In Frankreich werden für die Bierproduktion genauso viel Winter- wie Sommergerste angebaut, das ist ungewöhnlich. Beide Sorten zusammen erreichen eine Gesamtmenge von fast vier Millionen Tonnen pro Jahr. Dies bedeutet auf dem globalen Markt einen Vorteil, da so unterschiedliche Malzarten erzeugt werden können, die wiederum in unterschiedlichen Bieren eingesetzt werden. Malz aus sechsreihiger Wintergerste eignet sich für die Produktion von Sorten wie Kloster- und Lagerbieren. Es ist vielseitig und wird oftmals mit Malz aus zweizeiliger Sommergerste gemischt, die von den Brauern als höherwertiger angesehen wird, jedoch stärkeren Schwankungen in ihren brautechnischen Eigenschaften unterliegt. Auch aus Sicht der Landwirte sind die verschiedenen Braugerstensorten interessant.
Sechszeilige Wintergerste liefert in Bezug auf den kalibrierten Getreideertrag die besten Ergebnisse. Sommergerste ist zwar etwas weniger ertragreich, wird jedoch aufgrund ihrer Qualitätsparameter wie Korngröße, spezifisches Gewicht des Getreides, Malzextrakt, schnelle Keimung sowie Friabilität geschätzt. Infolgedessen liegt ihr Preis häufig 15 bis 20 €/t höher als der von Wintergerste.
Alle Gerstensorten auf demselben Betrieb
Einige Landwirte bauen sowohl Winter- als auch Sommerbraugerste an. In Eure-et-Loir hat sich Julien Doussineau für einen kombinierten Ansatz entschieden. „Ich habe drei Zeitfenster für die Aussaat: den Frühherbst für die Wintergerste, den November für im Spätherbst gesäte Sommergerste sowie den Februar oder März für im Frühjahr gesäte Sommergerste“, erklärt er. „Es ist sinnvoll, diese drei Braugerstesorten in die Fruchtfolge einzubinden, da sie vor oder nach dem Weizen geerntet werden. So lässt sich der Ernteablauf gut organisieren, während wir gleichzeitig das Risiko streuen.“
Drei Sorten Braugerste in meiner Fruchtfolge ermöglichen es mir, die Ernte gut zu organisieren und die Risiken zu streuen.
Julien Doussineau
Denn einige Feldfrüchte sind risikoreicher als andere. „Die im Winter gesäte Sommergerste wird im Durchschnitt alle zehn Jahre durch Frost geschädigt. Dafür erwirtschafte ich einen 1,5 t/ha höheren Ertrag als bei der konventionellen Aussaat im Frühling. Trotzdem säe ich Sommergerste auch weiterhin auf die herkömmliche Weise im Februar aus. Sie benötigt einen geringen Betriebsmitteleinsatz und ermöglicht es uns, den Kreislauf resistenter Unkräuter zu durchbrechen, insbesondere den des Weidelgrases.“
Der Landwirt bewirtschaftet einen Familienbetrieb in Boisville Saint Père (Eure-et-Loir) mit fast 600 ha und baut zehn verschiedene Feldfrüchte an. Seine Brunnen und seine Bewässerungssysteme ermöglichen es ihm, seine Erträge stabil zu halten. „Ich verfüge über die richtigen Hebel, um Braugerste trotz widrigen Wetters anzubauen. Ich baue derzeit vier Winter- und Sommerbraugerstensorten an und produziere außerdem auf 35 ha vier Sorten Gerstensaatgut.“ Der Betrieb von Julien Doussineau ist für die Trocknung und Lagerung ausgerüstet. Ohne diese Ausstattung würde er keine Vermehrungsverträge bekommen.
Im weiter östlich gelegenen Burgund mit kontinentalem Klima spielt die Winterbraugerste eine wichtige Rolle in der Fruchtfolge. Die Aussaat erfolgt im Frühherbst und die Ernte vor Beginn der trockenen Jahreszeit. „Sechszeilige Wintergerste bietet Vorteile in Bezug auf den Klimawandel. Sie gehört zu den Sorten, denen die Wasserknappheit im Burgund am wenigsten ausmacht“, merkt Mickael Mimeau von der Genossenschaft Alliance BFC an.
Der Ertrag der Wintergerste entspricht nahezu dem Ertrag von Weizen, jedoch mit geringerer Schwankungsbreite. Außerdem ist der Proteingehalt der Wintergerste stabiler als bei der Sommergerste. Auch wenn die Körner bei sechszeiligen Wintersorten kleiner sind, nähern sich die Korngrößen von Sommer- und Wintergerste aufgrund der sortenspezifischen Entwicklung an.
Dies ist zweifelsohne der Grund, warum im Burgund inzwischen ein Achtel der französischen Wintergerste geerntet wird. Letztere hat die Sommergerste klar überholt, da sie weniger ertragreich und empfindlicher gegenüber Trockenheit ist. „Wintergerste bietet auf Flächen mit geringem Potential agronomische Vorteile in der Fruchtfolge. Darüber hinaus verfügt Gerste über Spelzen, die sie teilweise vor Schädlingen und Krankheiten schützen.
Kontaminierungen fallen oftmals geringer aus als bei anderen Getreidesorten“, sagt Geoffroy Oudoire, der als Ingenieur für das Forschungsinstitut Arvalis arbeitet. Auch in dieser im Osten des Landesinneren gelegenen Region ist die Rentabilität der Gerste weiterhin eng mit den Subventionen verknüpft. “Die den Landwirten gezahlten Preise sind in den letzten beiden Jahren zwar gestiegen, aber wir sollten in diesem Jahr vor dem Hintergrund eines starken Anstiegs der Betriebsmittelkosten die Margen genau im Auge behalten“, so Geoffroy Oudoire.
Effektive Selektion für sechszeilige Gerstensorten
Obwohl sechszeilige Wintergerstensorten als die „Allzweckwaffe“ für das Mälzen und Brauen angesehen werden, besteht auch hier noch weiteres Verbesserungspotential. Geeignete Selektion fördert technologische Eigenschaften wie Korngröße und Malzextrakt. Die Forschung, insbesondere die Genomik, hat die genetische Entwicklung beschleunigt, wodurch die sortenspezifische Selektionszeit innerhalb von 20 Jahren halbiert wurde.
Bei unserer Selektion wurden die für uns interessanten Gene aus exotischen Populationen extrahiert.
Dominique Vequaud
Im Durchschnitt ist der Ertrag von Wintergerste um mehr als 0,1 t/ha und Jahr gestiegen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die gestiegene Resistenz der Sorten. Diese war zwingend notwendig, nachdem die Saatgutbehandlung mit Neonicotinoiden eingestellt wurde, welche die Gerste vor der Übertragung des Gerstengelbverzwergungsvirus (BYDV) durch Blattläuse schützte. Die Wetterbedingungen im Herbst waren noch nie so mild und günstig für Blattlausflüge wie heute. „Da bietet die Genetik die ideale Lösung“, so Florent Cornut, Vertriebsleiter des Saatgutunternehmens Secobra Recherches.
„Bei unserer Selektion wurden die für uns interessanten Gene aus exotischen Populationen extrahiert. Seit 2019 sind 100 % der Wintergerstensorten, die wir in Frankreich zur Registrierung anmelden, BYDV-tolerant.“ Was andere Parasiten betrifft, werden ebenfalls geeignete Lösungen eingesetzt. „Wir haben eine neue Resistenzquelle gegen Rhynchosporiose, eine schwere Gerstenkrankheit, sowie Resistenzquellen gegen das Gerstengelbverzwergungsvirus gefunden“, berichtet Dominique Vequaud, Gerstenzüchter bei Secobra Recherches.
Eine weitere Herausforderung für Saatgutunternehmen besteht jetzt darin, lokale Sorten für die Produktion von lokalem Bier in Kleinstbrauereien anzubieten. „Und schließlich möchten wir Sorten entwickeln, die weniger Stickstoffeinsatz erfordern, um den CO2-Fußabdruck zu reduzieren“, ergänzt Gilles Fouquin, Direktor von Secobra Research. Bei der Sommergerste wäre eine der Optionen, zwergwüchsige Sorten mit einem kurzen 100-Tage-Anbauzyklus mit niedrigem Stickstoffbedarf zu selektieren. „Durch die kleineren Pflanzen und den kürzeren Anbauzyklus hoffen wir, Gerstensorten züchten zu können, die an die neuen Anforderungen angepasst sind.“
Emissionen reduzieren
Der gesamte Gerste-Malz-Weizen-Sektor steht umweltbezogenen Herausforderungen gegenüber. Ein erster Schritt sind kürzere Wege. „Wir möchten kurze Lieferketten für Gerste und Malz fördern. Da 90 % der Franzosen heute weniger als zwanzig Minuten von einer Brauerei entfernt leben, müssen wir den lokalen Anbau von Braugerste in ganz Frankreich ausbauen“, so die Meinung von Industrievertretern. Eine weitere Herausforderung für Mälzer und Brauer liegt in der Reduzierung der CO2-Emissionen und der Abwasseraufbereitung.
Seit mehreren Jahren setzen sich Hersteller für die Optimierung der Ressourcennutzung ein, insbesondere bei Energie und Wasser. Durch einen Umweltzertifizierungsprozess konnte der Wasserverbrauch während des Herstellungsprozesses bereits um 20 % gesenkt werden. Die Mälzer haben sich verpflichtet, einen Schritt weiterzugehen und bis 2030 eine Reduktion von 25 % zu erreichen. Die für die Brauer angestrebte Senkung des Wasserverbrauchs beträgt 40 %.
Schon heute werden beim Bau neuer Brauereien Wasseraufbereitungsanlagen integriert. Letztlich streben die Brauer noch höhere Ziele an: Sie möchten eine „Zero-Waste“-Produktion erreichen, indem sie alle Biernebenprodukte, Hefe und Biertreber wiederverwerten. Gleichzeitig arbeiten sie an vollständig recycelbaren Verpackungen und Dosen.