Charles Humbey kommt mit seinem Moped des chinesischen Herstellers Jingcheng gemächlich über die kleine Kanalbrücke angetuckert. Der Reisbauer aus dem Ort Asutsuar begrüßt uns freundlich unweit westlich vom mächtig dahinfließenden Fluss Volta. Er fährt mit seinem motorisierten Zweirad über einen ungepflasterten Weg zu seinen Feldern inmitten einer grünen Ebene, in denen auf über 3.000 ha Reis gedeiht. Die gesamte Fläche wird mit einem klug ausgeklügelten und von einem von der öffentlichen Hand streng überwachten Bewässerungssystem durchzogen: Es ist der Garant für zwei gute Ernten pro Jahr.
Kanäle und Gräben gliedern das Anbaugebiet in viele kleine Parzellen, die von rund 2.700 Kleinbauern und vielen Tausenden Arbeitern und Arbeiterinnen intensiv kultiviert werden. Dabei gehört das fruchtbare Schwemmland dem ghanaischen Staat, mit denen die Bauern fünfjährige Pachtverträge abschließen. Der derzeitige Pachtpreis wird mit sieben Reissäcken (90 kg) taxiert – also 630 kg/ha und Jahr. Der 59-jährige Humbey bewirtschaftet 1,5 ha Reis und verantwortet als Group Manager weitere 130 ha von 285 Reisbauern. Die erste Ernte beginnt ab Mitte Februar, die zweite liegt in den Monaten September und Oktober.
Der Reis wird vor Ort unter freiem Himmel auf rund 14 % Feuchtigkeitsgehalt heruntergetrocknet und landet bei einem aktuellen Preis von 530 Cedi (rund 38 €/dt) entweder auf dem Binnenmarkt oder wird größtenteils nach Nigeria exportiert. „Wir Reisbauern können uns nicht beklagen, wir haben seit vielen Jahren ein gutes Auskommen“, zeigt sich Humbey im Dialog mit seinem Mitarbeiter Peter im Reisfeld stehend durchaus zufrieden; und dies, obwohl das über viele Jahre aufstrebende Ghana seit Beginn der Corona-Pandemie wirtschaftlich schwächelt.
Investitionen aus China
Wie schnell sich in der ghanaischen Landwirtschaft, die aufgrund ihrer naturräumlichen Vorzüglichkeit – gute Böden, Wärme und viel Wasser – viel zu bieten hat, etwas ändert zeigt sich auch da, wo Humbey und seine Kollegen heute Reis kultivieren. Noch bis in die Achtzigerjahre hinein wurde dort Zuckerrohr angebaut, dann zogen sich die damaligen polnischen Investoren zurück, die Zuckerfabrik verfiel; plötzlich musste neu gedacht werden. So investierte die französische Golden Exotics Ltd. in den Aufbau einer Bananenplantage, während die Ghanaer in der Nachbarschaft auf Reis umschwenkten; seit einigen Jahren investiert auch die China Fujian Fishing Farm in der Region. Das Fischzuchtunternehmen hat große Zuchtbecken an den Gestaden des Volta südlich des großen Staudammes und Wasserkraftwerkes Akosombo, dem prestigeträchtigen Vorhaben des 1957 unabhängig gewordenen Ghana, installiert, in denen große Mengen Tilapia (Buntbarsch) gemästet werden.
Überhaupt spielen die Chinesen als Investoren im westafrikanischen Land eine dominierende Rolle. Sie investieren nicht nur in Aquakulturen, sondern auch in den Brücken- und Straßenbau, in viele Energie- und Bergbauprojekte und engagieren sich obendrein beim Bau eines neuen Fischereihafens in der Hauptstadt Accra. „China Aid For Shared Future“ steht vielversprechend am Eingang zu dieser großen Baustelle. Etwas abseits davon, nur ein paar hundert Meter weiter westlich, direkt auf dem Sandstrand am Atlantik stehen die Büffel von Nil Kpopo in Gattern eingepfercht. Sie befinden sich auf „no mans land“ wie der Viehhalter Kpopo grinsend ausdrückt.
Die Kühe werden nicht gemolken, sondern geben ihre Milch an ihre Kälber. Kpopo füttert seine Rinder mit Cassava-Schalen und mit Früchte- und Gemüseresten von lokalen Märkten. Im Übrigen hat der Ghanaer eine gehörige Skepsis gegenüber dem neu entstehenden Fischereihafen in der Nachbarschaft: „Die Chinesen tun sehr freundlich, aber am Ende klauen sie uns den Fisch vor der Nase weg.“
Von der Hühnermast zum Legehuhn
Unabhängig der Aktivitäten am Atlantikufer sind Investitionen in die ghanaische Landwirtschaft in Zeiten hochvolatiler Märkte und Preise nicht ohne Risiko. Das hat auch Landwirt Shaiku Yakubu am eigenen Leib erfahren müssen. Yakubu hat im Dorf Ampekrom in der Eastern Region im Jahr 2017, nach Rückkehr von einem achtjährigen Arbeitsaufenthalt in North Carolina und Massachusetts, in den Bau von vier Hühnermastställen mit 170.000 Masthühnern investiert. „Es lief gut“, erinnert sich der 37-jährige Selfmademan beim Rundgang über seinen Betrieb. „Die Futterpreise lagen im Jahr 2018 bei 90 Cedis (ca. 6 €) für 150 kg Hühnerfutter. Doch schon vor Corona zogen die Preise ziemlich an und sind nach Ausbruch der Pandemie in den Himmel geschossen“, erzählt Yakubu weiter, plötzlich musste er das Zehnfache bezahlen. „Ab da war es für mich unmöglich mit der Hühnermast Gewinne zu machen. Ich musste damit aufhören.“ Daher zog Yakubu die Notbremse.
Seitdem hält er in den früheren Mastställen 2.000 Legehennen, die rund 900 Eier pro Tag legen. Deren Verkauf hilft ihm wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Zudem hat er sich in den letzten Monaten rund 80 Rinder angeschafft, um seinen Betrieb weiter zu diversifizieren. Allerdings steht, neben dem großen Problem fallender Grundwasserspiegel, die Viehhaltung bislang noch in vielen Regionen Ghanas in starker Konkurrenz zum Anbau von Getreide, Kakao, Kautschuk und Ölpalmen. So gibt es in einigen Regionen von Ghana kaum Vieh, worunter die intensive Plantagenwirtschaft leidet, weil ihre Böden zu wenig Mist bzw. organischen Dünger erhalten. So erlebt das internationale Massengut Kakao aktuell ungeahnte Preisspitzen, weil die Ernten im Nachbarland Elfenbeinküste, Nummer 1 der weltweiten Kakaoproduktion, und in Ghana, Nummer 2 der Welt, in den letzten Jahren schwächeln.
Die Ursachen hierfür sind vielschichtig: Sich ändernde Klimate, hoher Schädlingsdruck durch Pilze, Viren und Insekten, Defizite in der natürlichen Bestäubung und eben auch Böden, die bei sinkenden Humusgehalten versauern und versalzen. Mit all diesen Themen beschäftigt sich auch das staatliche Cocoa-Board, das überdies für jede neue Erntesaison Garantiepreise für Rohkakao festlegt. In viele Arbeitsbereiche eingeteilt, unterhält die staatliche Organisation, vergleichbar mit hiesigen Landwirtschaftskammern, übers Land verteilte Niederlassungen. Eine davon ist die Pankese Cocoa Station in Pankese, wo man sich auf einer großen Plantage mit Saatzucht und Pflanzenschutz beschäftigt.
Viehhaltung im Kakao-Belt
Unterdessen sucht Yakubu, mitten im ghanaischen Kakao-Belt, für seine Viehhaltung nach geeigneten Flächen, die er einzäunen kann und wo er seine Rinder grasen lassen könnte. Kein leichtes Unterfangen. Zudem fehle es an Landmaschinen – an Traktoren und Heupressen. Tatsächlich ist die Mechanisierung
der vielschichtigen und regional sehr unterschiedlich strukturierten ghanaischen Landwirtschaft noch nicht sonderlich fortgeschritten. Dies wird auch an der Zahl der John Deere Traktoren, die jährlich in Ghana verkauft werden, deutlich. „Momentan liegen wir bei etwa 70 Traktoren pro Jahr“, verrät Aline Badre, Chefin von John Deere Ghana am Standort Accra. Davon gehe, so Badre weiter, ein großer Teil in die nördlichen savanneähnlichen Regionen, in denen Soja und Mais im größeren Stil angebaut würden. Fehlende Bildung sowie mangelnde finanzielle Mittel auf den oft sehr kleinen Hofstellen sind diejenigen Gründe, weshalb Investitionen in Landmaschinen aus Sicht der Banken oft nicht kreditwürdig seien. Kurzum: Viele Bauern seien einfach nicht „bankable“.
Was jedoch in der ghanaischen Landwirtschaft möglich ist, zeigt sich in Suhum zwischen der Großstadt Kumasi und Accra gelegen. Dort baut das Unternehmen Glover, initiiert von Yayrator Glover, eine Farmorganisation auf, an der sich bisher rund 5.000 Kakaobauern beteiligen. „Wir kaufen von unseren Erzeugern in diesem Jahr rund 5.000 Tonnen Kakaobohnen auf“, verrät Geschäftsführer George Saviour Dotse. Glover sieht sich in der sozialen und ökologischen Verantwortung gegenüber den Urproduzenten. „Unsere Lieferanten erhalten eine Gratis-Krankenversicherung“, unterstreicht Dotse und freut sich, dass seine Bauernfamilien von den aktuellen Rohpreissteigerungen profitieren.
Umstellung auf ökologischen Anbau
Wie auch die Familie von Justice und Vida Bediako, die ihre knapp sechs Hektar vor drei Jahren auf ökologischen Anbau umgestellt haben. „Das war eine harte Zeit“, wie Justice offen zugibt, „aber wir waren durch Glover finanziell abgesichert.“ Alle 14 Tage geht die Familie in ihre Plantage und erntet die reifen Früchte. Mit einer Machete werden sie vom Ast abgeschlagen. Nachdem alle reifen Kakaofrüchte geerntet sind, werden sie zu einem Haufen zusamengetragen. Während Vida, Mutter von fünf Kindern, Bananenblätter ausbreitet, schlägt Justice die Früchte auf und wirft die Bohnen, eingehüllt in einem weißlich-süßen (leckeren) Fruchtmus auf die Bananenblätter. Anschließend wird das Gemenge aus Bohnen und Fruchtmus von Vida mit weiterem Bananenblättern abgedeckt. Unter dieser Haube beginnt ein siebentägiger Fermentationsprozess. Danach werden die Kakaobohnen getrocknet. Die Hülsen der Kakaofrüchte bleiben auf der Plantage, genauso wie der Mist von elf Schweinen, einer Schar von Geflügel sowie den Schälresten von Cassava. All diese Abfälle werden unter den Kakaobäumen verteilt.
Wir kämpfen dafür, dass die Kakaoproduktion in Ghana grün wird.
Yayrator Glover
„Wir kämpfen dafür, dass die Kakaoproduktion in Ghana grün wird“, ist die Botschaft des Firmengründers Yayrator. Ein kleiner Teil des von Glover aufgekauften und aufbereiteten Rohkakaos wird beispielsweise an die benachbarte deutsch-ghanaische Schokoladenfabrik fairafric geliefert; fairafrics Firmencredo: „Die Wertschöpfung des schwarzen Goldes in Ghana belassen“. Das ist ganz im Sinne von Yayrator, der sich bei Weitem nicht nur mit Kakao-Anbau beschäftigt. Der Entrepreneur hat den ganzen ländlichen Raum im Blick. Nach der Besichtigung der Sortieranlagen, wo es streng nach Kakaobohnen riecht, gewährt er noch einen Einblick in einem weiteren Gebäudetrakt, wo seine jüngste Investition kurz vor der Vollendung steht. Es ist eine supermoderne, picobello saubere Produktionsstraße für geröstete Erdnüsse, ausgestattet mit den wohl innovativsten Maschinen, die der globale Markt für Lebensmitteltechnologie zu bieten hat.
Aber nicht genug. Hinter dem Firmengelände von Glover hat er einen großen Baumgarten angelegt, in dem alle bekannten und nicht selten in ihrer Existenz bedrohten Baumspezies ganz Ghanas gepflanzt worden sind. „In fünfzehn Jahren wächst hier ein Paradies“, diktiert er schnellen Schrittes und geht an einer Senke vorbei, wo er einen See anlegen will und wo durch ein gegebenes Gefälle eine kleines Wasserkraftwerk in Zukunft erneuerbaren Strom für seinen Betrieb und für die umliegenden Dörfern erzeugen soll. Kein Zweifel, der Mann hat eine Vision. Und dies tut gut in diesen doch extrem unsicheren Zeiten. Für Suhum, für die Region, für die gesamte ghanaische Landwirtschaft.