde das SkyHawk-System eingebaut und in Betrieb genommen.
Teamarbeit zwischen Menschen und Maschine
In den ersten Stunden und Tagen des SkyHawk-Einsatzes waren Trunk und sein Team ständig zur Stelle, um bei Startschwierigkeiten schnell Abhilfe zu schaffen und eventuelle Kinderkrankheiten zu beseitigen. Mittlerweile ist das System seit einigen Monaten im Einsatz. Es hat sich bewährt und auch die Zusammenarbeit mit den menschlichen Kollegen hat sich eingespielt. In jedem Produktionsbereich gibt es inzwischen einen festen „Springer“, der eine Smartwatch am Handgelenk trägt. Sobald SkyHawk eine Unregelmäßigkeit feststellt, analysiert das System in Echtzeit, welcher Produktionsbereich das Problem beheben kann. Der Springer aus diesem Bereich erhält dann einen Alarm auf seine Smartwatch, die direkt anzeigt, was genau anders ist, als es sein sollte. So kann er sich direkt zur SkyHawk-Station begeben und das Problem beheben, bevor es weitere Probleme verursacht.
Tobias Trunk ist zufrieden: „Das SkyHawk-Projekt zeigt, wie wir technische Systeme einsetzen und in unsere Produktion integrieren können, die die Qualität unserer Traktoren weiter verbessern und gleichzeitig die Aufgaben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier im Werk unterstützen. So funktioniert sinnvolle Automatisierung.“