Grüner Roll­mops im großen Stil

Roll­rasen steht eher für perfekte Mono­tonie als für Viel­falt. Für Ute und Cord Matthies spielt er trotzdem eine wich­tige Rolle in der Weiter­ent­wick­lung ihres Betriebes. Mit einem breiten Port­folio haben sie sich eine gewisse Unab­hän­gig­keit geschaffen.

Der Roll­rasen von Ute und Cord Matthies liegt deutsch­land­weit in vielen Gärten und Parks. Kulti­viert wird das Spezi­al­pro­dukt seit mehr als 15 Jahren im nieder­säch­si­schen Wenzen­dorf (Land­kreis Harburg) auf ihrem Acker. Zwar ist der Arbeits- und Produk­ti­ons­auf­wand groß und die Lern­kurve, die sie durch­schritten haben, noch größer, doch ist der Roll­rasen inzwi­schen eine wich­tige Einnah­me­quelle ihres Betriebes.

Präzi­sion beim Rasen schälen

Auf mitt­ler­weile rund 125 ha wird der sensible „Instant-Rasen“ heran­ge­zogen. Ein großes Rasen­feld liegt direkt gegen­über des tradi­ti­ons­rei­chen Hofs, auf dem die vorhe­rige Gene­ra­tion noch Mast­bullen hielt. Während die eine Hälfte schon abge­erntet erdig-nackt vorliegt, wird auf der anderen Hälfte, die aussieht wie ein super gepflegter Golf­platz, noch geerntet. „Wir schälen immer“, erklärt Cord Matthies den Ernte­vor­gang.

In 40 cm breiten Streifen wird der Rasen maschi­nell geschält.

Die von einem Traktor gezo­gene Schäl­ma­schine schneidet den Rasen unter­halb der Wurzel mit knapp 2 cm Boden behaftet in 40 cm Breite ab. Der geschälte Rasen wird samt Boden über ein Förder­band und einen sich drehendem Zylinder zusam­men­ge­rollt. Nach 2,50 m Länge wird das Rasen­stück abge­schnitten – exakt 1 m2 groß. Ein hinter der Maschine stehender Ernte­ar­beiter legt die fertige Rolle auf eine Palette. Rund 18 kg wiegt der grüne Roll­mops. Auf den Hof trans­por­tiert wird das Spezi­al­pro­dukt anschlie­ßend versand­fertig verpackt: Von Folie umwi­ckelt verlassen die einzelnen Chargen in nur wenigen Stunden den Hof.

22 Arbeits­schritte von der Aussaat bis zur Liefe­rung

„Wir müssen sehr flexibel sein. Wir wissen morgens noch nicht, was wir abends verkauft haben werden“, sagt Matthies. Die Nach­frage schwanke sehr. „Manchmal brau­chen wir für die Tages­pro­duk­tion nur vier Mitar­beiter, doch während der Saison müssen manchmal zwölf Mann mit anpa­cken, um alle Aufträge inner­halb von 24 Stunden abwi­ckeln zu können.“ Dabei steht das Ernten nur am Ende eines langen Produk­ti­ons­pro­zesses, der von der Aussaat bis zur Liefe­rung 22 Arbeits­schritte umfasst.

Zudem ist nach der Ernte vor der Ernte: Während auf der einen Seite noch geschält wird, verteilt man auf der abge­ern­teten Fläche getrock­nete Gärreste aus einer benach­barten Biogas­an­lage vermischt mit Rasen­schnitt. Danach wird gegrub­bert, gepflügt, das Saat­bett sorg­fältig von Steinen gerei­nigt, das Terrain gefes­tigt, gefräst und noch einmal fein planiert. Erst dann wird mit einer pneu­ma­ti­schen Säma­schine die Rasen­saat in die Krume einge­bracht. Die Betriebs­in­haber verwenden die Typen Gebrauchs-, Sport- sowie schatten- und sonnen­to­le­ranter Premium-Rasen.

Walzen, Strie­geln, Pflan­zen­schutz­maß­nahmen, Düngen und über 100 Mal mähen folgen. Je nach Wetter­lage wird pro Produk­ti­ons­zy­klus der Rasen­schnitt unge­fähr 30 Mal abge­sogen. Er landet dann entweder in einer Biogas­an­lage oder wird direkt auf abge­schälten Flächen verteilt.

Wir müssen sehr flexibel sein. Wir wissen morgens noch nicht, was wir abends verkauft haben werden.

Cord Matthies

Etwa 18 Monate dauert ein Produk­ti­ons­zy­klus. Verliert der Acker dabei auf Dauer nicht an Substanz? Schrumpft der Humus­ge­halt? Der Experte schüt­telt vehe­ment den Kopf. „Nein, wir ernten auf einigen Schlägen seit mehr als zehn Jahren Roll­rasen und achten darauf, dass der Boden nicht durch unser Produk­ti­ons­ver­fahren ausge­laugt wird. Wir schä­digen uns doch selbst, wenn wir den Humus wegtragen würden. Daher geben wird dem Boden so viel zurück, wie wir wegnehmen“, erklärt Matthies seinen Kreis­lauf­ge­danken.

So ist der Roll­rasen aus Wenzen­dorf letzt­lich ein nach­wach­sender Rohstoff. Aller­dings ein sehr sensi­bler, der nach der Ernte, ange­kommen beim Kunden, einer sorg­fäl­tigen Weiter­pflege bedarf, soll er tatsäch­lich dauer­haft anwachsen. Weil dies jedoch oft unter­schätzt wird, bieten Cord und Ute Matthies ihren Kunden gleich eine fach­liche Betreuung an, die auch den Verkauf von Dünger­pro­dukten und den Vertrieb von Maul­wurf­schutz­netzen einbe­zieht.

Schon vor über fünf­zehn Jahren ist Land­wirt Cord Matthies in die Roll­ra­sen­pro­duk­tion einge­stiegen.

Eine „Rolle Rasen“ hat eine Fläche von einem Quadrat­meter , wie Ute Matthies erklärt.

Von der Aussaat bis zur Ernte dauert es rund 18 Monate bis der Roll­rasen fertig ist.

Die von einem Traktor gezo­gene Schäl­ma­schine schneidet den Rasen unter­halb der Wurzel mit knapp 2 cm Boden ab.

Unab­hän­gig­keit durch Viel­falt

Doch der Roll­rasen ist bei Weitem nicht das einzige Produkt, auf das sich die Familie Matthies verlässt. Markt­ori­en­tiert denkend, setzen sie mit ihrem rund 600 ha großen Acker­bau­be­trieb auf ein breites Anbau­spek­trum. Genauso viel Umsatz wie mit Roll­rasen macht ihr Agrar­be­trieb mit Weih­nachts­bäumen. Daneben kulti­vieren sie Kartof­feln, Zucker­rüben und Getreide. „Wer viel­fältig ist, ist nicht abhängig von einer Frucht, einer Kultur, einem Spezi­al­pro­dukt“, unter­streicht Ute Matthies, „Wenn ein Segment kriselt, fangen anderen Bereiche dies zumeist auf.“ Außerdem bringt die Viel­falt auch arbeits­wirt­schaft­liche Vorteile. „Mit den unter­schied­li­chen Kulturen fallen über das ganze Jahr verteilt Arbeiten an, sodass wir relativ konstant unsere 15 festen Mitar­beiter und 15 Saison­kräfte beschäf­tigen können“, sagt ihr Mann.

Die Vermeh­rung von auto­chthonen, so genannten gebiets­ei­genen Wild­blumen ist ein weiterer Betriebs­zweig für die Zukunft.

Die Weihnachts­baum­saison beginnt im Oktober, der Form­schnitt erfolgt im Winter und der Terminal­schnitt liegt im Früh­jahr. Auf­bereitung und Ver­marktung der Kar­toffeln fallen in Januar und Februar sowie Mai und Juni an. Im Sommer steht daher „nur“ die Getreide­ernte an, sodass die meisten Mit­arbeiter in dieser Zeit ihren Jahres­urlaub nehmen. Im Herbst geht es weiter mit der Kartoffel­ernte, der Zucker­rüben­kampagne und der Topf­baum­produktion. Schließ­lich folgt der Einschlag der Weihnachts­bäume im November und Dezember, während sich die Arbeiten für den Roll­rasen über das ganze Jahr ziehen.

Dies alles klappt so gut, weil die festen Mitar­beiter das Rück­grat des Betriebes sind. „Ohne ihren Einsatz, ihr Fach­wissen, ihren Erfah­rungen und ihre Flexi­bi­lität wäre ein solcher Gemischt­wa­ren­laden nicht möglich“, betont das Ehepaar. Das Team wird von polni­schen Saison­mit­ar­bei­tern komplet­tiert, die seit vielen Jahren im Betrieb beschäf­tigt sind.

Den Betrieb für die Zukunft aufge­stellt

Vor sieben Jahren hat Familie Matthies, nicht zuletzt mit der Perspek­tive, dass zwei ihrer drei Töchter in den Betrieb einsteigen wollen, ange­fangen, einen weiteren Betriebs­zweig zu entwi­ckeln: Die Vermeh­rung von auto­chthonen, so genannten gebiets­ei­genen Wild­blumen. So wird es in Wenzen­dorf mit Sicher­heit auch weiter­gehen, falls der Zeit­geist keine Weih­nachts­bäume oder Roll­rasen mehr braucht. Dann kommt eben wieder etwas Neues. Viel­leicht Torf­moos, viel­leicht Ginseng oder eine Kurzum­triebs­plan­tage.

Roll­rasen kompakt

In Deutsch­land wird auf rund 2.800 ha Roll­rasen produ­ziert. Rund 75 Betriebe, die über Anbau­flä­chen von 0,5 bis 200 ha verfügen, sind an der Produk­tion betei­ligt; davon sind 45 im Deut­schen Roll­rasen Verband orga­ni­siert. Dessen Vorsit­zender Thomas Büchner geht davon aus, dass die Branche rund 1.000 Beschäf­tigte zählt. Der Umsatz liegt bei jähr­lich etwa 500 Millionen €. Weshalb sich das Produkt stei­gender Beliebt­heit beim Kunden erfreut? „Weil der Roll­rasen im Gegen­satz zur Ansaat bequem ist, er bedarf weniger Aufwand und steht einfach schneller zur Verfü­gung“, meint Büchner.