Prote­in­ge­win­nung aus Federn

Auf einer Geflü­gel­farm in Ägypten stieß Dr. Mohammad H A Ibrahim bei der Feld­for­schung zu seiner Doktor­ar­beit auf ein inter­es­santes Bakte­rium. Dieses ist mitt­ler­weile Teil eines Prozesses zur Produk­tion hoch­wer­tigen Proteins und biolo­gisch abbau­barer Kunst­stoffe aus orga­ni­schen Mate­ria­lien.

Schon lange suchen euro­päi­sche Land­wirte nach neuen Möglich­keiten zur Verbes­se­rung der Selbst­ver­sor­gung mit Protein für die Geflü­gel­füt­te­rung. Jetzt bringt ein schwe­di­sches Biotech­no­logie-Unter­nehmen eine neue mögli­chen Prote­in­quelle auf den Markt. Sie könnte einen großen Teil dieses Bedarfs decken und so die Abhän­gig­keit der euro­päi­schen Vieh­züchter von Importen aus Brasi­lien und von anderen großen Prote­inerzeu­gern verrin­gern.

„Das Protein, das wir gewinnen, ist von sehr guter Qualität“, erklärt Dr. Ibrahim. „Es zeichnet sich durch einen hohen Amino­säu­re­ge­halt aus und ist daher für den Einsatz mit Futter­mit­teln inter­es­sant.“ Die Aussichten für die Gewin­nung eines kosten­güns­tigen Futter­mit­tel­pro­teins sind hervor­ra­gend, wenn man bedenkt, dass dessen Ausgangs­stoff den Schlacht­be­trieben bislang nur Kosten verur­sacht hat. Jetzt dagegen können sie ihn sogar verkaufen.

„Bis jetzt ist es so, dass die Federn für die Schlacht­be­triebe nur ein Kosten­faktor sind. Welt­weit fallen jähr­lich unge­fähr 5 Millionen Tonnen Federn an, die entsorgt werden“, so Edvard Hall, Geschäfts­führer der Firma Bioex­trax, deren Aktien mitt­ler­weile an der Stock­holmer Börse gehan­delt werden. „Eine Geflü­gel­feder enthält 91 % Protein, und wir sind in der Lage, 90 % zu extra­hieren, die ein guter Ersatz für Soja­schrot sein können“, erläu­tert er. Hypo­the­tisch wäre es also möglich, aus den 5 Millionen Tonnen Federn unge­fähr 4 Millionen Tonnen hoch­wer­tiges Protein als Futter­zu­satz zu produ­zieren.

Bioex­trax setzt Mikroben ein, um die Zell­wände der Bakte­rien aufzu­bre­chen, so dass das gewon­nene Futter­mittel gut verdau­lich ist, einen hohen Nähr­wert besitzt, reich an Amino­säuren ist und sich so ideal als alter­na­tive Prote­in­quelle eignet.

Das aus den Hühner­fe­dern gewon­nene Protein hat viele Vorteile: Zum einen werden den Hühnern Amino­säuren zurück­ge­geben, an denen es ihnen sonst mangelt.

Gutes Amino­säu­re­profil

„Damit könnten wir uns einen beacht­li­chen Anteil am welt­weiten Prote­in­markt sichern“, ist Hall über­zeugt. Das aus den Geflü­gel­fe­dern gewon­nene Protein hat viele Vorteile: Einer besteht darin, dass den Tieren Amino­säuren zuge­führt werden, die sie sonst nicht in ausrei­chendem Maße zu sich nehmen. „Hühner picken sich gegen­seitig am Gefieder. Nicht aus Aggres­si­vität, sondern weil die Federn Amino­säuren enthalten, auf die sie ange­wiesen sind. Wenn wir ihnen die Amino­säuren statt­dessen über das Futter zuführen, könnten wir dieses Problem vermeiden“, erläu­tert Hall.

Edvard Hall, Geschäfts­führer der Firma Bioex­trax

Aber Geflü­gel­fe­dern sind für Bioex­trax nicht die einzige Quelle zur Gewin­nung wert­voller Futter­pro­teine. Ursprüng­lich begann das Unter­nehmen mit der Entwick­lung biolo­gisch abbau­barer Kunst­stoffe. In diesem Zusam­men­hang können hydro­ly­sierte, für Tiere leicht verdau­liche Einzeller­pro­teine produ­ziert werden. „Der Vorteil von Einzeller­pro­te­inen ist, dass sie bereits hydro­ly­siert (aufge­spalten) sind, ein Prozess, der norma­ler­weise erst im Tier­magen statt­findet“, erläu­tert er. „Die Bio-Schwei­ne­fleisch-Branche sucht schon seit langem nach einer orga­ni­schen Prote­in­quelle, und unser Einzeller­pro­tein könnte genau diesen Bedarf decken.“

Biolo­gisch abbau­bare Kunst­stoffe

Der Ausgangs­stoff in diesem Fall sind keine Geflü­gel­fe­dern, sondern andere Abfall­pro­dukte wie Molke und Melasse. Der Prozess zur Herstel­lung biolo­gisch abbau­barer Kunst­stoffe beginnt mit einer Gruppe von Bakte­rien, die z. B. mit Melasse genährt werden. Danach wird eine andere Gruppe von Bakte­rien hinzu­ge­geben, die sozu­sagen den „Kunst­stoff“ aus den Zellen extra­hieren. Übrig bleiben die Zell­mem­branen, die als hydro­li­siertes Einzeller­pro­tein verfüt­tert werden können.

Hall räumt ein, dass die Herstel­lung biolo­gisch abbau­barer Kunst­stoffe zwar keine neue Erfin­dung ist, zeigt jedoch auf, dass die von Bioex­trax produ­zierten Kunst­stoffe viele Vorteile für die Umwelt bieten. „Wir können unsere Kunst­stoffe aus sekun­dären Ausgangs­stoffen produ­zieren und treten daher nicht in Konkur­renz zur Nahrungs­mit­tel­pro­duk­tion. Unsere Kunst­stoffe weisen große Ähnlich­keiten zu Kunst­stoffen auf, die aus fossilen Rohstoffen herge­stellt werden, sind dabei aber kosten­güns­tiger. Außerdem verwenden wir keine Chemi­ka­lien oder andere Schad­stoffe im Produk­ti­ons­pro­zess, sondern ausschließ­lich Bakte­rien.“

Wir können unsere Kunst­stoffe aus sekun­dären Ausgangs­stoffen produ­zieren und treten daher nicht in Konkur­renz zur Nahrungs­mit­tel­pro­duk­tion.

Edvard Hall, Geschäfts­führer der Firma Bioex­trax

Je nach Ausgangs­stoff kann das Protein-Neben­pro­dukt bis zu 40 % der Gesamt­pro­duk­tion ausma­chen. Außerdem besteht die Möglich­keit, hydro­ly­sierte Proteine aus den Geflü­gel­fe­dern in der Herstel­lung biolo­gisch abbau­barer Kunst­stoffe zu verwenden. „Durch Zusatz von Feder­fa­sern können wir Kunst­stoffe mit beson­deren Eigen­schaften und wesent­lich gerin­gerer Dichte herstellen als dies mit fossilen Rohstoffen möglich ist“, so Ibrahim. „Wir können unser Produkt mit herkömm­li­chen Kunst­stoff­pro­dukten kombi­nieren oder einen zu 100 % biolo­gisch abbau­baren Kunst­stoff aus unserem Grund­stoff herstellen.“

Das Verhältnis von Bio-Kunst­stoff- zu Futter­pro­tein-Herstel­lung hängt von der jewei­ligen Renta­bi­lität ab. „Was die Prote­in­her­stel­lung betrifft, streben wir Produk­ti­ons­kosten von weniger als 0,5 €/kg an“, so Hall.

Aus Federn wird das Prote­in­pro­dukt. (Foto: Bioex­trax)

Auswei­tung der Produk­tion

Es wäre möglich, den Prozess auch zur Prote­in­her­stel­lung für die mensch­liche Ernäh­rung zu nutzen. Dies würde aller­dings einen erheb­li­chen Aufwand für die Ertei­lung einer entspre­chenden Zulas­sung bedeuten und ist daher gegen­wärtig nicht geplant. Jähr­lich werden welt­weit unge­fähr 300 Millionen Tonnen Kunst­stoff produ­ziert. Wenn davon auf Bioex­trax ein Anteil von 10 Millionen Tonnen entfallen würde, könnten 3 bis 4 Millionen Tonnen Protein herge­stellt werden.

Das Unter­nehmen ist bereits auf Expan­si­ons­kurs und auf der Suche nach Bran­chen­part­nern nicht nur in Schweden, sondern auch in der EU sowie in den USA. „Wir müssen in der Lage sein, die Produk­tion erheb­lich auszu­weiten, sonst wird das nicht machbar sein“, ist Hall über­zeugt. Er sucht mitt­ler­weile nach Part­nern, die Federn und Ausgangs­ma­te­ria­lien für die Bio-Kunst­stoffe liefern, nach Futter­mit­tel­pro­du­zenten zur Entwick­lung neuer Futter­mi­schungen und nach Käufern für seine Bio-Kunst­stoffe.

„Wir sind in der Lage, sämt­liche Federn abzu­nehmen, die in der schwe­di­schen Geflü­gel­zucht anfallen, aber mögli­cher­weise wäre es wirt­schaft­lich attrak­tiver, unseren Schwer­punkt z. B. in die Nieder­lande zu verla­gern, weil die Trans­port­wege dort kürzer sind, oder in die USA mit ihrer riesigen Geflü­gel­pro­duk­tion“, fügt Ibrahim hinzu.

Zahlen und Fakten

  • Produk­tion nach Bio-Stan­dard
  • 40–90 % Protein
  • Viel­ver­spre­chendes Amino­säu­re­profil
  • 100 % biolo­gisch, ohne Gentechnik
  • gewonnen aus Abfall­pro­dukten
  • Verdau­lich­keit 99,7 %