„Es sind die Menschen, die das Vertrauen in eine Marke begründen“

Carolin Schäfer ist Grün­derin der Marke­ting-Agentur „detail­reich“ und begleitet Land­wirte und Land­wir­tinnen, die in kurze Liefer­ketten oder den Direkt­ver­kauf einsteigen. Ein Gespräch über Marke, Bran­ding und Kommu­ni­ka­tion in sozialen Medien.

Carolin Schäfer, für große Lebens­mit­tel­her­steller ist effi­zi­entes Bran­ding unver­zichtbar. Wie ist es beim Direkt­ver­kauf oder bei kurzen Liefer­ketten – ist eine Marke als Marke­ting-Tool über­haupt notwendig, um effi­zient zu vermarkten?

Defi­nitiv ja. Man muss sich immer bewusst sein: Sobald ich als Verkäufer in einen Markt eintrete, reprä­sen­tiere ich mit meinem Unter­nehmen im Prinzip schon eine Marke. ‚Hof Meier‘ beispiels­weise ist schon eine Marke, ob bewusst oder unbe­wusst kommu­ni­ziert. Man steht also vor der Frage: Mache ich es unbe­wusst schlecht oder bewusst gut? Ich würde immer dazu raten, es direkt bewusst gut zu machen. Und dafür ist der gezielte, aktive Aufbau einer Marke, das sogen­n­ante Bran­ding, eine notwen­dige Voraus­set­zung.

Eine Marke ist mehr als ein Logo und der Name des Hofes. Was gehört noch zur Defi­ni­tion?

Name und Logo sind tatsäch­lich mit das erste, was der Kunde wahr­nimmt – sozu­sagen das Spie­gel­bild des Unter­neh­mens. Zur Marke gehört aber auch alles, was dahin­ter­steckt und zum Erschei­nungs­bild beiträgt. Was gibt es für Marken­werte, wofür steht das Unter­nehmen, was ist die eigene Passion hinter dem Produkt und dem Herstel­lungs­pro­zess? Das kann der Kunde natür­lich nicht sehen, aber es ist wichtig. Denn dieses Selbst­bild schafft die Basis für das Bran­ding und somit das Fremd­bild.

Name und Logo sind das Spie­gel­bild des Unter­neh­mens.

Carolin Schäfer

Wissen Ihre Kunden von Anfang an, was ihre Marke darstellen soll?

Meine erste Frage ist immer: Wer sind Sie und was machen Sie eigent­lich? Oft schaue ich dann in leere Gesichter. Die meisten haben sich diese Frage noch nie so direkt gestellt. Es geht darum heraus­zu­finden: Was macht uns und unsere Produkte anders? Wo gehen wir einen beson­deren Weg? Das Ziel ist es, die posi­tiven Eigen­schaften hervor­zu­heben. Das andere muss man nicht verste­cken, aber auch nicht fokus­sieren. Wenn man sich all diese Fragen beant­wortet hat, ergibt sich meist genug Futter, um daraus eine gute Story zu stri­cken.

Wie erzählt man eine „gute Story“?

Für eine gute Story bringen land­wirt­schaft­liche Betriebe alles mit. Meis­tens beginnen wir mit der Geschichte des Betriebs. Und damit meine ich nicht die Hofchronik, sondern viel­mehr das, was den Betrieb ausmacht. Wer steckt dahinter, was passiert auf dem Hof und warum. Das sind Geschichten, über die es sich zu reden lohnt. Am Ende geht es nur um eines: posi­tive Emotionen. Diese ist die Gund­lage, um erfolg­reich zu vermarkten.

Wenig Unter­nehmen können so facet­ten­reiche, leben­dige Geschichten erzählen wie die Land­wirt­schaft.

Carolin Schäfer

Wenig Unter­nehmen können so facet­ten­reiche, leben­dige Geschichten erzählen wie die Land­wirt­schaft, die jeden Tag voller neuer Eindrücke und Erleb­nisse ist. Diesen span­nenden Alltag kann man optimal mit seinen Kunden teilen – auf der eigenen Webseite oder in sozialen Medien. Dabei sollte es nicht zu lang­atmig werden, sondern stets poin­tiert und in leicht verständ­li­cher Sprache. Land­wirt­schaft­liche Fach­be­griffe haben in der Kunden­kom­mu­ni­ka­tion nichts zu suchen!

Über das Marken­kon­zept hinaus – über­nimmt eine Agentur wie Ihre auch das Storytel­ling?

Auf Kunden­wunsch helfen wir wo es geht. Sicher­lich können wir auch in gewissem Maße beim Storytel­ling unter­stützen. Manche Kunden nehmen das lieber selbst in die Hand, weil sie Spaß daran haben. Eine Agentur kann bestimmt viel Arbeit abnehmen, aber der Stoff für die zu erzäh­lenden Geschichten muss vom Unter­nehmen bzw. den Unter­neh­mern kommen. Es sind schließ­lich die Menschen auf den Betrieben, die am tägli­chen Geschehen teil­nehmen und darüber berichten können. Nur auf diese Weise wird das Storytel­ling persön­lich, indi­vi­duell und authen­tisch.

Ing. agr. Carolin Schäfer, Geschäfts­füh­rerin und Inha­berin der Agrar­mar­ke­ting Detail­reich GmbH

Sobald man in den sozialen Medien die Inter­ak­tion mit den Kunden sucht, muss man damit rechnen, dass mögli­cher­weise auch ein nega­tives Feed­back kommt. Wie geht man damit um?

Wichtig ist es, am Ball zu bleiben: Regel­mäßig rein­schauen und auch reagieren. Man kann nega­tive Bewer­tungen nicht löschen, aber wenn ich darauf profes­sio­nell und freund­lich reagiere, ohne sofort belei­digt zu sein, nehme ich jedem direkt den Wind aus den Segeln. Und mitle­sende Kunden nehmen das auch als positiv wahr. Angst davor haben muss auf jeden Fall keiner.

Ziel der Marke ist im Endef­fekt, Vertrauen aufzu­bauen. Wie schafft man das?

Ganz klar mit Trans­pa­renz und Persön­lich­keit. Wichtig ist es, ehrlich über das zu berichten was, warum und wie man es macht. Das alles immer möglichst persön­lich, denn die Menschen dahinter sind mitunter das größte Marke­ting­ka­pital land­wirt­schaft­li­cher Betriebe. Viele versu­chen sich hinter ihrer Marke zu verste­cken, viel­leicht aus Schutz der Persön­lich­keit. Das ist aber nicht ziel­füh­rend: Menschen schüren Vertrauen und Menschen sind auch am Ende dieje­nigen, die das Vertrauen in eine Marke begründen. Wenn die Kunden das Gefühl haben, dass sie gut aufge­hoben sind, dann kann sich daraus eine lang­fris­tige Kunden­be­zie­hung ergeben.

Haben Sie die Erfah­rung gemacht, dass Betriebe ihr Angebot an die Marken­stra­tegie anpassen?

In den letzten Jahren erkenne ich den Trend, dass sich stetig mehr Direkt­ver­mark­tungs­be­triebe profes­sio­nell mit dem Thema ausein­an­der­setzen und über­legen, wie sie ihre Produkt­pa­lette sinn­voll für ihre Marke erwei­tern können. Der Anteil der Betriebe, die so vorgehen, ist natür­lich noch gering gemessen an der Gesamt­heit.

Bei den meisten Unter­nehmen ergibt sich eine Erwei­te­rung der Produkt­pa­lette aus dem Betriebs­ab­lauf heraus. Deswegen plädiere ich häufig dafür sich abzeich­nende Entwick­lungen, wie beispiels­weise der Einstieg in die Eier- oder Beeren­pro­duk­tion, bei der Konzep­tion einer Marke von Anfang an zu berück­sich­tigen, um sich alle Türen offen­zu­halten. Dies ist einer der gewich­tigsten Gründe dafür, dass häufig der Betrieb selbst zur Marke wird.  

Wie sehen Sie den Trend zur Direkt­ver­mark­tung in Deutsch­land? Was hat sich seit der Pandemie geän­dert?

Ich glaube, dass die Pandemie eine Entwick­lung beschleu­nigt hat, die sich bereits vorher abzeich­nete. Wir erleben, dass immer mehr Betriebe in die Direkt­ver­mark­tung einsteigen. Hier war die unsi­chere Lebens­mit­tel­ver­sor­gung während der Pandemie und der damit verbun­dene wach­sende Konsu­men­ten­wunsch nach regio­naler Versor­gung sicher­lich eine trei­bende Kraft.

Lebens­mittel vermarkten sich nicht von allein. Vertrieb, Logistik und Marke­ting machen Arbeit.

Carolin Schäfer

Außerdem sehen wir einen Gene­ra­tio­nen­wechsel. Viele junge Betriebs­nach­folger haben in den vergan­genen Jahren die Betriebe der Eltern über­nommen und die wollen betrieb­lich nun andere Wege als ihre Väter und Mütter gehen. Sie sehen das wirt­schaft­liche Poten­zial in der Direkt­ver­mark­tung. Trotzdem müssen sie sich darüber im Klaren sein: Lebens­mittel vermarkten sich nicht von allein. Vertrieb, Logistik und Marke­ting machen am Ende nicht zu unter­schät­zende Arbeit. Damit verbunden entstehen mit einer Direkt­ver­mark­tung ganz andere Kosten und Aufgaben. Aber ich bin sicher, dass sie auch die Chance bietet, sich unter­neh­me­risch selbst zu verwirk­li­chen – und mehr zu sein als „einfach nur Zuliefer“.