Nach­hal­tiger Kaffee: Made in Vietnam

Wohl­schme­ckender orga­nisch ange­bauter Kaffee, das ist die Leiden­schaft eines Kaffee­er­zeu­gers aus dem Zentral­hoch­land Viet­nams: Aeroco Coffee, mit dem Fokus auf eine nach­hal­tige Produk­tion, will die Firma der Welt Kaffee aus Vietnam näher­bringen. Flur & Furche hat den Betrieb in der Nähe des Sees Ea Kao besucht und auf einem Rund­gang durch die Plan­tage erfahren, wie er die Kaffee­welt verän­dern will.

Zehn Trock­nungs­ti­sche stehen in der Sonne. Auf einem der Tische sind dunkel­rote Bohnen ausge­breitet, auf einem zweiten gold­gelbe und auf dem dritten hell­braune Bohnen. Zwei Arbeiter verar­beiten die Ernte des Tages: Sie entfernen die Bohnen aus den Kaffee­kir­schen, die auf der eigenen Plan­tage orga­nisch ange­baut werden. Aus den Bohnen wird Spezial- und Premium-Kaffee herge­stellt.

Die Trock­nung der Kaffee­bohnen ist ein lang­wie­riger Prozess.

Die Bohnen müssen alle 30 Minuten gewendet werden, damit sie gleich­mäßig trocknen.

Nguyĕn Vũ Tú Anh, Mitei­gen­tü­merin von Aeroco Coffee, lässt gold­gelbe Bohnen durch ihre Finger gleiten. „Wir drehen die Bohnen alle 30 Minuten“, erklärt sie. „So können sie gleich­mäßig trocknen. Nach ein oder zwei Tagen ist der Feuch­tig­keits­ge­halt niedrig genug, um zur nächsten Phase über­zu­gehen, der finalen Trock­nung im Treib­haus. Anschlie­ßend werden die Bohnen in einer klima­ti­sierten Umge­bung gela­gert.“

Nguyĕn Vũ Tú Anh ist Mitei­gen­tü­merin von Aeroco Coffee.

Die Ernte beginnt dieses Jahr erstaun­lich früh. Nguyĕns Ehemann, Lê Dình Tu, hat die Plan­tage am See Ea Kao bereits in den Morgen­stunden verlassen, um die Ernte auf der zweiten Plan­tage in Kon Tum zu über­wa­chen, das über 250 km nörd­lich liegt. „Wir beginnen übli­cher­weise im November mit der Ernte“, erklärt sie. „Doch aufgrund des warmen Wetters der letzten Wochen sind die Bohnen früher gereift.“

Wetter­ab­hängig

Seit acht Jahren dreht sich das Leben von Nguyĕn und Lê um Kaffee. Auf 13 ha rund um den Ea Kao See, nahe der Provinz­haupt­stadt Buôn Ma Thuôt, bauen die beiden die Sorte Robusta an und in Kon Tum auf 8 ha Arabica.

Nguyĕn erklärt uns: „Arabica-Bohnen wachsen am besten in höheren Lagen. Aus diesem Grund bauen wir diese Sorte an unserem Standort in Kon Tum, der auf rund 1000 m Höhe liegt, an. Die Robusta-Bohnen wachsen hier am See, auf einer Höhe von unge­fähr 500 m.“

Grüne Arabica-Bohnen wachsen in höheren Lagen.
Robusta-Bohnen wachsen in nied­ri­geren Höhen­lagen.

Doch nicht nur die Höhe, sondern vor allem auch das Wetter sind entschei­dend für die Ernte­er­träge, die von Jahr zu Jahr unter­schied­lich ausfallen können. „Wir ernten durch­schnitt­lich zwischen 1.500 kg und 1.800 kg/ha Arabica. Beim Robusta sind es 2.000 kg bis 2.200kg/ha.“

Orga­nisch ange­baut für die Biodi­ver­sität

Die Plan­tagen in Ea Kao und Kon Tum unter­scheiden sich optisch stark von den tradi­tio­nellen gerade in geraden Reihen entlang der Häge ange­legten Plan­tagen.

Die Plan­tagen von Aeroco Coffee in Ea Kao und Kon Tum sehen ganz anders aus als beim tradi­tio­nellen Anbau.

Nguyĕn sieht herkömm­liche inten­sive Kulti­vie­rung eher kritisch: „Dafür werden große Mengen an Pflan­zen­schutz- und Dünge­mit­teln benö­tigt. Wir haben uns dazu entschieden, lieber orga­nisch anzu­bauen.“ Sie gibt zu, dass ihre Plan­tagen im direkten Vergleich eher „unor­dent­lich“ aussehen – doch genau das ist es, was eine groß­ar­tige Biodi­ver­sität schafft.

Die Kaffee­pflanzen wachsen inner­halb eines Drei­schicht­sys­tems. Die erste Schicht besteht vor allem aus Gras, die zweite aus Kaffee­pflanzen und in der dritten Schicht finden sich Pfef­fer­sträu­cher oder Frucht­bäume.

Weiter erklärt sie, dass ihre Kaffee­pflanzen neben Pfef­fer­sträu­chern und Frucht­bäumen in einem Drei­schicht­sys­tems ange­pflanzt werden. „Die erste Schicht besteht aus Gras. So trocknet der Boden nicht aus und klei­nere Lebe­wesen haben einen Schutz­raum. Die Kaffee­pflanze bildet die zweite Schicht. Als Drittes kommen dann Pfef­fer­sträu­cher oder Frucht­bäume.“

An einigen Stellen gibt es sogar eine vierte Schicht mit noch größeren Bäumen, die viel Schatten spenden. Wegen dieses Schicht­sys­tems müssen sich die beiden nicht ausschließ­lich auf gewerb­liche Pflan­zen­schutz- bzw. Dünge­mittel verlassen. „Wir tragen dadurch zur Biodi­ver­sität bei und machen uns natür­liche Schutz­me­cha­nismen zunutze.“

Wir nutzen natür­liche Schutz­me­cha­nismen und tragen dadurch zur Biodi­ver­sität bei.

Nguyĕn Vũ Tú Anh

Aktuell werden auf den Plan­tagen drei Sorten Arabica und eine Robusta-Sorte ange­baut. Außerdem liegt der gesamte Produk­tions- und Verkaufs­pro­zess in ihren Händen. „Wir kümmern uns um alles selbst“, sagt Nguyĕn stolz. „Wir pflü­cken, entkernen, trocknen, rösten, verar­beiten, verpa­cken, verkaufen… einfach alles.“ Dabei nutzen sie die gesamte Pflanze: „Die Hülsen nutzen wir als Kompost und aus den Blüten­blät­tern machen wir Tee.“

Für besseren, viet­na­me­si­schen Kaffee

Mit Dünger fing alles an. Während Nguyĕn als Anwältin in Ho Chi Minh arbei­tete, reiste Lê durch das Land und verkaufte Dünge­mittel. Aus seinen Gesprä­chen mit Erzeu­gern und den Eindrü­cken auf den Plan­tagen erkannte Lê schnell, dass viel zu viele Chemi­ka­lien einge­setzt werden.

„Jeder hat einfach Chemi­ka­lien einge­setzt, ohne richtig darüber nach­zu­denken“, verrät er während einer Online-Konfe­renz. „Kurz­fristig führt das natür­lich zu Gewinn, aber weil ich schon so lange Teil der Branche war, habe ich auch die Auswir­kungen auf die Biodi­ver­sität miter­lebt.“

Ich fand es immer schade, dass Kaffee­bohnen aus Vietnam haupt­säch­lich für Instant­kaffee verwendet werden. Wir können viel besseren Kaffee produ­zieren!

Lê Dình Tu

Die Böden wurden ausge­laugt, sodass immer größere Mengen Dünge­mittel einge­setzt werden mussten. Eben­falls erstaun­lich für Lê war die Tatsache, dass Kaffee aus Vietnam trotz seiner wich­tigen Rolle auf dem Welt­markt inter­na­tional kaum ange­sehen war.

„Kaffee­bohnen aus Vietnam wurden lange haupt­säch­lich als Rohstoff für Instant­kaffee verwendet“, erklärt er. „Das lag in der Regel an mangelnder Qualität. Ich fand das immer sehr schade, denn wir haben sowohl die Exper­tise als auch die Möglich­keiten, viel besseren Kaffee zu produ­zieren.“

Kaffee­kir­schen trocknen in der viet­na­me­si­schen Sonne.

Hohe Lohn­kosten

Der Weg war nicht immer leicht für sie. Der Anbau ist teuer, insbe­son­dere aufgrund der hohen Lohn­kosten. Auf tradi­tio­nellen Plan­tagen wird nur einmal während der Ernte­saison geerntet – Bei Aeroco ernten die Arbeiter fünfmal jähr­lich. „Das ist sehr arbeits­in­tensiv. Für die Bohnen­qua­lität lohnt es sich aber“, sagt Nguyĕn.

Sie nimmt ein Refrak­to­meter aus ihrer Hosen­ta­sche und gibt eine Kaffee­kir­sche hinein. „Mit dem Refrak­to­meter messen wir den Feuch­tig­keits­ge­halt der Kirschen. Bei rund 18 % sind die Kirschen bereit für die Ernte. Sehen Sie sich bloß die schöne rote Farbe an! Wir pflü­cken nur Kirschen mit dieser Farbe. Erntet man nur einmal jähr­lich, werden alle roten, aber auch die grünen unreifen Kirschen gepflückt. Man spart so bei den Arbeits­kosten, aber man nimmt auch eine schlech­tere Qualität in Kauf.“

Ihr Bio-Kaffee hat höhere Kosten und somit einen höheren Preis: Für 500 g Bohnen zahlen Kunden 600.000 VND (23,69 € oder 20,86 £). „Unser Kaffee ist 1,5- bis 2-mal teurer als herkömm­li­cher Kaffee“, sagt Nguyĕn.

Kunden aus dem Ausland müssen zudem zusätz­liche Kosten, wie Trans­port und Import­ge­bühren, tragen. „Aktuell werden rund 80 % unseres Kaffees lokal verkauft und 20 % werden expor­tiert. Wir sehen einen aufkom­menden Trend mit größerer Nach­frage nach Bio-Produkten. Schon jetzt vertreiben wir unseren Kaffee in Ländern wie den USA, Deutsch­land, Japan und Korea.“

Aeroco verkauft den Kaffee in Ländern wie die USA, Deutsch­land, Japan und Korea.

Nguyĕn und Lês Bemü­hungen tragen Früchte: Letztes Jahr haben sie den Vietnam Amazing Cup 2022 gewonnen – eine jähr­lich verlie­hene Auszeich­nung für Anbauer von „Spezia­li­tä­ten­kaffee“. Für Nguyĕn bedeutet das „Aner­ken­nung und einen weiteren Schritt in die rich­tige Rich­tung.“

Nach­hal­tige Bezie­hungen

Das Unter­nehmen beschäf­tigt 15 Mitar­beiter, während der Ernte sind es sogar 30. Für die beiden gehört zur Nach­hal­tig­keit auch ein gutes Verhältnis zwischen Arbeit­geber und Arbeit­nehmer.

Auf ihren Plan­tagen arbeiten unge­fähr genauso viele Männer wie Frauen. „Es ist wichtig, dass Frauen eben­falls arbeiten können“, findet Nguyĕn. „Unsere Arbeits­zeiten sind daher recht flexibel. Einige der Frauen arbeiten morgens, damit sie nach­mit­tags zurück sind, wenn ihre Kinder aus der Schule nach Hause kommen. Ich will sie gut bezahlen, damit sie ihre Familie unter­stützen können. Zufrie­dene Arbeiter tragen zu einem guten Produkt bei. Aus diesem Grund lege ich viel Wert auf gute und lang­an­hal­tende Bezie­hungen’.“

Eine Frau verkauft ihre Produkte direkt an der Straße.

Dieser Grund­ge­danke liegt auch den Part­ner­schaften mit drei Vertrags­kaf­fee­er­zeu­gern zugrunde. Mit diesen bestehen 5-Jahres-Verträge. „Es gibt viele Land­wirte, die Kaffee auf nach­hal­tige Weise anbauen wollen, doch viele wissen nicht, wo sie anfangen sollen. Außerdem ist ihnen ein guter und garan­tierter Preis wichtig“, erklärt sie.

„Wir zeigen ihnen ‘unsere’ Art des Anbaus und stellen ihnen Kaffee­pflanzen, Maschinen, Ausrüs­tung und Dünger zur Verfü­gung. Zudem ‘über­lassen’ wir ihnen unsere Mitar­beiter und stellen den Kauf des Produkts sicher.“

Ein großer Traum

Doch die beiden haben noch große Pläne und sind noch längst nicht am Ziel. Lê hofft, eines Tages ein eigenes Forschungs- und Entwick­lungs­zen­trum aufbauen zu können. Im nächsten Jahr soll ein Bereich entstehen, auf dem mit 80 Bohnen­sorten expe­ri­men­tiert werden kann. Geplant ist ein lang­samer, aber stetiger Ausbau.

Lês größter Traum ist, dass Vietnam auch inter­na­tional als Erzeuger von hoch­wer­tigem Kaffee Aner­ken­nung findet und Aeroco eine zentrale Rolle dabei spielt. „Vieler­orts könnte es den Erzeu­gern so viel besser gehen. Ich will mit Stolz sagen können, dass dieser Kaffee aus Vietnam stammt.“

Viet­na­me­si­sche Kaffee­kultur

Seitdem fran­zö­si­sche Jesui­ten­mis­sio­nare Ende des 19. Jahr­hun­derts Kaffee­bohnen in das viet­na­me­si­sche Hoch­land brachten, hat der Kaffee­anbau ein stetiges Wachstum erlebt.

In Vietnam werden 705 000 ha Kaffee ange­baut. Im Laufe des letzten Jahr­zehnts hat sich das Hoch­land zu einem der wich­tigsten Anbau­ge­biete des Landes entwi­ckelt. Unge­fähr die Hälfte dieses Kaffee­an­baus findet in der Provinz Dak Lak statt – dadurch hat sich die Anbau­fläche in der Provinz seit 1990 verfünf­facht.

Ein vulka­ni­scher Boden und mildes Klima bilden ideale Voraus­set­zungen für einen lang­fris­tigen Kaffee­anbau. Die Jahres­durch­schnitts­tem­pe­ratur beträgt 26 °C bei einem jähr­li­chen Durch­schnitts­nie­der­schlag von 2.000 mm.

Mitt­ler­weile ist Vietnam der größte Expor­teur von Robusta-Kaffee­bohnen welt­weit. Bei Arabica-Bohnen steht das Land auf Platz 15. In Vietnam wird wegen des hohen Koffe­in­ge­halts vorrangig Robusta getrunken, oft mit Eis und Zucker oder etwas Kondens­milch.

Für die Viet­na­mesen ist Kaffee mehr als Kaffee – es ist ein wich­tiges soziales Binde­mittel. Man trifft sich häufig auf einen Kaffee und tauscht sich aus. An nahezu jeder Stra­ßen­ecke findet sich ein Café: Damit ist Kaffee aus der viet­na­me­si­schen Kultur nicht mehr wegzu­denken.