Kurze Liefer­ketten für essbare Samen

In Nérondes, in der Region Berry, produ­zieren Marion Brateau und Damien Snees­sens eine breit gefä­cherte Palette von „Superfood“-Saatgut, das sie unter ihrer eigenen Marke vertreiben. Dadurch sichern sie die Produk­tion von etwa 50 Vertrags­land­wirten. Wir treffen auf ein junges Paar voller Initia­tive und Leiden­schaft.

Nach ihrem Studium der Land­technik absol­vierte Marion Breteau ein sechs­mo­na­tiges Prak­tikum, bei dem sie Projekte für die Verar­bei­tung und den Direkt­ver­trieb von land­wirt­schaft­li­chen Produkten unter­stützte. Sie erin­nert sich an das Aha-Erlebnis, als ihr Partner Damien, den Sie in der Inge­nieurs­schule kennen­ge­lernt hat, den land­wirt­schaft­li­chen Fami­li­en­be­trieb im Jahr 2015 über­nahm und sie beide beschlossen, ihre Produkte über kurze lokale Liefer­ketten zu vertreiben.

„Wir haben uns ein ganz­heit­li­ches Konzept vorge­stellt, wobei wir uns um den Verar­bei­tungs- und Vermark­tungs­teil selbst kümmern wollten“, sagt Marion. Neben dem Wunsch nach Auto­nomie ging es auch darum, ein resi­li­entes Anbau­mo­dell aufzu­bauen, bei dem Feld­früchte wider­stands­fä­higer gegen­über widrigen Wetter­ver­hält­nissen und weniger von Pflan­zen­schutz­mit­teln abhängig sind. „Dieses Modell versprach eine höhere Wert­schöp­fung“, betont die junge Land­wirtin.

Die Auswei­tung der Frucht­folge gibt uns im Hinblick auf klima­ti­sche Widrig­keiten Sicher­heit und ermög­licht uns eine natür­liche Bekämp­fung von Unkräu­tern.

Damien Snees­sens

Auf der Suche nach einer Nische entschieden sie sich für Quinoa. Nach einer Peru Reise, während der sie sich das nötige Wissen aneig­neten, wurden einige Hektar zur Probe ausgesät. Quinoa ist eine Früh­jahrs­feld­frucht, die Wasser­mangel gut verkraftet, jedoch wegen des sehr kleinen Saat­guts eine umsich­tige Aussaat erfor­dert, und für die es keine konven­tio­nell zuge­las­senen Herbi­zide gibt.

„Deshalb haben wir uns intensiv mit dem Thema mecha­ni­sche Unkraut­be­kämp­fung beschäf­tigt. Nach der Aussaat im Reihen­ab­stand von 45 cm ist Hacken (hier mit Kamera) ein sehr wich­tiger Schritt für den erfolg­rei­chen Anbau dieser Feld­frucht. Wir beginnen früh und können so bis zu drei Durch­gänge schaffen.“ Ansonsten benö­tigt Quinoa wenig Betriebs­mittel, dies gilt auch für Dünge­mittel.

Cheno­po­dium Quinoa

Dieses Pseu­do­ge­treide ist ein Fuchs­schwanz­ge­wächs und somit mit dem Spinat und der Rübe verwandt. Quinoa erträgt Wasser­stress gut, bleibt aber in wich­tigen Entwick­lungs­sta­dien empfind­lich gegen­über Hitzestress. Die Pflanze benö­tigt wenig Betriebs­mittel, insbe­son­dere wenig Dünger. Im Bereich Pflan­zen­krank­heiten ist er vor allem gegen­über falschem Mehltau anfällig.

Verar­bei­tung und Vermark­tung

Zeit­gleich mit ihren Anbau­ver­su­chen entwi­ckelten Marion und Damien einen Plan für den Verar­bei­tungs­pro­zess mit dem Ziel diesen Schritt für Schritt zu finan­zieren und in den eigenen Betrieb zu inte­grieren. Annahme der von Vertrags­bauern gelie­ferten Samen zur Ernte­zeit, Einla­ge­rung in Silos, eine Sortier­linie, Schäl- und Absack­ma­schinen usw. „Zu Beginn wurde fast alles fremd­ver­geben“, erin­nert sich Marion. „Als die Produk­ti­ons­mengen nach und nach stiegen, haben wir inves­tiert. Jetzt wird alles bei uns auf dem Betrieb vor Ort erle­digt.“  

Während des Aufbaus der Verar­bei­tungs­kette suchte das Paar nach Möglich­keiten seine Produkte über kurze lokale Liefer­ka­näle zu vermarkten. Im Jahr 2018 wurde als erste Marke „Sa majesté la graine“ für konven­tio­nelle Quinoa ins Leben gerufen, die zunächst auf Märkten und in Geschäften für land­wirt­schaft­liche Produkte verkauft wurde. Aller­dings benö­tigten sie einen größeren Kunden­stamm. „Wir haben einfach losge­legt“, erin­nert sich Marion. „Wir haben unzäh­lige Messen, insbe­son­dere Lebens­mit­tel­messen wie die SIAL oder die IRHA in Lyon, besucht. Wir sind zu den Ständen der Weiter­ver­ar­beiter gegangen und haben gesagt: Wir möchten dieses und jenes Saatgut produ­zieren, sind Sie inter­es­siert und welche Mengen würden Sie abnehmen? Auf diese Weise haben wir es geschafft, mehr­jäh­rige Verträge abzu­schließen.“

Der Betrieb bewirt­schaftet 270 ha, davon 100 ha biolo­gisch, mit einer sehr abwechs­lungs­rei­chen Frucht­folge.

Durch den anfäng­li­chen Verkauf an den Land­handel und Genos­sen­schaften konnte Schritt für Schritt eine gesamte Verar­bei­tungs­kette auf dem Betrieb finan­ziert werden.

Lage­rung in Silos, Sortie­rung, Schälen, Absa­cken … alles wird jetzt auf dem Betrieb erle­digt.

Heute werden 40 % der Produk­tion über eine kurze Liefer­kette verkauft.

Quinoa macht 65 % der vermark­teten Mengen aus.

Zwei Marken

Heute ist das Anbau­pro­gramm auf dem Fami­li­en­be­trieb stark diver­si­fi­ziert: Durum-Weizen, Gerste, Einkorn, Quinoa, verschie­dene Hülsen­früchte und je nach Jahr Sonnen­blumen, Amaranth, Triti­cale, und Buch­weizen als Zwischen­frucht. Von 270 ha werden 100 ha biolo­gisch bewirt­schaftet, der Betrieb ist HVE-zerti­fi­ziert und hat mit „Graines de sens“ eine zweite Bio-Marke geschaffen.

Zur eigenen Fläche des Betriebs kommt die der 50 Vertrags­bauern dazu, „was für die Siche­rung des Anbau­vo­lu­mens uner­läss­lich ist“. 40 % der Produk­tion werden über „Berry Graines“ abge­wi­ckelt, das Unter­nehmen, das für kurze lokale Liefer­ketten gegründet wurde. Der Rest geht an die Genos­sen­schaft sowie an Land­händler.

Der Betrieb arbeitet mit Kunden zusammen, die sich durch unter­schied­liche Anfor­de­rungs­pro­file auszeichnen. „Das ist wichtig, um unsere Verkaufs­ziele zu errei­chen. Einige nehmen uns nur einen großen Teil einer einzelnen Sorte ab, werden aber in Zukunft mögli­cher­weise auch Bedarf an einem anderen Saatgut haben, das wir bereits in unserem Sorti­ment führen können. Daneben haben wir andere Kunden, die bereits die gesamte Palette bei uns einkaufen.“ 

Anspruchs­volle Kommu­ni­ka­tion

Anfangs wussten Marion und Damien wenig über Marken und Kommu­ni­ka­tion. Also tasteten sie sich mithilfe der Trial-and-Error-Methode langsam vor. Nach der Anmel­dung der ursprüng­li­chen Handels­marke beim Inpi, dem Fran­zö­si­schen Natio­nalen Institut für Indus­tri­elles Eigentum, erhielten sie zwei Monate später einen Brief von einem Rechts­an­walt. „Eine Genos­sen­schaft in der Normandie hatte einen Namen, der unserem ähnelte, also baten sie uns, unseren zurück­zu­ziehen“, erin­nert sich Marion.

Sie empfiehlt, sich vor Beginn an einen Rechts­an­walt zu wenden, um jegli­ches Risiko zu vermeiden. Der Rechts­an­walt prüft bereits exis­tie­rende Marken und bestä­tigt die Rechts­gül­tig­keit des Namens. „Seine Ratschläge waren gut, auch wenn wir nicht unbe­dingt alle befolgt. Er sagte uns beispiels­weise, um keinen Ärger zu bekommen sollten wir einen Namen finden, der nichts mit dem Produkt zu tun hat.“ 

Wir bauen ein resi­li­entes Modell auf, bei dem Feld­früchte wider­stands­fä­higer gegen­über widriger Wetter­ver­hält­nissen werden und wir weniger Betriebs­mittel brau­chen.

Marion Breteau

Sobald die Marke einge­führt war, musste sie sich um das Marken­image kümmern. „Wir haben verschie­dene Webseiten, die gepflegt werden müssen, ganz zu schweigen von Face­book, Insta­gram und LinkedIn usw.“, erzählt Marion, die mitt­ler­weile dank verschie­dener Schu­lungen an Profes­sio­na­lität in diesem Bereich zuge­legt hat. Texte, Fotos und Videos zeigen sowohl die eigent­li­chen Produkte als auch die Arbeit auf den Feldern während der ganzen Saison. „Man muss ständig dran­bleiben, auf Kommen­tare antworten und regel­mäßig Content veröf­fent­li­chen. Außerdem muss man versu­chen, denselben Schreib­stil zu verwenden und dieselben Schlüs­sel­wörter zu benutzen. Der Vorteil ist, dass wir heut­zu­tage Zugriff auf eine Viel­zahl von statis­ti­schen Auswer­tungen haben, um unsere Veröf­fent­li­chungen besser zu steuern.“

„Der Zeit­auf­wand für die Kommu­ni­ka­tion sollte keines­falls unter­schätzt werden“, warnt Marion, die diesem Thema über zwei Stunden pro Tag widmet und gleich­zeitig weiterhin in die tägli­chen Verar­bei­tungs­ab­läufe invol­viert ist. „Auch wenn mein Partner mich manchmal damit ärgert, dass ich mir eine Auszeit gönne, um wieder einmal Spaß auf Insta­gram zu haben“, sagt sie mit einem Lächeln, „ist es tatsäch­lich Arbeit, die aus unter­neh­me­ri­scher Sicht uner­läss­lich ist. Wir haben einige Verträge über soziale Netz­werke an Land ziehen können, und wenn wir poten­zi­elle Kunden treffen, erzählen Sie uns: „Wir haben sie in den sozialen Medien gesehen’“. 

Während ihr Mann Damien für den Feld­anbau verant­wort­lich ist, konzen­triert sich Marion Breteau, selbst Agro­nomin, auf die Verar­bei­tungs­ak­ti­vi­täten.
Amaranth, eine weitere in Südame­rika behei­ma­tete Pflanze, hat auch seinen Platz in der Frucht­folge gefunden, ist aber auf dem fran­zö­si­schen Lebens­mit­tel­markt noch kaum bekannt.

Synergie zwischen Feld­früchten und Nutz­tieren

Der Betrieb hält 75 Mutter­kühe der Rassen Salers und Limousin auf seinen 80 ha Grün­land, die für den Ackerbau unge­eignet sind. Diese eher genüg­samen Rassen fressen im Winter wenig und der Kraft­fut­ter­be­darf wird voll­ständig durch den Abfall aus der Sortier­linie gedeckt. „Wir sammeln außerdem den Dung, der für uns sehr nütz­lich ist. Wir produ­zieren unser eigenes Heu und Stroh und über­legen, Wiesen in die Frucht­folgen einzu­be­ziehen.“ Das Fleisch wird als Schlacht­körper verkauft. Es ist nicht das Ziel, das Fleisch selbst zu vermarkten. „Wenn ich sehe, welchen Vorschriften und Einschrän­kungen wir als Erzeuger von Trocken­pro­dukten unter­liegen, ziehe ich meinen Hut vor den Kollegen, die frische Lebens­mittel produ­zieren.“ 

Die beiden Agrar­in­ge­nieure glauben fest an die Synergie zwischen Pflanzen und Tieren und machen keinen Hehl daraus, dass pflanz­liche Proteine für ihre Marken eine Rolle spielen. „Wir versu­chen nicht, Vege­ta­rier oder Veganer als spezi­fi­sche Ziel­gruppe anzu­spre­chen“, betont Marion. „Auch wenn wir weiterhin Züchter bleiben, möchten wir darauf hinweisen, dass es mitunter inter­es­sant ist, tieri­sche Proteine durch pflanz­liche zu ersetzen, insbe­son­dere aus ernäh­rungs­phy­sio­lo­gi­schen Gründen.“ 

Den eigenen Weg gehen

Marion Breteau und Damien Snees­sens haben sich getraut, ihren eigenen Weg einzu­schlagen: Sie grün­deten die Marke „Sa Majesté la Graine“. Dadurch haben sie kurze Vermar­kungs­ketten und ein resi­li­en­teres Betriebs­system mit mehr Wert­schöp­fung.

Mehr Aner­ken­nung für Land­wirte

Was sind die Stärken und Schwä­chen eines solchen Systems? „Man muss viele neue Fertig­keiten erlernen. Nicht jeder ist bereit, sich darauf einzu­lassen“, merkt Marion, die ehema­lige Bera­terin für Direkt­ver­mark­tung, an. Beispiels­weise nimmt das Perso­nal­ma­nage­ment der 11 Mitar­beiter von Berry Graines bis zu 30 % ihrer Arbeits­zeit in Anspruch.

„Wenn man eine eigene Marke hat, ist man bei allen Problemen selbst verant­wort­lich. Wir können die Schuld nicht auf jemand anderen schieben. Daher müssen wir einwand­freie Qualität liefern.“ Dazu gehört auch, beim Betriebs­wachstum einen objek­tiven Blick zu wahren. „Es besteht eine Gefahr darin, sich zu schnell zu entwi­ckeln, insbe­son­dere wenn die Nach­frage hoch ist.“ 

Die Vorteile ergeben sich insbe­son­dere aus unserem Ruf. „Er hilft uns, neue Kunden zu gewinnen“, bestä­tigt die Land­wirtin. Die Bezie­hungen zu Banken und Versi­che­rungs­un­ter­nehmen haben sich mitt­ler­weile gefes­tigt, erzählt Marion und beschreibt den in dieser Hinsicht schwie­rigen Start, der auf die unge­wöhn­liche Art des Projekts zurück­zu­führen ist.

Doch am Ende geht es nicht nur um Produk­ti­ons­mengen und Image­pflege. „Dank des direkten Kontakts zu Kunden und Verbrau­chern ist unsere Tätig­keit sehr berei­chernd. Wir sind nicht mehr nur Liefe­ranten. Unsere Vertrags­an­bauer freuen sich immer, wenn sie im Supermarkt einkaufen und dabei die Saat­gut­päck­chen mit ihren eigenen Produkten darin sehen. Das macht sie stolz. Sie erhalten Päck­chen von uns und geben sie ihren Freunden und Verwandten. Dadurch bekommt der Beruf des Land­wirts wieder eine ganz andere Bedeu­tung, und dieser Gedanke ist uns sehr wichtig.“ 

Inter­net­auf­tritt der Marke Berry Graines