Mit Diver­si­fi­zie­rung zum Erfolg

Der sambi­sche Land­wirt Stephen Chin­yama nutzt mehrere Stand­beine, um für ein gutes Auskommen zu sorgen. Ein Tag im Leben eines Mannes, der seinen Fami­li­en­be­trieb mit Geschäfts­sinn, einem guten Risi­ko­ma­nage­ment und Impro­vi­sa­ti­ons­ta­lent führt.

Stephen Chin­yama sitzt auf einem Holz­ho­cker im Schatten eines Baumes. Zufrieden lässt er den Blick über seinen Hof schweifen. Über die einfa­chen, kürz­lich frisch verputzten Stein­häuser, den Traktor, den Anhänger mit dem Bewäs­se­rungs­tank und die Feuer­stelle, auf der die Frauen Nshima kochen. Der Mais­brei ist Natio­nal­ge­richt in Sambia. Der Mais für den Nshima wächst direkt neben dem Hof. „Als mein Vater anfing, gab es hier noch Busch und wilde Tiere“, sagt der Land­wirt. Heute ist die Gegend in der Southern Province, rund um die Stadt Maza­buka, das land­wirt­schaft­liche Zentrum Sambias.

Auf Feldern, die bis zum Hori­zont zu reichen scheinen, wächst ein Meer aus Zucker­rohr. Es wird von Vertrags­bauern bewirt­schaftet und von Zambia Sugar, die hier eine große Zucker­fa­brik betreiben. Die Toch­ter­ge­sell­schaft von Asso­ciated British Foods produ­ziert nicht nur den über­wie­genden Teil des Bedarfs von Sambia, sondern expor­tiert auch in zahl­reiche Nach­bar­länder sowie nach Europa.

Als mein Vater anfing, gab es hier noch Busch und wilde Tiere

Stephen Chin­yama

Abseits der Zucker­rohr­plan­tagen wirt­schaften Tausende kleiner und mitt­lerer Bauern. So wie Stephen Chin­yama, der den Hof vor rund 20 Jahren von seinem Vater geerbt hat. „Damals hatten wir drei Kühe und 20 ha Land.“ Heute besitzt Chin­yama 60 Rinder. Er bebaut zusätz­lich zu den eigenen 20 noch rund 30 gepach­tete ha mit Mais und Baum­wolle sowie etwas Erbsen und Erdnüssen. Der Land­wirt ernährt seine große Familie gut.

Zwischen eigenem Betrieb und Lohn­un­ter­nehmen

Das aber fällt nicht vom Himmel. Stephen Chin­yama steht auf vielen Beinen. Mit seinem Traktor bear­beitet er zwischen Juni und November die Felder anderer Farmer. Im letzten Jahre waren das immerhin über 300 ha für 270 Farmer. Mit den Einnahmen konnte er den Traktor abbe­zahlen. „Man muss aber recht­zeitig mit dem Service beginnen, damit man sein eigenes Feld noch bear­beitet bekommt.“ Außerdem verdient er Geld als Vertreter für Baum­wolle-Saatgut für den nieder­län­di­schen Konzern Louis Dreyfus, für den Stephen Chin­yama zudem selbst anbaut.

Die Milch seiner Kühe liefert er an eine Molkerei vor Ort. Auch das Rind­fleisch hat er früher lokal verkauft. Seit einiger Zeit trans­por­tiert er die Tiere in den nörd­lich gele­genen Copper­belt. Sambias Indus­trie­re­gion ist das größte Abbau­ge­biet für Kupfer in Afrika. „Die Schlacht­be­triebe dort zahlen aufgrund der hohen Nach­frage einen viel höheren Preis.“ Stephen Chin­yama grinst. „Nachdem ich das von einem Händler erfahren hatte, bin ich selbst hinge­fahren, um Kontakte zu knüpfen – seitdem läuft das gut.“

Zeit für die Feld­ar­beit. Heute will die Familie Baum­wolle säen. Einer der Söhne startet den Traktor. Der Traktor schau­kelt durch tiefe Schlag­lö­cher, vorbei an den Höfen der Nach­barn. Stephen Chin­yama hebt grüßend die Hand, ruft dem einen oder anderen ein paar Worte zu.

Mit seinem Traktor bear­beitet Stephen Chin­yama zwischen Juni und November die Felder anderer Farmer.

Mit einem Grubber arbeitet sich Chin­yamas Sohn durch das Feld.

Die boden­scho­nende Bear­bei­tung schützt vor Erosion, Austrock­nung und zu starker Verdich­tung.

Auf dem Feld steht bereits der Grubber bereit. Wenig später arbeitet sich der Trecker damit Reihe für Reihe durch das Feld. Mit dem Pflug arbeitet der findige Land­wirt schon lange nicht mehr, seit er von der Conser­va­tion Farming Unit in die Technik konser­vie­render Land­wirt­schaft einge­führt wurde. Die von UK Aid unter­stützte Orga­ni­sa­tion aus der Haupt­stadt Lusaka trai­niert jähr­lich ca. 200.000 Farmer in Sambia in der inno­va­tiven Methode, die ursprüng­lich in den USA entwi­ckelt wurde.

Konser­vie­rende Land­wirt­schaft gegen Erosion und Verdich­tung

Bei der Repa­ratur eines kaputten Reifens sind Einfalls­reichtum und Geschick gefragt.

Zentrale Idee ist die möglichst geringe Bear­bei­tung des Bodens. „Wir ritzen den Boden für das Saatgut nur eine Hand breit und rund zwanzig Zenti­meter tief ein“, erklärt Stephen Chin­yama. „Der Rest bleibt unbe­rührt, das schützt vor Erosion, Austrock­nung und zu starker Verdich­tung.“

Zum Beweis tritt der Land­wirt mit seinen Gummi­stie­feln auf den federnden Boden seines Feldes. Orga­ni­sche Mate­ria­lien bleiben im Boden und werden zu Nähr­stoffen zersetzt. Vor allem aber hilft die Methode, die Feuch­tig­keit im Boden zu spei­chern. Das ermög­licht die Aussaat einige Wochen vor der Regen­zeit auch ohne künst­liche Bewäs­se­rung, über die kaum ein kleiner und mitt­lerer Farmer in Sambia verfügt. „Mein Mais steht bereits knie­hoch im Feld, wenn der erste Regen fällt und die anderen erst mit der Aussaat beginnen.“ Stephen Chin­yama konnte mit Hilfe dieser Methode seine Erträge zum Teil verdop­peln. Das macht sich beson­ders bei der Baum­wolle bemerkbar, seiner Cash­crop.

Der Trecker stoppt. Reifen­panne. Zwei Söhne Stephen Chin­yamas machen sich mit einer Eisen­stange, einer Fußball­pumpe, einigen Dornen einer Akazie und Steinen vom Feld ans Werk. Nachdem sie den Mantel herunter gehe­belt haben, markieren sie mit den Dornen drei kleine Löcher im Schlauch und rauen mit den Steinen die Ober­fläche an. Zwischen­durch ist einer der beiden zu Fuß ins nächste Dorf gelaufen, um Flicken und Kleber zu kaufen. Es dauert eine gute Stunde, bis der Traktor wieder fahr­be­reit ist.

Impro­vi­sa­tion bei der Traktor-Repa­ratur

Haben sie keinen Ersatz­schlauch oder -reifen? „Viel zu teuer, dieser tut es doch noch.“ Stephen Chin­yama zuckt mit den Schul­tern und schaut dem Traktor hinterher, der seine Arbeit wieder aufge­nommen hat. Hinter dem Gefährt streuen einige Frauen der Familie die Baum­woll­samen in die Rinne, die der Grubber in den Boden geritzt hat. Hinterher fegen sie mit abge­bro­chenen Ästen Erde über die Aussaat. Stephen Chin­yama mag einen Traktor besitzen, ohne die Hand­ar­beit der ganzen Familie würde die Land­wirt­schaft aber nicht funk­tio­nieren.

Nachdem alles wieder nach Plan läuft, macht Stephen Chin­yama sich auf zu seinem nächsten Job. Zur Abrech­nung ist er mit dem Leiter der Vertre­tung von Louis Dreyfus verab­redet. Dominic Garapa empfängt ihn mit einem breiten Lächeln. Vor dem einfa­chen Stein­haus mit Blech­dach, das als Lager und Büro dient, laden Arbeiter die letzten Säcke mit Saatgut auf einen Pick Up. „Wir haben Saatgut an über 1.000 Farmer gelie­fert“, erklärt Dominic Garapa. „Nun ist das Lager leer.“ Erst nach der Ernte in einigen Monaten werden sich hier die Säcke mit der Baum­wolle stapeln.

Wir haben Saatgut an über 1.000 Farmer gelie­fert. Nun ist das Lager leer.

Dominic Garapa

Im Büro stehen ein Schreib­tisch, ein Stuhl und ein zerschlis­sener Sessel. Einen Computer gibt es nicht. Mit Lineal, Kugel­schreiber und Blau­pa­pier führt Dominic Garapa Buch über die Ein- und Ausgänge. „Stephen Chin­yama ist unser bester Mann.“ Trotz der anhal­tenden Dürre, unter der das südliche Afrika seit gut zwei Jahren ächzt, haben die meisten Farmer wieder Saatgut bezogen. Das liegt zum einen daran, dass Stephen Chin­yama und ein großer Teil seiner Kunden dank der konser­vie­renden Land­wirt­schaft die Ausfälle in Grenzen halten konnten. Zum anderen haben viele Farmer eine Ausfalls-Versi­che­rung abge­schlossen. Und sie bekommen das neue Saatgut auf Kredit. „Wann gehst du endlich mit den Preisen runter“, fragt Stephen Chin­yama mit einem breiten Grinsen. Beide lachen.

Mit Lineal, Kugel­schreiber und Blau­pa­pier führt Dominic Garapa (rechts) Buch über die Ein- und Ausgänge.

Probleme mit den Subven­tionen

Sein nächster Termin ist weniger erfreu­lich. In Maza­buka will er wieder einmal nach­fragen, ob die Subven­ti­ons­zah­lungen von der Regie­rung einge­gangen sind. Die Stadt brummt. Es gibt Super­märkte, Banken, Restau­rants, Werk­stätten für Land­ma­schinen, Spedi­teure, Molke­reien und Saat­gut­händler. Einer von ihnen ist Arnold Kwapu. Auch er empfängt Stephen Chin­yama freund­lich. Saatgut und Dünger kann er ihm aber leider wieder nicht aushän­digen. Das Geld von der Regie­rung ist immer noch nicht einge­troffen.

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Schwie­rig­keiten ist Stephen Chin­yama gewohnt. Am Abend hat er seine gute Laune wieder zurück.

Eigent­lich bezahlt diese zwei Drittel der Inves­ti­ti­ons­kosten des Mais­an­baus. Voraus­ge­setzt der Farmer hat vorher ein Drittel Eigen­an­teil geleistet. „Das habe ich längst.“ Stephen Chin­yama ist empört. Zur Förde­rung des Mais­an­baus hat die Regie­rung pro Jahr umge­rechnet knapp 25 Millionen Euro verspro­chen. „Das Geld scheint woan­ders hin geflossen zu sein“, sagt der Händler resi­gniert. „Die Farmer können aber nicht warten – sie müssen jetzt säen und düngen.“

In Sambia gibt es 2,5 Millionen kleiner und mitt­lerer Bauern. Auf ihren Feldern wachsen 80 Prozent der Lebens­mittel des Landes. „Die Regie­rung aber kümmert sich nicht um uns.“  Stephen Chin­yamas Gesicht verdüs­tert sich.Viele seiner Pläne und Ideen schei­tern an den schlechten Bedin­gungen, allen voran den hohen Bank­zinsen von 25 bis 30 Prozent. Seinen Traktor konnte Stephen Chin­yama nur dank eines güns­tigen Kredites des Händ­lers kaufen, den die Conser­va­tion Farming Unit vermit­telt hat. Wie einige Nach­barn würde er gerne in eine Bewäs­se­rung inves­tieren, um Gemüse für den lokalen Markt anzu­bauen. Nur wie finan­zieren?

Am Abend des Tages hat Stephen Chin­yama seine gute Laune zurück. Schwie­rig­keiten ist er gewohnt. „Das war heute ein ganz normaler Tag.“ Chin­yama sitzt wieder auf dem Holz­ho­cker auf seinem Hof. Der Traktor mit dem geflickten Reifen steht unter dem Baum. Auf dem Feuer köchelt Nshima. Die unter­ge­hende Sonne wirft lange Schatten der Szenerie an die Wand eines der Stein­häuser. Nach dem Essen geht Stephen Chin­yama früh schlafen. Schließ­lich gibt es morgen wieder viel zu tun.