Norwegen setzt auf Nach­wuchs in der Land­wirt­schaft

Wie in vielen Teilen Europas geht auch in Heidal, Norwegen, die Zahl der land­wirt­schaft­li­chen Betriebe stetig zurück. Doch es gibt neue Hoff­nung: Eine junge Gene­ra­tion von Land­wir­tinnen und Land­wirten steht in den Start­lö­chern – voller Moti­va­tion, der Land­wirt­schaft neues Leben einzu­hau­chen. Und das am liebsten auf einem grün-gelben Traktor.

Es ist früher Abend im Oktober. In einem abge­le­genen Seitental des norwe­gi­schen Gudbrand­s­dals liegt Stille über der Land­schaft. Dichte Wolken hängen schwer am Himmel und tauchen das Tal in ein gedämpftes Grau. Ein weißer Schleier aus Nebel liegt über dem Fluss Sjoa, der sich glit­zernd durch das Tal schlän­gelt. Auf der anderen Seite zeichnen sich die Konturen der Berge nur noch sche­men­haft ab – als wären sie in Watte gehüllt. Eine feine Schnee­schicht bedeckt die Hügel rund um das Dorf Heidal und verleiht der Szenerie einen Hauch von Winter­zauber. Es ist der erste Schnee des Jahres. Auf dem kleinen Bauernhof von Åse Umi Skogum am Rande des Dorfes brennt Licht in der alten Scheune. Drinnen bewegt sich eine Gestalt zwischen den Futter­trögen – Ellan Skogum, der 22 Jahre alte Enkel, füttert die sech­zehn Kühe. Noch trägt er den dunkel­blauen Overall seines Arbeit­ge­bers, Fjell­nett, einem regio­nalen Strom­netz­be­treiber. Draußen auf dem Hof steht sein Dienst­fahr­zeug, leicht über­zu­ckert vom frischen Schnee.

Drei­zehn Jahre lang war der Stall leer, still, vergessen. Doch seit zwei Wochen ist er wieder erfüllt von Leben, Bewe­gung und dem warmen Atem der Tiere. Ellan hat seine ersten beiden Mast­rinder gekauft – eine Kreu­zung aus Limousin und Simmen­taler Fleck­vieh. Die einen wegen ihrer hervor­ra­genden Fleisch­qua­lität, die anderen wegen ihrer Milch­leis­tung. Gekauft hat er sie von einem litaui­schen Bauern, der weiter oben im Dorf lebte und kurz vor der Rück­kehr in seine Heimat stand. „Ich stand im Stall, der Wind pfiff durch die Ritzen, und ich musste mich sofort entscheiden“, erzählt Ellan. „Ob ich sie nehme oder nicht.“ Er sagte Ja. „Es war super aufre­gend – aber auch einfach schön. Ich mag Kühe wirk­lich sehr“, sagt er und lächelt, während draußen der Schnee leise weiter­fällt.

Der Kind­heits­traum vom Land­wirt wird Wirk­lich­keit

Schon als kleiner Junge wusste Ellan, dass er einmal Land­wirt werden wollte. Mit gerade einmal sechs Monaten krab­belte er durch den Kuhstall, in dem seine Groß­el­tern Milch­kühe hielten. Im Sommer, wenn die Tiere auf den saftigen Berg­wiesen weideten, war Ellan immer mit dabei – half beim Melken, kümmerte sich um die Tiere und sog so das Leben auf dem Hof in sich auf. Doch 2011 kam die Wende: Weder Sohn noch Tochter wollten den Hof über­nehmen, und so gaben die Groß­el­tern schweren Herzens auf. Die Kühe verschwanden, der Stall verstummte, – und mit ihnen ein Stück Fami­li­en­ge­schichte.

Vor zwanzig, dreißig Jahren gab es in Heidal noch 113 Milch­vieh­be­triebe. Heute sind es viel­leicht noch zehn.

Aber Ellan konnte den Gedanken nie loslassen. Bei jedem Besuch bei seiner Groß­mutter ging er am alten Stall vorbei, blieb stehen, schaute hinein – und träumte. Der Traum, eines Tages selbst Land­wirt zu sein, lebte weiter. Vor zwei Jahren fasste er schließ­lich einen Entschluss: Er wollte den alten Stall wieder mit Leben füllen. „Es war keine leichte Entschei­dung“, sagt er. „Ich habe einen gut bezahlten Job, aber das Leben auf dem Bauernhof ist etwas ganz anderes. Ich liebe die Frei­heit, die es mit sich bringt.“ Statt auf Milch­kühe setzte Ellan auf Fleisch­rinder. „Das ist eine größere Heraus­for­de­rung“, erklärt er. „Es gibt keine festen Quoten, die Anfangs­in­ves­ti­tionen sind hoch, und der tägliche Aufwand ist nicht zu unter­schätzen. Aber man kann eine Herde auch neben dem Haupt­beruf führen.“ Sein Ziel ist klar: Schritt für Schritt wachsen – und irgend­wann den Traum vom Voll­zeit-Land­wirt verwirk­li­chen.

Das Blatt wendet sich: Eine neue Gene­ra­tion prägt Norwe­gens Land­wirt­schaft

Wie in vielen anderen euro­päi­schen Ländern schrumpft auch in Norwegen die Zahl der Land­wirte – Tag für Tag hört im Schnitt ein Betrieb auf. Auch Ellans Groß­mutter hat diesen Wandel hautnah miter­lebt. „Vor zwanzig, dreißig Jahren gab es in Heidal noch 113 Milch­vieh­be­triebe“, erzählt sie. „Heute sind es viel­leicht noch zehn. Damals hatten viele Bauern auch einen Sommerhof oben in den Bergen – einen soge­nannten Seter. Heute kenne ich nur noch einen einzigen, der seinen Seter noch bewirt­schaftet.“ Doch nun scheint sich etwas zu verän­dern. Die Zeichen stehen auf Aufbruch. Ellan ist nicht allein – in Heidal wächst eine neue Gene­ra­tion heran, die der Land­wirt­schaft neues Leben einhaucht. In den letzten zwei Jahren sind fünf bis sechs neue Betriebe entstanden, viele davon haben sich auf Rinder- oder Schaf­zucht spezia­li­siert. Junge Menschen wagen den Schritt zurück aufs Land – mit frischen Ideen, aber auch mit Respekt vor der Tradi­tion.

Die Herde von Ellan Skogum kam vor zwei Wochen an.
Der seit 12 Jahren leer­ste­hende Stall wurde für die Unter­brin­gung der neuen Herde umge­baut.

Ein Beispiel dafür sind Ellans Schwie­ger­el­tern. Terje Jonny Sveen (53) betreibt gemeinsam mit seiner Familie und mehreren Mitar­bei­tenden einen modernen Milch­vieh­be­trieb mit 60 bis 65 Kühen. Acht grün-gelbe John Deere Trak­toren gehören zum Fuhr­park, und jähr­lich produ­ziert der Hof etwa 600.000 Liter Milch. Auch sein Sohn Even Nystuen Sveen (28) hat sich entschieden, in die Land­wirt­schaft einzu­steigen – mit einem eigenen Betrieb und 40 Rindern. Im Jahr 2026 feiert der Fami­li­en­be­trieb sein hundert­jäh­riges Bestehen. „Land­wirt zu sein, das liegt einem im Blut“, sagt Terje. „Ich liebe alles daran – von den Kühen bis zu den Trak­toren. Diese Leiden­schaft habe ich von meinem Vater geerbt, und mein Sohn hat sie von mir über­nommen.“

Acht John Deere – und jeder hat seine Aufgabe

Seit rund 40 Jahren prägen grün-gelbe Trak­toren das Bild auf dem Hof der Familie Sveen. „Den ersten hat mein Vater 1984 gekauft – ein John Deere 1640“, erzählt Terje Jonny Sveen mit sicht­barem Stolz. „Den haben wir heute noch. Er läuft zuver­lässig und zieht im Winter das Brenn­holz aus dem Wald.“ Der Traktor über­zeugte so sehr, dass der Vater zwei Jahre später einen 2040 kaufte. Heute umfasst die Flotte acht John Deere Trak­toren – jeder mit seiner eigenen Geschichte. 1993 kam ein 6300 dazu, im Jahr 2000 ein 6310. 2007 folgte ein kraft­voller 7700, den Terje sechs Jahre später durch einen 6140R ersetzte. „Beim Kauf des 7700 war ich ein biss­chen über­mütig“, sagt er lachend. „Ich war begeis­tert von der ameri­ka­ni­schen Serie – groß, stark, beein­dru­ckend. Aber für norwe­gi­sche Verhält­nisse war er einfach zu wuchtig. Die deut­schen Modelle passen besser: leichter, wendiger, einfa­cher zu bedienen. Ein Ameri­kaner ist eben ein Ameri­kaner – groß und stark.“ Zwei weitere Trak­toren der Serie 6M – ein 6155M und ein 6120M – ergänzen den Fuhr­park. Zwei Maschinen sind mit moderner Tech­no­logie für die Präzi­si­ons­land­wirt­schaft ausge­stattet. „GPS macht die Arbeit deut­lich effi­zi­enter“, erklärt Terje. „Beim Mähen, Düngen oder Spritzen spart man nicht nur Kraft­stoff, sondern auch Konzen­tra­tion. Am Ende des Tages ist man einfach weniger erschöpft.“ Und dann gibt es da noch den John Deere 2020 – den „Hobby­traktor“, wie Terje ihn nennt.

Heute über­nehmen junge Menschen einen Hof, weil sie es wollen – weil sie sich bewusst dafür entscheiden. Das ist eine andere Moti­va­tion. Und genau darin liegt unsere Chance.

Terje Jonny Sveen

Dass acht Trak­toren für einen Betrieb mit rund 60 Milch­kühen und 40 Fleisch­rin­dern unge­wöhn­lich wirken könnten, sieht Terje gelassen: „Für mich bedeutet das Leiden­schaft. Ich will für jede Aufgabe den passenden Traktor. Leichte Arbeiten – leichter Traktor. Schwere Arbeiten – schwere Maschine. John Deere liefert Qualität und der Service stimmt.“ Der nächste Händler ist zwar eine Auto­stunde entfernt, aber das stört ihn nicht: „Die jungen Leute dort sind top. Die kennen sich mit Technik aus, fahren die Maschinen selbst – und wissen, wovon sie reden.“

Die Zukunft wächst in Heidal

Terje Jonny Sveen blickt mit Zuver­sicht auf die Zukunft der Land­wirt­schaft in seiner Heimat. „Wir Land­wirte sind für die Gesell­schaft unver­zichtbar – wir produ­zieren Lebens­mittel, wir pflegen die Land­schaft, wir halten das Leben auf dem Land am Laufen“, sagt er. Beson­ders freut ihn, dass immer mehr junge Menschen ihrer Leiden­schaft folgen. „Früher, in den 1950er- und 60er-Jahren, über­nahmen die Söhne die Höfe ihrer Väter, weil es von ihnen erwartet wurde. Heute über­nehmen junge Menschen einen Hof, weil sie es wollen – weil sie sich bewusst dafür entscheiden. Das ist eine andere Moti­va­tion. Und genau darin liegt unsere Chance.“ Sein Sohn und sein Schwie­ger­sohn sind leben­dige Beispiele für diesen Wandel. Sie treffen ihre Entschei­dungen mit Bedacht – und mit Blick auf die Zukunft. „Natür­lich steigen die Preise für Diesel, Dünger, Stroh und Futter ständig“, sagt Ellan. „Aber ich sehe vor allem die Möglich­keiten.“

Den John Deere 2020 aus dem Jahr 1971 bezeichnet Land­wirt Terje Jonny Sveen als Hobby­traktor.
Für jede Arbeit steht auf dem Betrieb der passende Traktor zur Verfü­gung.

Um sich auf sein neues Leben als Land­wirt vorzu­be­reiten, belegte Ellan einen Kurs in land­wirt­schaft­li­cher Betriebs­lehre und nahm sich dafür eine Auszeit von der Arbeit. Er reiste ins Ausland, besuchte andere Höfe, ließ sich inspi­rieren. „Ich bin über­zeugt, dass die Nach­frage nach regional produ­zierten Lebens­mit­teln weiter steigen wird“, sagt er. Ein Zeichen dafür: In Otta, nur eine halbe Stunde entfernt, eröffnet bald ein neues Schlacht­haus. „Das bedeutet kürzere Trans­port­wege – die Tiere müssen nicht mehr 200 Kilo­meter nach Hamar oder Åndalsnes gebracht werden. Die Menschen wollen wissen, wo ihr Fleisch herkommt. Und ich kann dazu beitragen.“

Sein Ziel ist klar: eine Herde von 40 bis 50 Mast­rin­dern – genug, um vom Betrieb leben zu können. „Ich will mit einem größeren Stall beginnen, nicht mit teuren Maschinen. Ich möchte zeigen, dass es möglich ist – dass wir als junge Gene­ra­tion die Land­wirt­schaft neu aufbauen können.“ Ellan ist fest verwur­zelt in Heidal. „Ich bin hier geboren und aufge­wachsen. Ich bin stolz auf dieses Tal – und auf die Land­wirte, die hier arbeiten.“ Ein Traum bleibt noch offen: „Eines Tages möchte ich meinen eigenen John Deere besitzen. Ich fahre diese Trak­toren, seit ich denken kann. Sie sind einfach zu bedienen, sehen gut aus – und sie gehören für mich einfach zur Land­wirt­schaft dazu.“

Doch das Leben auf dem Hof bringt auch Heraus­for­de­rungen mit sich

Østen Sanden ist 18 Jahre alt – und einer von mehreren jungen Menschen in Heidal, die sich eine Zukunft in der Land­wirt­schaft vorstellen können. Derzeit absol­viert er zwar ein Prak­tikum beim regio­nalen Ener­gie­ver­sorger Fjell­nett, doch sein Herz schlägt für den Hof. Die Land­wirt­schaft liegt ihm im Blut: Sein Groß­vater besaß den aller­ersten John Deere in Heidal – einen 1120. Heute sitzt Østen mit einem breiten Lächeln auf einem John Deere 6220 aus dem Jahr 2004. „Ich bin mit John Deere aufge­wachsen“, sagt er. „Das ist die einzige Marke, die unsere Familie je genutzt hat.“

Neben dem 6220 steht noch ein 6210R aus dem Jahr 2014 auf dem Hof. „Je neuer, desto besser laufen sie“, meint Østen. „Ich habe schon früh gelernt, wie man sie fährt. Sie sehen gut aus, funk­tio­nieren zuver­lässig – und man weiß einfach, woran man ist.“ Klei­nere Wartungs­ar­beiten wie Ölwechsel erle­digt die Familie selbst. „Wenn man sie gut pflegt, laufen sie ewig.“ Seine Eltern, Jan Egil und Gro-Anita, stammen beide aus land­wirt­schaft­li­chen Fami­lien. Sie über­nahmen einst jeweils einen Milch­vieh­be­trieb von ihren Eltern. 2019 schlossen sie sich mit zwei weiteren Betrieben zusammen – in der Hoff­nung, durch die Koope­ra­tion mehr Frei­zeit zu gewinnen. Heute betreiben sie gemeinsam einen modernen Milch­vieh­be­trieb mit rund 70 Kühen und einer Jahres­pro­duk­tion von etwa 500.000 Litern Milch. Der Stall ist weit­ge­hend auto­ma­ti­siert: Melken, Füttern, Dung­ma­nage­ment – vieles läuft digital.

Hinter dem Hof von Familie Sanden ragen Norwe­gens Berge empor.

Auch Ostens Mutter Gro-Anita stammt aus einer land­wirt­schaft­li­chen Familie.

Der Kuhstalll der Familie Sanden ist weit­ge­hend auto­ma­tierst.

Die auto­ma­ti­sche Fütte­rungs­an­lage erleich­tert Familie Sanden die Arbeit im Stall.

Genauso wie das auto­ma­ti­sierte Melken. Dennoch kontrol­liert Osten regel­mäßig den Milch­ro­boter.

Doch die Realität ist komplexer. „Wir dachten, wir würden durch die Zusam­men­ar­beit etwas entlastet“, sagt Gro-Anita. „Aber so kam es nicht. Die Preise steigen ständig – für alles.“ Ihre größte Sorge gilt jedoch der Gesund­heit ihres Mannes, der unter starken Rücken­schmerzen leidet. Um sich eine neue Perspek­tive zu schaffen, absol­viert er derzeit eine zwei­jäh­rige Ausbil­dung zum Tech­ni­schen Inge­nieur. Gro-Anita selbst arbeitet Voll­zeit in der häus­li­chen Pflege. „Es wäre schön gewesen, den Hof gemeinsam zu führen. Ich glaube, das hätte uns gutgetan. Aber als Land­wirtin muss man heute oft zusätz­lich arbeiten, um über die Runden zu kommen. Die Freude an der Land­wirt­schaft ist uns ein Stück weit verloren gegangen.“ Trotz allem gibt sie die Hoff­nung nicht auf.

„Wenn wir aufhören würden, würden wir unseren Anteil nicht sofort verkaufen. Østen hat noch zwei jüngere Brüder. Viel­leicht ergibt sich etwas. Wir wollen die Tür offen­halten – für die nächste Gene­ra­tion.“ Und tatsäch­lich: In Heidal tut sich etwas. Junge Menschen entde­cken die Land­wirt­schaft neu – mit Leiden­schaft, mit Ideen, mit Heimat­ver­bun­den­heit. „Sie lieben Heidal“, sagt Gro-Anita. „Und sie lieben das Leben auf dem Bauernhof. Das gibt Hoff­nung.“