„Ziel ist die Rege­ne­ra­tion von Böden und Ökosys­temen an der Boden­ober­fläche“

Prof. Jean-Pierre Sarthou ist Spezia­list für agro­öko­lo­gi­sche Systeme und Dozent an der École Natio­nale Supé­ri­eure Agro­no­mique de Toulouse (Ensat). Mit „Flur & Furche“ spricht er über die Defi­ni­tion der rege­ne­ra­tiven Land­wirt­schaft und ihre Zukunfts­aus­sichten.

Herr Sarthou, woher kommt das Konzept „rege­ne­ra­tive Land­wirt­schaft“?

Der Begriff wurde erst­mals in den 1980er Jahren vom Rodale Insti­tute, einem privaten Forschungs­zen­trum für ökolo­gi­schen Landbau, in den USA genutzt. Anfangs war die rege­ne­ra­tive Land­wirt­schaft tatsäch­lich eine Strö­mung inner­halb der biolo­gi­schen Land­wirt­schaft.

Wie ist es heute defi­niert?

Wie auch die soge­nannte konser­vie­rende Land­wirt­schaft („Conser­va­tion Agri­cul­ture“) zielt das Konzept der rege­ne­ra­tiven Land­wirt­schaft darauf ab, den Boden durch die Mini­mie­rung von Störungen zu rege­ne­rieren. Außerdem will sie auch Ökosys­tem­funk­tionen an der Boden­ober­fläche wieder­her­stellen, um Nütz­linge zu begüns­tigen. In der Praxis bleibt die Defi­ni­tion jedoch vage. Es gibt keinen wissen­schaft­li­chen Konsens oder Vorgaben, welche die Etablie­rung eines Labels ermög­li­chen würden.

Kann dies ein Problem bei der Skalie­rung darstellen?

Große indus­tri­elle Agrar- und Lebens­mit­tel­un­ter­nehmen sind dabei, sich dieses „Rege­ne­ra­ti­ons­nar­rativ“ im großen Stil anzu­eignen, weil es ein sehr gutes Verkaufs­ar­gu­ment darstellt. Darüber kann man sich nur freuen. Dies wird vielen Land­wirten ermög­li­chen, ihre Anbau­prak­tiken zum Wohle ihrer Böden zu ändern. Ande­rer­seits bereitet mir die Unschärfe des Konzepts bei der prak­ti­schen Umset­zung schon einige Sorgen. Es besteht die Gefahr einer mangelnden Unter­stüt­zung seitens der Verbrau­cher.

Durch die Unschärfe des Konzepts der rege­ne­ra­tiven Land­wirt­schaft besteht die Gefahr, dass die Verbrau­cher diese weniger unter­stützen.

Prof. Jean-Pierre Sarthou

Was meinen Sie damit?

Rege­ne­ra­tive Land­wirt­schaft ist in gewisser Weise ein „Traum der Stadt­be­wohner“, da sie ursprüng­lich aus biolo­gi­schem Anbau stammt. Vor dem Hinter­grund der heftigen Kritik einiger Laien am Glypho­sat­ein­satz erwarte ich jedoch, dass ein Teil der Bevöl­ke­rung falsche Vorstel­lungen hat, wodurch es zu Gegen­re­ak­tion kommen könnte. Deswegen sollte die Indus­trie klare Vorgaben defi­nieren, um nicht unter Green­wa­shing-Verdacht zu kommen. Sie muss mit der Öffent­lich­keit ehrlich darüber kommu­ni­zieren, dass Herbi­zide einge­setzt werden. Außerdem stellt sich die Frage nach der weiteren Entwick­lung von biolo­gi­scher und rege­ne­ra­tiver Land­wirt­schaft.

Ist es möglich, mini­male Boden­be­ar­bei­tung und den Verzicht auf chemi­schen Schutz zu kombi­nieren?

In gemä­ßigten Klima­zonen ist dies derzeit noch nicht möglich. Selbst im globalen Maßstab habe ich bisher nur ein Feld gesehen, auf dem dies funk­tio­nierte, eine Versuchs­fläche in Kambo­dscha. Aber ich bin opti­mis­tisch, dass es lang­fristig gelingen wird, in unseren Brei­ten­graden Anbau­sys­teme mit mini­maler oder sogar keiner Boden­be­ar­bei­tung zu entwi­ckeln, die auf synthe­ti­sche Inputs verzichten können. Dies ist ein wich­tiges agro­no­mi­sches Ziel.