Wenn Kornelia Engler durch ihre Streuobstwiesen läuft, träumt sie von einer eigenen Mosterei. Aus historischen Sorten wie Berliner Schafsnase, Roter Winterstettiner und Danziger Kantapfel wollen sie und ihr Mann Lutz sortenreinen Apfelsaft pressen. Bislang hat das ein Freund erledigt, der sich 2022 in den Ruhestand verabschiedet hat. Nun muss eine eigene Mosterei mit Rätzemühle, Presse und Abfüllanlage her.
Die Kosten für das Equipment belaufen sich auf 13.000 Euro. Die hätte das Paar aus Serwest im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin (Brandenburg) überwiegend selbst aufbringen können. „Aber die allgemeine politische Lage und die Energiekrise haben uns verunsichert“, erzählt Kornelia Engler. Ein Bioladen in Angermünde brachte sie aufs Crowdfunding als Finanzierungsmöglichkeit. Der Laden hatte einen Kuchenkühlschrank darüber finanziert. Schnell traf das Paar die Entscheidung, es mit Crowdfunding zu probieren. „Das erhöht auch unsere Bekanntheit in der Region. Auf die Weise können wir auch Betriebe über uns informieren“, begründet Kornelia Engler.
Was ist Crowdfunding?
Crowdfunding ist eine Finanzierungsform, bei der Projekte mit Hilfe der Gemeinschaft (Crowd) finanziert (Funding) werden. Der Initiator wendet sich nicht an die Bank oder andere Institutionen, sondern direkt an die Öffentlichkeit, um möglichst viele Unterstützer für sein Projekt zu finden. Je nach Crowdfunding-Modell erhalten die Unterstützer für ihren Beitrag eine Gegenleistung. Die vier Crowdfunding-Modelle eignen sich jeweils für unterschiedliche Projekte:
- Beim Spenden-Crowdfunding erwarten die Unterstützer keine Gegenleistung. Es eignet sich für gemeinnützige Projekte wie z.B. einen Gnadenhof.
- Das Vorverkaufs-Crowdfunding eignet sich für kleinere Projekte und Anschaffungen wie Streuobstwiesen, Agroforstanlagen, Blühwiesen oder einen Produkt-Vorverkauf. Diese Variante ist für die Landwirtschaft besonders interessant. Hier erhalten die Unterstützer eine Gegenleistung, z.B das Produkt oder einen besonderen Service.
- Beim Rendite-Crowdfunding bzw. Crowd-Investing erhalten die Unterstützer eine finanzielle Gegenleistung. Das kann z.B. Eine erfolgsabhängige Rendite sein. Es eignet sich für größere Investitionsvorhaben wie einen neuen Stall oder einen Hofladen.
- Das Crowd-Lending wiederum funktioniert fast wie der klassische Kredit. Hier geben die Unterstützer zu einem festgelegten Zinssatz einen Kredit. Auch diese Form eignet sich für größere Investitionsvorhaben wie z.B. die Anlage eines Solarparks.
Spannend für die Gemeinschaft und damit vielversprechend für den Initiator sind regionale Projekte mit Nachhaltigkeitsbezug. Im Fall des Bioland-Betriebs von Familie Engler geht es um den Erhalt regionaler und alter Apfelsorten, die als Hochstamm vielen Tieren einen Lebensraum bieten. Der Saft soll überwiegend ab Hof verkauft werden und so die Wertschöpfung in der Region fördern. Zukünftig können auch private Baumbesitzer bei Englers sortenreinen Saft von den eigenen Bäumen pressen lassen.
Ein Crowdfunding starten
Ein Crowdfunding läuft immer gleich ab: Das Projekt wird vorbereitet und anschließend mittels einer Projektbeschreibung auf der Plattform vorgestellt. Dann läuft die Finanzierungsphase, in der Geldgeber angeworben werden. War die Kampagne bis hierhin erfolgreich, folgt die Umsetzung und die vereinbarte Gegenleistung wird erfüllt. Englers entschieden sich für ein Vorverkaufs-Crowdfunding auf der Plattform EcoCrowd, die ausschließlich Projekte aus der grünen Branche finanziert. Üblicherweise wird bei einem Vorverkaufs-Crowdfunding mit Ziel-Etappen gearbeitet – bei Englers zum Beispiel:
- Übernahme der Transportkosten für die Mostanlage von der Firma Voran aus Österreich (230 €)
- Anschaffung einer Rätzemühle (2540 €)
- Anschaffung einer Packpresse (5130 €)
- Anschaffung einer Abfüllanlage (5100 €)
Die ersten zwei Etappen sind bereits geschafft. Beim Vorverkaufs-Crowdfunding verspricht man den Spendern „Gegenleistungen“. Das können zum Beispiel Patenschaften, Hofführungen oder Einkaufsrabatte im Hofladen sein. wirgarten.com empfiehlt fünf bis zehn, preislich gestaffelte Gegenleistungen. In Englers Fall begeisterten sich die Spender vor allem für den Preisnachlass beim Mosten – schließlich nahm das Paar diese Gegenleistung auf Wunsch regionaler Obstbaumbesitzer eigens in die Kampagne auf. Abgesehen davon bot der Ökohof den Unterstützern folgende Gegenleistungen:
- Ab einer Spende von 10 €: ein Kaffeegedeck im Hofcafé vor Ort
- ab 35 €: drei Flaschen Bio-Apfeldirektsaft oder drei Gläser Bio-Marmelade
- ab 50 €: eine Übernachtung auf dem Stellplatz oder 20 Liter Äpfel mosten zum halben Preis
- ab 100 €: ein ganzes Wochenende auf dem Stellplatz oder 50 Liter Äpfel mosten zum halben Preis
Für wen eignet sich eine Crowdfunding-Kampagne?
Mona Knorrs Erfahrung nach stammen die meisten Kampagnen im landwirtschaftlichen Bereich von Solawis oder Höfen, die bereits viel Außenkommunikation betreiben. Die zertifizierte Crowdfunding-Spezialistin von wirgarten.com berät seit über sechs Jahren Projektstarter bei der Planung ihrer Kampagnen. Wer schon eine Direktvermarktung oder einen Online-Auftritt mit Followern hat, bekomme die nötige Reichweite schneller zusammen. Betriebe, die dagegen an den Großhandel vermarkten, hätten es schwerer beim Crowdfunding. „Sie haben gar kein Hofumfeld, das sie für die Kampagne aktivieren können“, so Knorr.
Das sieht Dennis Westermann ähnlich. Der Diplom-Finanzwirt und Steuerberater berät Landwirte für die Paulussen und Partner Steuerberatungsgesellschaft mbB in Diepholz. Ihm zufolge sei Crowdfunding – wenn überhaupt – für Direktvermarkter interessant. „Klassische landwirtschaftliche Betriebe versuchen, ihre Projekte selbst, mit Hilfe der landwirtschaftlichen Rentenbank oder anderen finanzierenden Instituten, mit befreundeten Landwirten oder einem Geschäftspartner zu stemmen.“
3 Tipps für ein erfolgreiches Crowdfunding
- Mit anderen austauschen, die schon erfolgreiche Kampagnen gemacht haben, um von deren Erfahrungen zu lernen.
- Kampagne ordentlich und mit ausreichend Vorlauf vorbereiten (z.B. mit einem Crowdfunding Canvas).
- Wissen, wen man mit welcher Botschaft erreichen will. Die Unterstützerinnen und Unterstützer müssen für das Projekt begeistert werden!
Doch beim klassischen Vorverkaufs-Crowdfunding geht es selten rein um die Finanzierung, sondern um eine Kombination aus mehreren Zielen, zum Beispiel Marketing, Aufbau einer Community um den Hof oder den Start einer Direktvermarktung. „Dass man eine spezifische Rückmeldung zum eigenen Projekt bekommt, ist ein großer Vorteil“, findet Kornelia Engler. Wenn es allerdings nur darum geht, Geld für eine Investition zu bekommen, sei Crowdfunding eine extrem aufwendige Variante, so Knorr.
Planung ist das halbe Crowdfunding
Ein Crowdfunding Canvas (zum Beispiel von wirgarten.com) kann helfen, in die Planung einer Kampagne einzusteigen. Wichtig ist eine gute Kalkulation – für das Projekt ebenso wie für die Kampagne. Das Projekt braucht eine gute Story, die emotional überzeugt, und ein ausgereiftes Konzept. Weil die Gemeinschaft das Projekt direkt finanziert, verlangt sie nach transparenten Informationen. „Wenn man einfach nur sagt, man braucht Geld, wird da keiner spenden“, sagt Lutz Engler.
Für eine gute Kommunikationskampagne muss man über die gesamte Laufzeit mit der Öffentlichkeit kommunizieren. „Mein Eindruck ist, dass auf vielen Höfen diese Zeit einfach nicht „übrig“ ist“, erklärt Knorr. Am besten ist daher vor dem Start klar, wer wann welche Kommunikation übernimmt.
Englers sind noch etwas unsicher, ob ihr Crowdfunding ein voller Erfolg wird. „Aber es ist eine moderne Form des Sammelns für einen bestimmten Zweck. Und der Nachhaltigkeitsmarkt wächst“, findet Lutz Engler. Für ihn und seine Frau ist es eine wertvolle Erfahrung, zu sehen, was man mit Crowdfunding erreichen kann. „Kleine Projekte können damit relativ unkompliziert umgesetzt werden“, findet Kornelia Engler. „Es wäre schön, wenn unser Crowdfunding funktioniert und wir sehen, dass wir damit ein Projekt finanzieren können, was wir allein nicht stemmen könnten.“