Grünes Gold

Kürbis hat eine lange Tradi­tion in der Stei­er­mark. Nun macht die Frucht mit dem Öl aus ihren Kernen auch inter­na­tional Karriere. Davon profi­tieren Land­wirte und Region.

Kürbisse schwaden? Dreschen? Kaum zu glauben, aber genau das prak­ti­zieren die Steirer, um an das Kernöl heran­zu­kommen, das die Küchen­kultur einer ganzen Region prägt. So auch Land­wirt Alois Thier im Örtchen Ober­lamm. Vor seinem Traktor hat der Öster­rei­cher eine schnee­pflug­ar­tige Vorrich­tung montiert, mit der er die reifen Kürbisse, fast versteckt unter Knöte­rich, „Stolzen Hein­rich“ und Melde, im sonnigen September in Reihen zusam­men­schiebt. Geerntet werden die gelb-prallen, fußball­großen Früchte anschlie­ßend von einem Voll­ernter oder von einer von einem Traktor gezo­genen Ernte­ma­schine. In beiden Fällen piekst eine igel­ar­tige Stachel­walze die auf dem Boden liegenden Früchte auf. Eine Zerreiß­trommel zermatscht die Kürbisse, so dass die Kerne in einer Sieb­trommel, unter­stützt von Bürsten und pneu­ma­ti­scher Absau­gung, vom Frucht­fleisch getrennt werden. Eine Schnecke beför­dert die glit­schigen Kerne schließ­lich in den Tank. Das zerklei­nerte Frucht­fleisch landet wieder auf dem Acker.

Für den Drusch werden die Ölkür­bisse maschi­nell in Reihen zusam­men­ge­schoben.

Voll­ernter für die Kürbis­ernte sind rar. Es gibt nur sechs Exem­plare, die vom Lohn­un­ter­nehmer Karl Wilfing aus Groß­stein­bach in mühe­voller Pionier­ar­beit konstru­iert und aus einem Mähdre­scher umge­baut worden sind. Vorteil­haft bei dieser Methode ist das schnel­lere ernten. Ohnehin ist die Zeit der manu­ellen Entker­nung – wie sie früher gang und gäbe war – vorbei. Nur noch ganz wenige Steirer üben diese Hand­ar­beit auf kleinen Parzellen aus.

Den rich­tigen Zeit­punkt für die Ernte finden

Dagegen ist heute Eile geboten, wenn im süd- und südwest­li­chen Teil der Stei­er­mark auf mehr als 8.000 ha die Ölkür­bisse gelb werden. Weisen doch die strah­lenden Farb­tupfer im Land der Kürbisse daraufhin, dass die nötige Reife erreicht ist, um das „grüne Gold“ in den Kernen zu ernten. „Um den rich­tigen Ernte­zeit­punkt zu treffen, braucht man ein gutes, erfah­renes Händ­chen. Wenn Du zu früh erntest, gibt es ein Problem mit der Ölqua­lität, wenn Du zu spät bist, läufst Du Gefahr, dass die Frucht schnell fault“, sagt Rein­hold Pucher vom Arbeits­kreis Ackerbau der Land­wirt­schafts­kammer Stei­er­mark. „Außerdem gibt es keine Frucht, die so witte­rungs­ab­hängig ist“, fügt er hinzu. So mag sie keine Kälte im Früh­jahr, leidet oft unter Trocken­heit im Sommer, während sich Regen bei der Ernte schnell negativ auf die Qualität auswirkt.

Um den rich­tigen Ernte­zeit­punkt zu treffen, braucht man ein gutes, erfah­renes Händ­chen.

Rein­hold Pucher

Nach dem „Dreschen“ muss der Kürbis­kern inner­halb von wenigen Stunden von maximal 60 % Wasser­ge­halt auf 6 bis 8 % Feuch­tig­keit getrocknet werden. „Daran, wie der Kürbis­kern knickt, weiß ich, welchen Feuch­tig­keits­grad er hat“, weiht Karl Höfler, Mühlen­be­treiber in Kain­dorf, ins sensible Hand­werk ein. „Wenn sich der Kern bei der Brech­probe zu sehr dehnt, statt zu brechen, dann ist er zu feucht“, erklärt er vor einer auf 130 °C erwärmten Wanne stehend, in der fein gemah­lene Kürbis­kerne mit Wasser und Salz zu einem grünen Brei geknetet und sanft geröstet werden. Danach kommt der Brei in die Presse, aus der das domi­nant schme­ckende Öl fließt. Die Farbe ist unter­schied­lich: Das Kernöl hat zwar einen dunkel-rötli­chen Ton, wirkt jedoch hell­grün, wenn es dünn drapiert wird.

Von der Wurzel bis zur Frucht rangt der Stengel lang gestreckt über dem Boden.

Ein Augen­schmaus: reife Früchte zuhauf.

Das wert­volle Öl befindet sich in den Kernen.

Früher üblich, heute nur noch eine Ausnahme ist die Ernte mit der Hand.

Kürbis­pro­dukte als sichere Einnah­me­quelle

Falls das Aroma ihres Kürbis­kernöls in dieser Saison nur annä­hernd so gut gerät wie ihre selbst­ge­ba­ckenen Topf­en­ta­scherln schme­cken, dann werden Monika und Johannes Klein ihr Regio­nal­pro­dukt wieder ohne große Mühe direkt vermarkten. Das junge Paar bewirt­schaftet in der stei­ri­schen Gemeinde Gnas in 400 m Höhe einen Neben­er­werbs­be­trieb. Ihr Hof mit altem Obst­garten, in der Flieder, Birne, Pfir­sich, Walnuss und Apfel­bäume stehen, liegt am Kamm einer klein­tei­ligen, hüge­ligen Land­schaft.

Johannes Klein baut auf 1,5 ha Kürbisse an.

Die Kleins bauen seit rund 10 Jahren auch Kürbisse an. „Die Kürbisse machen nur einen geringen Teil unseres Umsatzes aus“, erklärt Johannes Klein, der als jüngster von sieben Kindern den Betrieb von seinen Eltern über­nahm und bei der Land­wirt­schafts­kammer haupt­be­ruf­lich beschäf­tigt ist. „Dennoch ist die Frucht für uns eine sichere, weitere Einnah­me­quelle mit hoher Wert­schöp­fung.“ Während Ernte, Pres­sung und Abfül­lung in Lohn­ar­beit erfolgen, prak­ti­zieren die Kleins, nachdem sie sich für den eigenen Verbrauch 10 l Öl abzweigen, die Direkt­ver­mark­tung unter der Marke „100 % stei­ri­sches Kürbis­kernöl g. g. A.“.

Eindeu­tiger Herkunfts­nach­weis

Rund 3.000 Land­wirte, kulti­vieren in der Stei­er­mark Kürbisse. Mindes­tens 75 % von ihnen sind in der Gemein­schaft Stei­ri­sches Kürbis­kernöl „geschützte geogra­fi­sche Angabe“, kurz g. g. A., vereint. Zudem sind 30 Mühlen, in denen gepresst wird, vertreten. Mit Argus­augen wachen die Mitar­beiter der Gemein­schaft Stei­ri­sches Kürbis­kernöl g. g. A. darauf, dass die stei­ri­sche Herkunft immer eindeutig nach­weisbar ist und darüber hinaus die Quali­täts­kri­te­rien einge­halten werden. Erst dann darf der Produ­zent die Bande­role mit dem Vermerk g. g. A. auf den Flaschen­hals kleben.

Die Farbe des Öls schim­mert von schwarz-grün bis zart oliv­grün.

Für Andreas Cretnik, den Geschäfts­führer der Gemein­schaft, ist die regio­nale Herkunft, gekop­pelt mit der lokalen Kompe­tenz, für das Image des stei­ri­schen Kürbis­kernöls unver­zichtbar. Für ihn liegt darin der Schlüssel für die weitere Entwick­lung des wert­vollen Regio­nal­pro­dukts: „Unser Erfolg beruht zu 50 % auf einer guten land­wirt­schaft­li­chen Praxis, insbe­son­dere in der Ernte­zeit. Daneben ist eine fach­ge­rechte Hand­habe beim Trocknen, Rösten und Pressen der Kerne wichtig, der Rest ist Marke­ting.“

Der Geschäfts­führer erwartet für die Zukunft ein jähr­li­ches Wachstum von 5 %. Tatsäch­lich greifen vor allem im Ausland – in Deutsch­land, Frank­reich und in der Schweiz – immer mehr Konsu­menten zum „grünen Gold“ aus der Stei­er­mark. Um den Erfolg nach­haltig zu sichern, schwebt Cretnik ein lupen­reiner trans­pa­renter Herkunfts­nach­weis vor: „Momentan gibt es drei verschie­dene Methoden, welche jeweils nur Teil­ergeb­nisse liefern.“ Erklärtes Ziel ist nach seinen Worten, dass anhand einer Ölprobe genau fest­ge­stellt werden kann, an welchem Ort und auf welchem Boden die Kürbisse gewachsen sind, die das unter­suchte Öl liefern. Denn Trans­pa­renz sei in Zeiten wieder­keh­render Lebens­mit­tel­skan­dale unge­mein wichtig.

Ein jähr­li­ches Cham­pionat, bei dem Spit­zen­köche die besten Anbauer und Verar­beiter unter großer Medi­en­prä­senz prämieren, lenkt den Blick auf die Kürbisse. Gerne verweist der Experte auch auf die Allergen-Frei­heit des Kürbis­kernöls, ist doch der Zusatz von künst­li­chen Zusatz­stoffen ein Tabu.

Ein Blick in die Produk­tion der Firma Steir­kraft.

Typi­sche Ernte­szene im September: Die reifen Früchte liegen in Reihen.

Kürbis braucht guten Boden

Nun gut, Trom­meln gehört zum Geschäft. Die Land­wirte, die den Kürbis in ihre Frucht­folge inte­grieren, freut es, denn eine höhere Bekannt­heit des Produkts auch jenseits der Grenzen, bedeutet letzt­lich mehr Nach­frage. Aller­dings ist das Gurken­ge­wächs kein acker­bau­li­cher Selbst­läufer. Der Kürbis braucht einen guten, nähr­stoff­rei­chen Boden und die Konkur­renz von Kräu­tern und Gräsern ist groß.

Miss­lich ist zudem, dass der Mais­wur­zel­bohrer sich von den Kürbis­blüten ernährt und so den nach­fol­genden Mais bedroht. Ein massives Problem, für das es noch keine Lösung gibt. Dennoch: Die stei­ri­schen Land­wirte setzen auch weiterhin auf ihren Kürbis und dem daraus gewon­nenen Spei­seöl. Eine Frucht, die regio­nale Iden­tität stiftet und oben­drein ein unver­wech­sel­barer Geschmacks­bot­schafter der Stei­er­mark ist.

18.000 Pflanzen/ha

Der Ölkürbis braucht einen guten Boden und viel Wärme. Auf 1 ha gedeihen bei einem Reihen­ab­stand von 70 cm rund 18.000 Pflanzen. Die frost­emp­find­liche Saat wird in 3 cm Tiefe abge­legt; rasch verfüg­barer Stick­stoff ist zu Beginn des Wachs­tums wichtig. Kräuter und Gräser konkur­rieren in der Regel hart­nä­ckig mit der Gurkenart. In normalen Jahren ist eine Kürbis­ernte von etwa 50 dt/ha zu erwarten. Das ergibt rund 500 kg Kerne, die bei einem Ölge­halt von 40 % etwa 200 l Öl/ha liefern. Der Preis für 1 l abge­fülltes Kürbis­kernöl liegt derzeit bei etwa 17 €.