Kontro­verse um Dünge­ver­ord­nung hält an

Sowohl die neue Dünge­ver­ord­nung (DüV) als auch die neue Stoff­strom­bi­lanz­ver­ord­nung stellen die deut­sche Land­wirt­schaft vor neue Heraus­for­de­rungen. Ein Stim­mungs­bild.

Das Problem ist seit Langem bekannt: Seit Jahren liegen hier­zu­lande die in vielen Gewäs­sern gemes­senen Nitrat­werte auf einem hohen Niveau. Zu hoch, weshalb die Euro­päi­sche Union in der Vergan­gen­heit Deutsch­land mehr­mals zu mehr Gewäs­ser­schutz ange­mahnt und schließ­lich sogar verklagte hatte. Aufgrund dieser Klage musste der deut­sche Gesetz­geber reagieren und verab­schie­dete – nach zähen und wenig trans­pa­renten Verhand­lungen – im Früh­sommer 2017 die Novelle der Dünge­ver­ord­nung (DüV) und im Dezember 2017 die Stoff­strom­bi­lanz­ver­ord­nung.

Beide Regel­werke sollen helfen, die land­wirt­schaft­li­chen Nähr­stoff­ein­träge in Gewäs­sern zu mini­mieren. Dies ist insge­samt zwar zu begrüßen, doch sind sich fast alle Experten und land­wirt­schaft­li­chen Akteure, ob nun Biogas­be­treiber, Ökoland­wirte oder konven­tio­nelle Betriebs­leiter, trotz unter­schied­li­cher Posi­tionen, in ihrer Beur­tei­lung ziem­lich einig: Die DüV produ­ziere in der bishe­rigen Fassung viel Büro­kratie, bewirke aber für den Gewäs­ser­schutz kaum etwas.

Föde­rales Chaos

Kritik kommt beispiels­weise von Prof. Dr. Fried­helm Traube. Aus Sicht des Agrar­wis­sen­schaft­lers von der Kieler Chris­tian-Albrechts-Univer­sität setze die Verord­nung die umwelt­be­las­tenden Ober­grenzen orga­ni­scher Dünger insbe­son­dere in soge­nannten „gefähr­deten Gebieten“ zu hoch an; zudem bestünde bei der Phos­phor-Dünge­be­darfs­er­mitt­lung „föde­rales Chaos“ und zu guter Letzt seien auch die Kontroll­sys­teme zur Einhal­tung der Dünge­vor­schriften weit­ge­hend wirkungslos.

Starker Tobak, wie manche meinen. Aller­dings gab das EuGH-Gerichts­ur­teil im Juni 2018, das Deutsch­land vorwarf, bislang zu wenig für den Gewäs­ser­schutz unter­nommen zu haben, genau diesen Vorwürfen neuen Schub. Auch Diplom-Inge­nieur David Wilken, Refe­rats­leiter für die Themen Abfall, Düngung und Hygiene beim Fach­ver­band Biogas mit Sitz in Frei­sing, kriti­siert die DüV. Sie sei nicht praxis- und fach­ge­recht, so Wilken. Um tatsäch­lich Nähr­stoff­ein­träge ins Grund­wasser zu vermeiden, hätte es in dem neuen Regel­werk vor allem eine stär­kere „Berück­sich­ti­gung regio­naler Verhält­nisse wie in Hoch­er­trags­re­gionen oder in Gebieten mit hohem Grün­land­an­teil“ geben müssen.

Aus der Sicht David Wilkens durch­breche die neue Dünge­ver­ord­nung für viele Biogas­be­triebe die bishe­rigen Nähr­stoff- und Humus­kreis­läufe, „da die von den Feldern geern­teten Nähr­stoffe nicht mehr komplett zurück­ge­führt werden können. Das bedeutet einen verstärkten Einsatz von Mine­ral­dün­gern und weite Trans­port­wege für orga­ni­sche Dünge­mittel sowie einen Rück­gang der Humus­ge­halte im Boden.“ An vielen Orten reichen die Flächen, auf denen die Biogas­sub­strate ange­baut werden, nicht mehr aus, um die Gärreste dort auch auszu­bringen.

Gülle­trans­porte rück­läufig

Wilken von Behr

Dieses Problem stellt sich natür­lich auch für viele Vieh haltende Betriebe in Regionen mit hohem Tier­be­satz. In diesen „gefähr­deten Gebieten“ ist es aller­dings schon seit Jahren gängige Praxis, dass ein Teil der anfal­lenden Gülle über soge­nannte Gülle­börsen in andere Regionen trans­por­tiert wird. Betei­ligt an diesem Transfer ist beispiels­weise auch die Maschi­nen­ge­mein­schaft Frecken­horst, ein land­wirt­schaft­li­ches Lohn­un­ter­nehmen im östli­chen Müns­ter­land. Sie fährt für ihre Auftrag­geber schon seit vielen Jahren den Gülle­über­hang aus vieh­rei­chen Regionen in viehär­mere Acker­bau­re­gionen. Derzeit herr­sche jedoch wegen der neuen DüV „große Irri­ta­tion“, wie der Geschäfts­führer Bernd Strot­mann fest­stellt: „Viele Land­wirte und Biogas­be­treiber wissen noch gar nicht genau, wieviel Gülle sie über­haupt noch ausbringen dürfen, um die Vorschriften einzu­halten.“ Als Folge dieser Unsi­cher­heit regis­triert Strot­mann schon einen spür­baren Rück­gang der Gülle­trans­porte.

Im Ansatz ist die Dünge­ver­ord­nung grund­sätz­lich gut, doch sieht die Praxis häufig anders aus.

Wilken von Behr

Unter­dessen befür­wortet Milch­vieh­halter Stefan Mann aus dem hessi­schen Ilsch­hausen den Rück­gang der Gülle­trans­porte über große Entfer­nungen. „Dies hat man offen­sicht­lich über­trieben“, moniert der Vorsit­zende des Bundes­ver­bandes Deut­scher Milch­vieh­halter (BDM). Er fordert daher eine „boden­ge­bun­dene Produk­tion“, die sich an zwei Groß­vieh­ein­heiten (GV) pro Hektar zu orien­tieren habe. Wenn dies dauer­haft über­schritten werde, ob nun durch Vieh oder durch Biogas­pro­duk­tion, dann beginnen die Probleme, meint Mann, „die auch mit einer Dünge­ver­ord­nung nicht behoben werden können“. Manche gute Absicht bewirkt am Ende sogar Kontra­pro­duk­tives, wie die neuen Sperr­zeiten, in denen keine Gülle ausge­bracht werden darf, zeigen.

An der Praxis vorbei

Das sieht sein Berufs­kol­lege Wilken von Behr, der als Guts­ver­walter im osthol­stei­ni­schen Rixdorf einen konven­tio­nellen Acker­bau­be­trieb leitet, ähnlich. „Im Ansatz ist die Dünge­ver­ord­nung ja grund­sätz­lich gut, doch sieht die Praxis häufig anders aus“, sagt von Behr, „es ist nämlich nicht immer alles planbar. So haben wir nach der Gerste-Ernte im Sommer 2017 Gärreste mit einem N-Wert von 60 kg/ha auf die Felder gebracht und wollten Raps säen, doch es fing im August an zu regnen und hörte nicht vor April diesen Jahres wieder auf.“ In so einem Fall sei jede Bedarfs­pla­nung hinfällig, Verord­nung hin oder her. „Dafür könne man keinen Land­wirten bestrafen“, mahnt Behr an. Statt juris­ti­schem Allerlei fordert der Prak­tiker mehr gesunden Menschen­ver­stand. Wobei auch für ihn voll­kommen klar ist, dass Gewäs­ser­schutz und gleich­zei­tige Trans­porte von Hühner­tro­ckenkot von Vechta nach Meck­len­burg-Vorpom­mern lang­fristig keinen Sinn machen. Das sei für ihn keine saubere Land­wirt­schaft, sondern eher ganz großer Mist.