Mit Wagyu-Rind­fleisch zu höheren Erträgen

Wagyu-Rinder sind berühmt für ihr einzig­ar­tiges marmo­riertes Fleisch, welches von Fein­schme­ckern und Küchenchefs auf der ganzen Welt geschätzt wird. Um die Ertrags­kraft ihres kleinen Vieh­zucht­be­triebs zu stei­gern, haben sich John und Nina Andersson aus Schweden dieser legen­dären japa­ni­schen Rinder­rasse zuge­wandt.

Als eine schwere Dürre im Jahr 2018 die Preise für Kraft­futter in die Höhe schießen ließ, sahen sich John und Nina Andersson gezwungen, ihre Rind­fleisch­pro­duk­tion neu zu über­denken. In Renards­fält an der West­küste Schwe­dens hatten sie ihr Betriebs­system bereits von der Kälber­auf­zucht für andere Land­wirte auf die Aufzucht von Ochsen bis hin zu deren Schlach­tung umge­stellt.

Ihr Ziel war es, in der Land­wirt­schaft zu bleiben und weiterhin Rinder zu züchten. Daher suchten sie uner­müd­lich nach Berei­chen und Nischen, in denen sie das Poten­tial sahen, profi­tabel zu wirt­schaften. Sie wollten ein nach­hal­tiges Einkommen für sich und ihre drei Kinder von dem land­wirt­schaft­li­chen Betrieb erzielen, den John in vierter Gene­ra­tion von seinem Urgroß­vater väter­li­cher­seits geerbt hatte.

„Wir kamen zu der Schluss­fol­ge­rung, dass wir bei einer Haltung der Rinder bis zur Schlach­tung, mehr Geld mit dem Fleisch verdienen müssen“, sagt Nina. Die Rinder­zucht an sich zu vergrö­ßern, war keine Option, selbst wenn sie es gewollt hätten: Das Acker­land rund um ihren 50 ha großen Betrieb stand nicht zum Verkauf und wäre auch nicht bezahlbar gewesen.

Unser erstes Wagyu-Kalb hat uns 30.000 SKR (2.660 €) gekostet.

John Andersson

Nach der Bewer­tung verschie­dener Optionen und dem Ausschluss von Nischen wie Bio-Fleisch Produk­tion oder reiner Gras­füt­te­rung, die bereits von Konkur­renten besetzt waren, kamen sie zu dem Entschluss, die Rasse „Rote-Wagyu“ – bekannt für ihren hohen Gehalt an marmo­riertem Fett und gesunden Fett­säuren – in ihre Herde aufzu­nehmen. Im Jahr 2020 kauften sie ihre ersten Embryonen in Däne­mark. „Wir haben drei Embryonen gekauft und nur einer hat sich erfolg­reich entwi­ckelt, so dass uns unser erstes Rote-Wagyu-Kalb fast 30.000 SKR (2.660 €) gekostet hat“, erzählt John.

Die frühere Herde und das Erbe Simmen­taler Fleck­viehs in Japan

Vor der Umstel­lung hielt das Ehepaar eine Holstein­herde mit insge­samt etwa 150 Tieren. Trotzdem kamen sie nicht über die Runden. Jetzt streben sie mit 75 Tieren etwa die Hälfte dieser Herden­größe an, da sie so viel Futter aus eigenem Anbau wie möglich verwenden möchten.

„Wir wollten unseren bishe­rigen Vieh­be­stand durch eine Rasse ersetzen, die hornlos und leicht zu hand­haben ist sowie sich durch eine gute Futter­ver­wer­tung auszeichnet“, erklärt Nina. „Das schloss einige der tradi­tio­nellen Fleisch­rin­der­rassen aus, so dass wir uns auf eine Wagyu-Angus-Kreu­zung konzen­trierten, obwohl wir noch einige Simmen­taler-Fleck­vieh- und Belted-Galloway-Kälber haben.“

Mit akri­bi­schem Eifer machte sich das Paar daran, die beste Kreu­zung zu iden­ti­fi­zieren. Das passt zu Nina, die ausge­bil­dete Mole­ku­lar­bio­login ist, und entspricht dem wissen­schaft­li­chen Ansatz, den die Japaner inzwi­schen verfolgen, um das Wagyu-Fleisch weiter zu verbes­sern.

Die Belted Galloway-Kuh Cati mit ihrem F1-Wagyu-Kalb Gomez.

„Obwohl sie sich für die Angus-Rinder entschieden hatten, bekam als erstes eine Simmen­taler-Fleck­vieh-Kuh einen Embryo einge­setzt. Simmen­taler Rinder wurden tradi­tio­nell auch von japa­ni­schen Land­wirten bei der Zucht des Wagyu einge­setzt“, sagt Nina. Das Paar entschied sich für das Rote Wagyu-Rind, welches neben dem Schwarzen Wagyu von den vier Rassen, die in Japan als Wagyu klas­si­fi­ziert werden, die am häufigsten verwen­dete Wagyu-Rasse außer­halb Japans ist.

„Die Geschichte des Wagyu-Rindes ist inter­es­sant“, erklärt Nina. „Ursprüng­lich wurden die Rinder als Zugtiere bei der Feld­ar­beit einge­setzt, und es war verboten, das Fleisch zu essen. Doch gegen Ende des 19. Jahr­hun­derts wollte Japan seine Fleisch­pro­duk­tion stei­gern und kreuzte das Rote-Wagyu-Rind mit dem Simmen­taler Fleck­vieh, um größere Tiere zu erhalten. Noch heute stecken im Roten-Wagyu-Rind etwa 25 % Erban­lagen des Simmen­taler Fleck­viehs.“

Das erste Wagyu-Kalb auf dem Hof Renards­fält war die Färse Inari, benannt nach der japa­ni­schen Göttin des Acker­baus. Sie wurde im Jahr 2021 geboren und ging aus befruch­teten Eizellen hervor, die in Däne­mark gekauft wurden. In Europa konnte auch Deutsch­land der Weiter­ent­wick­lung der Wagyu-Rasse in den letzten Jahren die größten Fort­schritte machen konnte. Heute haben alle Kälber, die auf dem Hof geboren werden, einen Wagyu-Anteil von mindes­tens 50 %, und bis 2025 ist es geplant alle Nicht-Wagyu-Rinder zu ersetzen, bis die ange­strebte Zahl von 75 Tieren erreicht ist.

Die Familie Andersson plant, ihre Rinder im Alter von etwa 24 Monaten zur Schlach­tung zu bringen, wird aber auch lebende Rinder und gene­ti­sches Mate­rial verkaufen, wenn sich die Gele­gen­heit ergibt. Sie haben bereits einen Bullen, eine 100%ige Mischung aus Rotem und Schwarzem Wagyu, für etwa 40.000 SKR (3.550 €) verkauft. Nina erklärt den eher nied­rigen Preis damit, dass der Käufer einen 100%iges schwarzen Wagyu-Bullen bevor­zugt hätten.

100 % Wagyu-Färse „Geshi“ (was auf Japa­nisch „Mitt­sommer“ bedeutet).
Valdemar, ein F1-Wagyu-Bullen­kalb einer Fleck­viehkuh.

Durch den Kauf einiger träch­tiger Wagyu-Rinder im Jahr 2021 wurde die noch junge Herde vergrö­ßert. Inzwi­schen wurden bereits 47 Wagyu-Rinder auf ihrem Hof geboren. „John wollte unsere eigene Herde durch eine Kreu­zung von vier Rassen aufbauen, aber das würde mindes­tens vier Gene­ra­tionen dauern und die Vorteile waren unsi­cher“, erklärt Nina.

Der Plan ist die Herden­größe mit ihren eigenen Zucht­tieren zu vergrö­ßern und zu erhalten. Sie müssen aber auch neue DNS einfließen lassen, um Inzucht zu vermeiden. Dazu würden Sie gerne aus den USA zukaufen: Leider ist dieser Weg ist derzeit nicht gangbar, weil wegen der Blau­zun­gen­krank­heit im Süden der USA Importe verboten sind.

Die Verbrei­tung des Wagyu-Rinds über Japan hinaus

Das Wagyu-Rind war und ist in Japan ein hoch geschätztes Tier, welches von einer fast mythi­schen Geschichte umwoben ist. Dementspre­chend gab keine eindeu­tige Entschei­dung, die Rasse mit anderen zu teilen und auslän­di­schen Züch­tern Zugang zu gene­ti­schem Mate­rial zu gewähren. In den vergan­genen 50 Jahren war der Zugang auf einige wissen­schaft­liche Exporte sowie einge­schränkte Exporte bis hin zu Schmuggel begrenzt, da die Japaner die Kontrolle über die Rasse behalten wollen.

Nur vier rein­ras­sige Wagyu-Bullen wurden in den 1970er Jahren zu Forschungs­zwe­cken in die USA expor­tiert. Diese wurden später aller­dings für die Zucht verwendet. Durch das geschickte ausnutzten von Schlupf­lö­chern in den japa­nisch-ameri­ka­ni­schen Handels­be­schrän­kungen wurden dann etwa 200 Wagyu-Tiere aus Japan expor­tiert, davon waren nur 20 Rote-Wagyu. „Darin liegt das Haupt­pro­blem, denn der gesamte Genpool besteht nur aus den Nach­kommen dieser 20 Tiere“, sagt Nina, die sich in erster Linie auf die Aufzucht der Roten-Wagyu konzen­triert.

Die gesamte Rote-Wagyu-Rasse basiert auf dem Erbma­te­rial von nur 20 Kühen.

Nina Andersson

Trotz der restrik­tiven Export­po­litik der Branche gab es in den Jahr­zehnten vor 2020, als die japa­ni­sche Regie­rung ein voll­stän­diges Export­verbot für lebende Wagyu-Rinder und -Genma­te­rial vorschlug, keine formellen Export­ver­bote. Ziel war es, die Kontrolle über die bei west­li­chen Land­wirten und Verbrau­chern immer beliebter werdende Rasse und das Fleisch zu behalten. „Wir werden sehen, was jetzt passiert, denn auch südame­ri­ka­ni­sche Züchter zeigen ein zuneh­mendes Inter­esse am Wagyu“, sagt Nina. Heute sind Austra­lien und die USA bei weitem die größten Wagyu-Fleisch Produ­zenten außer­halb Japans.

Wagyu-Erzeuger in Schweden

In Schweden gibt es nur etwa ein Dutzend Wagyu-Rinder­farmen und nach Angaben des schwe­di­schen Land­wirt­schafts­mi­nis­te­riums gab es im Jahr 2022 etwa 2.500 rein­ras­sige oder gekreuzte Wagyu-Rinder im Land. Es gibt keine Bran­chen­or­ga­ni­sa­tion für Züchter, die derzeit ledig­lich Infor­ma­tionen über soziale Medien austau­schen. Nachdem die Zahl der Tiere im Jahr 2017 ihren Höchst­stand von etwa 3.000 erreicht hatte, hat sie zuletzt wieder zuge­nommen, denn das Bewusst­sein der Verbrau­cher für dieses Fleisch mit seinem beson­deren Geschmack und angeb­lich höheren Nähr­wert im Vergleich zu konven­tio­nellem Fleisch wächst.

Es ist das marmo­rierte Fleisch des Wagyu, das am meisten geschätzt wird. „Man kann die Marmo­rie­rung bei jedem Rind stei­gern, indem man viel Kraft­futter füttert, aber das ist zu teuer“, sagt John. „Außerdem wird man nie den Grad an Marmo­rie­rung errei­chen, den man beim Wagyu sieht. Denn dabei kommt es auch auf die Genetik an.“ Nichts­des­to­trotz achten die Anders­sons sehr auf ihr Futter, da es auch den Geschmack des Flei­sches beein­flusst.

Impor­tiertes Wagyu-Fleisch aus schwarzem Wagyu, das eine satte Marmo­rie­rung (siehe Skala rechts, ca. 8-10) und einen Fett­ge­halt von etwa 45-50 % aufweist.

Bei der Fütte­rung sind die Anders­sons fast schon auf mole­ku­larer Ebene vorge­stoßen, was Ninas Ausbil­dung als Mikro­bio­login geschuldet ist. Ihre Futter­formel ist eine fein abge­stimmte Mischung aus einer Reihe von Kräu­tern und Gräsern wie z. B.: Engli­sches und welsches Weidel­gras, Lies­ch­gras, Wiesen­schwingel, Rot- und Weiß­klee, Luzerne, Zichorie, Horn­klee und Spitz­we­ge­rich. Die Futter­mi­schungen zielen darauf ab, die posi­tiven Eigen­schaften und gesunden Fett­säuren im Fleisch weiter zu verbes­sern und den Gehalt an Omega 3 und Omega 9 zu erhöhen.

„Die DNS ist der wich­tigste Faktor für die Marmo­rie­rung, aber das Futter ist fast genauso wichtig“, sagt John. Ihre Rinder werden ausschließ­lich mit Gras gefüt­tert. Sie bewirt­schaften ihr Weide­land mit einem spezi­ellen Grubber und planen, etwa alle fünf Jahre neu zu säen, mit inter­mit­tie­render Aussaat von empfind­li­cheren Gräsern wie engli­schem und welschem Weidel­gras, die die nordi­schen Winter nicht über­stehen.

In verschie­denen Ländern gibt es unter­schied­liche Klas­si­fi­zie­rungs­skalen für die Rind­fleisch­mar­mo­rie­rung, was einen inter­na­tio­nalen Vergleich der Qualität erschwert.

Marble Beef Score (MBS). Der durch­schnitt­liche schwe­di­sche Supermarkt verkauft Fleisch mit einem Wert von etwa 2 auf der Skala, während Nina und John Andersson hoffen, einen MBS von etwa 5-7 zu errei­chen. Quelle: Die fette Kuh. Illus­tra­tion: Der Marble Beef Score.

Der schwe­di­sche Markt

Wie die meisten anderen Wagyu-Züchter planen auch Nina und John, ihr Fleisch über einen Online-Shop und einen Hofladen direkt an die Verbrau­cher zu verkaufen. Wagyu-Rind­fleisch ist im schwe­di­schen Lebens­mit­tel­ein­zel­handel nicht weit verbreitet, und die Zahl der Restau­rants, die Wagyu-Rind­fleisch servieren, ist wahr­schein­lich noch geringer. Die Züchter stehen daher vor einigen Heraus­for­de­rungen bei der Vermark­tung. Es geht darum Verbrau­cher zu errei­chen, die mit magerem Fleisch aufge­wachsen sind und denen beigebracht wurde, Fett zu meiden. So ist es auch in der Schlacht­in­dus­trie, die Fleisch als schlechter einstuft, wenn der Fett­ge­halt zu hoch ist.

„Das Rind­fleisch in einem normalen Supermarkt erreicht nur 2-2,5 auf der 12-stufigen Skala für den Marmo­rie­rungs­grad („Marble Beef Score“: MBS) und nur ein Schlachthof gibt uns einen Zuschlag für die Marmo­rie­rung“, sagt Nina. Auf dem Hof Renards­fält wird man versu­chen, die Hälfte dieses MBS zu errei­chen, mit einem Marmo­rie­rungs­grad von etwa 5-7. Das wird der nordi­schen Verbrau­cher zufrie­den­stellen, die nach Johns Meinung noch nicht bereit sind für den Grad 12, den die japa­ni­schen Schwarze-Wagyu-Züchter anstreben. Dieses Fleisch hat einen Fett­ge­halt von etwa 50 %. „Ein schwe­di­scher Verbrau­cher würde solch ein Rind­fleisch einfach ablehnen.“

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