Brau­gerste: Durch­gän­gige Liefer­kette von der Ähre bis ins Glas

15 % der globalen Bier­pro­duk­tion stammt aus fran­zö­si­scher Winter- oder Sommer­brau­gerste. Vom Land­wirt bis zum Brauer ziehen alle Akteure an einem Strang, um best­mög­liche Ergeb­nisse zu erzielen.

In Frank­reich werden für die Bier­pro­duk­tion genauso viel Winter- wie Sommer­gerste ange­baut, das ist unge­wöhn­lich. Beide Sorten zusammen errei­chen eine Gesamt­menge von fast vier Millionen Tonnen pro Jahr. Dies bedeutet auf dem globalen Markt einen Vorteil, da so unter­schied­liche Malz­arten erzeugt werden können, die wiederum in unter­schied­li­chen Bieren einge­setzt werden. Malz aus sechs­rei­higer Winter­gerste eignet sich für die Produk­tion von Sorten wie Kloster- und Lager­bieren. Es ist viel­seitig und wird oftmals mit Malz aus zwei­zei­liger Sommer­gerste gemischt, die von den Brauern als höher­wer­tiger ange­sehen wird, jedoch stär­keren Schwan­kungen in ihren brau­tech­ni­schen Eigen­schaften unter­liegt. Auch aus Sicht der Land­wirte sind die verschie­denen Brau­gers­ten­sorten inter­es­sant.

Zwei­zei­lige Sommer­gerste und sechs­zei­lige Winter­gerste: Der Anbau dieser beiden Brau­gers­te­sorten ermög­licht es Julien Dous­si­neau, vom Herbst bis ins Früh­jahr auszu­säen.

Sechs­zei­lige Winter­gerste liefert in Bezug auf den kali­brierten Getrei­de­er­trag die besten Ergeb­nisse. Sommer­gerste ist zwar etwas weniger ertrag­reich, wird jedoch aufgrund ihrer Quali­täts­pa­ra­meter wie Korn­größe, spezi­fi­sches Gewicht des Getreides, Malz­ex­trakt, schnelle Keimung sowie Fria­bi­lität geschätzt. Infol­ge­dessen liegt ihr Preis häufig 15 bis 20 €/t höher als der von Winter­gerste.

Alle Gers­ten­sorten auf demselben Betrieb

Einige Land­wirte bauen sowohl Winter- als auch Sommer­brau­gerste an. In Eure-et-Loir hat sich Julien Dous­si­neau für einen kombi­nierten Ansatz entschieden. „Ich habe drei Zeit­fenster für die Aussaat: den Früh­herbst für die Winter­gerste, den November für im Spät­herbst gesäte Sommer­gerste sowie den Februar oder März für im Früh­jahr gesäte Sommer­gerste“, erklärt er. „Es ist sinn­voll, diese drei Brau­gers­te­sorten in die Frucht­folge einzu­binden, da sie vor oder nach dem Weizen geerntet werden. So lässt sich der Ernte­ab­lauf gut orga­ni­sieren, während wir gleich­zeitig das Risiko streuen.“

Drei Sorten Brau­gerste in meiner Frucht­folge ermög­li­chen es mir, die Ernte gut zu orga­ni­sieren und die Risiken zu streuen.

Julien Dous­si­neau

Denn einige Feld­früchte sind risi­ko­rei­cher als andere. „Die im Winter gesäte Sommer­gerste wird im Durch­schnitt alle zehn Jahre durch Frost geschä­digt. Dafür erwirt­schafte ich einen 1,5 t/ha höheren Ertrag als bei der konven­tio­nellen Aussaat im Früh­ling. Trotzdem säe ich Sommer­gerste auch weiterhin auf die herkömm­liche Weise im Februar aus. Sie benö­tigt einen geringen Betriebs­mit­tel­ein­satz und ermög­licht es uns, den Kreis­lauf resis­tenter Unkräuter zu durch­bre­chen, insbe­son­dere den des Weidel­grases.“

Der Land­wirt bewirt­schaftet einen Fami­li­en­be­trieb in Bois­ville Saint Père (Eure-et-Loir) mit fast 600 ha und baut zehn verschie­dene Feld­früchte an. Seine Brunnen und seine Bewäs­se­rungs­sys­teme ermög­li­chen es ihm, seine Erträge stabil zu halten. „Ich verfüge über die rich­tigen Hebel, um Brau­gerste trotz widrigen Wetters anzu­bauen. Ich baue derzeit vier Winter- und Sommer­brau­gers­ten­sorten an und produ­ziere außerdem auf 35 ha vier Sorten Gers­ten­saatgut.“ Der Betrieb von Julien Dous­si­neau ist für die Trock­nung und Lage­rung ausge­rüstet. Ohne diese Ausstat­tung würde er keine Vermeh­rungs­ver­träge bekommen.

Domi­nique Vequaud, Gers­ten­züchter bei Secobra Rese­arch, im Bois-Henry-Zentrum in Yvelines.

Im weiter östlich gele­genen Burgund mit konti­nen­talem Klima spielt die Winter­brau­gerste eine wich­tige Rolle in der Frucht­folge. Die Aussaat erfolgt im Früh­herbst und die Ernte vor Beginn der trockenen Jahres­zeit. „Sechs­zei­lige Winter­gerste bietet Vorteile in Bezug auf den Klima­wandel. Sie gehört zu den Sorten, denen die Wasser­knapp­heit im Burgund am wenigsten ausmacht“, merkt Mickael Mimeau von der Genos­sen­schaft Alli­ance BFC an.

Wachs­tums­kam­mern mit künst­li­cher Beleuch­tung ermög­li­chen eine Beschleu­ni­gung der Selek­ti­ons­zeit.

Der Ertrag der Winter­gerste entspricht nahezu dem Ertrag von Weizen, jedoch mit gerin­gerer Schwan­kungs­breite. Außerdem ist der Prote­in­ge­halt der Winter­gerste stabiler als bei der Sommer­gerste. Auch wenn die Körner bei sechs­zei­ligen Winter­sorten kleiner sind, nähern sich die Korn­größen von Sommer- und Winter­gerste aufgrund der sorten­spe­zi­fi­schen Entwick­lung an.

Dies ist zwei­fels­ohne der Grund, warum im Burgund inzwi­schen ein Achtel der fran­zö­si­schen Winter­gerste geerntet wird. Letz­tere hat die Sommer­gerste klar über­holt, da sie weniger ertrag­reich und empfind­li­cher gegen­über Trocken­heit ist. „Winter­gerste bietet auf Flächen mit geringem Poten­tial agro­no­mi­sche Vorteile in der Frucht­folge. Darüber hinaus verfügt Gerste über Spelzen, die sie teil­weise vor Schäd­lingen und Krank­heiten schützen.

Konta­mi­nie­rungen fallen oftmals geringer aus als bei anderen Getrei­de­sorten“, sagt Geoffroy Oudoire, der als Inge­nieur für das Forschungs­in­stitut Arvalis arbeitet. Auch in dieser im Osten des Landes­in­neren gele­genen Region ist die Renta­bi­lität der Gerste weiterhin eng mit den Subven­tionen verknüpft. “Die den Land­wirten gezahlten Preise sind in den letzten beiden Jahren zwar gestiegen, aber wir sollten in diesem Jahr vor dem Hinter­grund eines starken Anstiegs der Betriebs­mit­tel­kosten die Margen genau im Auge behalten“, so Geoffroy Oudoire.

Effek­tive Selek­tion für sechs­zei­lige Gers­ten­sorten

Obwohl sechs­zei­lige Winter­gers­ten­sorten als die „Allzweck­waffe“ für das Mälzen und Brauen ange­sehen werden, besteht auch hier noch weiteres Verbes­se­rungs­po­ten­tial. Geeig­nete Selek­tion fördert tech­no­lo­gi­sche Eigen­schaften wie Korn­größe und Malz­ex­trakt. Die Forschung, insbe­son­dere die Genomik, hat die gene­ti­sche Entwick­lung beschleu­nigt, wodurch die sorten­spe­zi­fi­sche Selek­ti­ons­zeit inner­halb von 20 Jahren halbiert wurde.

Bei unserer Selek­tion wurden die für uns inter­es­santen Gene aus exoti­schen Popu­la­tionen extra­hiert.

Domi­nique Vequaud

Im Durch­schnitt ist der Ertrag von Winter­gerste um mehr als 0,1 t/ha und Jahr gestiegen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die gestie­gene Resis­tenz der Sorten. Diese war zwin­gend notwendig, nachdem die Saat­gut­be­hand­lung mit Neoni­co­ti­no­iden einge­stellt wurde, welche die Gerste vor der Über­tra­gung des Gers­ten­gelb­ver­zwer­gungs­virus (BYDV) durch Blatt­läuse schützte. Die Wetter­be­din­gungen im Herbst waren noch nie so mild und günstig für Blattlaus­flüge wie heute. „Da bietet die Genetik die ideale Lösung“, so Florent Cornut, Vertriebs­leiter des Saat­gut­un­ter­neh­mens Secobra Recher­ches.

Eines der Ziele von Secobra Recher­ches ist es, kurz­wüch­sige Sorten mit einem kurzen 100-Tage-Anbau­zy­klus und nied­rigem Stick­stoff­be­darf zu selek­tieren.

„Bei unserer Selek­tion wurden die für uns inter­es­santen Gene aus exoti­schen Popu­la­tionen extra­hiert. Seit 2019 sind 100 % der Winter­gers­ten­sorten, die wir in Frank­reich zur Regis­trie­rung anmelden, BYDV-tole­rant.“ Was andere Para­siten betrifft, werden eben­falls geeig­nete Lösungen einge­setzt. „Wir haben eine neue Resis­tenz­quelle gegen Rhyn­chos­po­riose, eine schwere Gers­ten­krank­heit, sowie Resis­tenz­quellen gegen das Gers­ten­gelb­ver­zwer­gungs­virus gefunden“, berichtet Domi­nique Vequaud, Gers­ten­züchter bei Secobra Recher­ches.

Eine weitere Heraus­for­de­rung für Saat­gut­un­ter­nehmen besteht jetzt darin, lokale Sorten für die Produk­tion von lokalem Bier in Kleinst­braue­reien anzu­bieten. „Und schließ­lich möchten wir Sorten entwi­ckeln, die weniger Stick­stoff­ein­satz erfor­dern, um den CO2-Fußab­druck zu redu­zieren“, ergänzt Gilles Fouquin, Direktor von Secobra Rese­arch. Bei der Sommer­gerste wäre eine der Optionen, zwerg­wüch­sige Sorten mit einem kurzen 100-Tage-Anbau­zy­klus mit nied­rigem Stick­stoff­be­darf zu selek­tieren. „Durch die klei­neren Pflanzen und den kürzeren Anbau­zy­klus hoffen wir, Gers­ten­sorten züchten zu können, die an die neuen Anfor­de­rungen ange­passt sind.“ 

Emis­sionen redu­zieren

Der gesamte Gerste-Malz-Weizen-Sektor steht umwelt­be­zo­genen Heraus­for­de­rungen gegen­über. Ein erster Schritt sind kürzere Wege. „Wir möchten kurze Liefer­ketten für Gerste und Malz fördern. Da 90 % der Fran­zosen heute weniger als zwanzig Minuten von einer Brauerei entfernt leben, müssen wir den lokalen Anbau von Brau­gerste in ganz Frank­reich ausbauen“, so die Meinung von Indus­trie­ver­tre­tern. Eine weitere Heraus­for­de­rung für Mälzer und Brauer liegt in der Redu­zie­rung der CO2-Emis­sionen und der Abwas­ser­auf­be­rei­tung.

Seit mehreren Jahren setzen sich Hersteller für die Opti­mie­rung der Ressour­cen­nut­zung ein, insbe­son­dere bei Energie und Wasser. Durch einen Umwelt­zer­ti­fi­zie­rungs­pro­zess konnte der Wasser­ver­brauch während des Herstel­lungs­pro­zesses bereits um 20 % gesenkt werden. Die Mälzer haben sich verpflichtet, einen Schritt weiter­zu­gehen und bis 2030 eine Reduk­tion von 25 % zu errei­chen. Die für die Brauer ange­strebte Senkung des Wasser­ver­brauchs beträgt 40 %.

Im Früh­jahr gesäte Gers­ten­sorten sind stärker von Früh­jahrs-Dürre­pe­ri­oden betroffen als Winter­gerste
Winter­gerste wird im Herbst gesät und früher geerntet.

Schon heute werden beim Bau neuer Braue­reien Wasser­auf­be­rei­tungs­an­lagen inte­griert. Letzt­lich streben die Brauer noch höhere Ziele an: Sie möchten eine „Zero-Waste“-Produktion errei­chen, indem sie alle Bier­ne­ben­pro­dukte, Hefe und Biert­reber wieder­ver­werten. Gleich­zeitig arbeiten sie an voll­ständig recy­cel­baren Verpa­ckungen und Dosen.