Auf Umwegen zum erfolg­rei­chen Milch­be­trieb

Familie Derboven hat mit ihrem Betrieb klein begonnen, ist im Milch­quot­en­dschungel groß geworden und hat immer wieder konse­quent Nischen genutzt. Ein Para­de­bei­spiel für flexible Land­wirt­schaft.

Seit 1982 bewirt­schaften Annette und Conny Derboven einen herr­lich gele­genen Betrieb auf einer Anhöhe in der nieder­säch­si­schen Gemeinde Warpe. Damals hat das Ehepaar die Hofstelle von Annettes Eltern über­nommen, sie wollten daraus einen zukunfts­ori­en­tierten Milch­vieh­be­trieb entwi­ckeln. „Unseren Einstieg in die Selbst­stän­dig­keit darf man jedoch getrost als Fehl­start bezeichnen“, erin­nert sich Conny Derboven.

Unseren Einstieg in die Selbst­stän­dig­keit darf man getrost als Fehl­start bezeichnen.

Conny Derboven

„Wir planten einen Stall für 120 Kühe, und plötz­lich war noch während der Aufsto­ckungs­phase die Quote weg. Gerade einmal 34 Kühe hätten wir noch melken können.“ Das Projekt Milch­vieh geriet ins Stocken, auch wegen fehlender Inves­ti­ti­ons­mittel. Keine Quote – kein Geld, die Bank zeigte sich zuge­knöpft. „Mein Schwie­ger­vater hielt damals zu mir, das gab uns den Mut weiter­zu­ma­chen“, ist seine posi­tive Erfah­rung aus dieser Zeit.

Von der Milch zur Zucht

Da eröff­nete sich eine andere Perspek­tive. „In den 80er-Jahren entwi­ckelte sich die Zucht­mög­lich­keit über Embryo­transfer“, so Derboven. „Das inter­es­sierte mich, und ich stieg vorsichtig in die Kälber­zucht ein.“ Mit wach­sendem Erfolg, denn er schaffte es schnell, sich in Irland und England einen guten Ruf als Züchter zu erar­beiten. „Dort haben wir mit unseren Tieren voll den Nerv der Rinder­halter getroffen. Der güns­tige Wech­sel­kurs machte die Sache doppelt inter­es­sant.“

Die Kühe werden drei Mal täglich in einem 20er-Swing-Over-Melk­stand gemolken. (Foto: Derboven)

Das Kälber­dorf ist für Besu­cher frei zugäng­lich. Tafeln infor­mieren über die Kälber­auf­zucht. (Foto: Derboven)

Derboven grün­dete zusammen mit zwei Freunden aus Bayern die Züch­ter­ge­mein­schaft Top Cow Syndi­cate. Die Phase der Betriebs­kon­so­li­die­rung war endgültig einge­läutet. Die Züch­ter­ge­mein­schaft inves­tierte inner­halb von drei Jahren eine halbe Million Euro in Embryonen, Conny Derboven stellte die passenden Ammen­mütter. Erst mit Beginn der Besa­mungs­in­dus­trie sanken die Margen, die Zucht mit Embryonen wurde einge­stellt.

Auf zum Ziel Milch­vieh­be­trieb

Da passte es gut, dass zu Beginn der 90er-Jahre die Milch­quoten handelbar wurden. Für das Betriebs­lei­ter­ehe­paar rückte das Ziel, einen großen Milch­vieh­be­trieb aufzu­bauen, in greif­bare Nähe. Und wieder nahmen sie mit vollem Risiko Geld in die Hand und inves­tierten in Milch­quoten. Bis 1990 kaufte und pach­tete der Betrieb insge­samt 300.000 kg. Nach und nach erwei­terten die Derbo­vens die Stall­an­lagen. Heute stehen in den modernen, tier­ge­recht gebauten Ställen 500 Milch­kühe plus eigene Nach­zucht.

Die Quote, in die Conny Derboven in den zurück­lie­genden Jahren rund drei Mio. Euro inves­tiert hat, ist endlich Geschichte und er hofft, dass sie auch nicht wieder­kommt. Er ist gerne sein eigener Herr und möchte weiter­wachsen. Aller­dings nicht bei der Anzahl von Kühen. Den Schwer­punkt seiner unter­neh­me­ri­schen Akti­vi­täten legt der Betrieb in das Vermark­tungs­seg­ment.

Gut 6 Mio. Kilo­gramm Milch fallen jähr­lich an; den über­wie­genden Teil der Milch nimmt die regio­nale Molkerei Graf­schaft Hoya e.G., besser bekannt als Marke „Asen­dorfer“, zu einem „noch“ respek­ta­blen Preis ab. Asen­dorfer wirbt mit Frische, Natur­be­las­sen­heit und Regio­na­lität. Die Kern­pro­dukte sind Milch, Butter, Sahne, Frisch­käse und Joghurt. 75 Land­wirte liefern rund 55 Mio. Kilo­gramm an die Molkerei, keiner ist weiter als 35 Kilo­meter entfernt.

So wie wir wirt­schaften, verliert die Massen­tier­hal­tung ihr böses Gesicht.

Conny Derboven

Das regio­nale Konzept und das Prinzip der kurzen Wege entspre­chen voll und ganz den Vorstel­lungen des Betriebes Derboven. Die Familie will es nun auch in der Bünke­mühler Hofkä­serei konse­quent umsetzen und perfek­tio­nieren. 2014 wurde ein Altge­bäude zur Käserei umge­baut. In der hofei­genen Molkerei und Käserei werden derzeit gut 300.000 Kilo­gramm Milch verar­beitet und selbst vermarktet.

Die ganze Region als Hofladen

Das betrieb­liche Konstrukt steht auf sicheren, fami­liären Beinen: Die drei Töchter Anna-Lena, Cathrin und Doro­thee sind mit eigen­stän­digen Verant­wort­lich­keiten fest in die Betriebs­ab­läufe inte­griert. Anna-Lena ist mit ihrer land­wirt­schaft­li­chen Ausbil­dung und Meis­ter­ab­schluss die Prak­ti­kerin im Betrieb, Doro­thee hat Agrar­wis­sen­schaften studiert und ist für das Herden­ma­nage­ment verant­wort­lich, Tochter Cathrin ist als ausge­bil­dete Molke­rei­meis­terin die Fach­frau für die Weiter­ver­ar­bei­tung der Milch.

Die Produkte aus der hofei­genen Käserei werden unter anderem im eigenen Hofladen vermarktet. Verant­wort­lich für diesen Bereich ist Tochter Cathrin. (Foto: Derboven)

Und weil die Familie nicht kleckert, sondern lieber klotzt, will sie einen Groß­teil der hofei­genen Milch auch selber weiter­ver­ar­beiten. Dass man solche Mengen nicht über die Hofla­den­theke verkaufen kann, ist den Derbo­vens natür­lich bewusst. Über 100 REWE- und EDEKA-Märkte sind Kunden des Betriebs. Mit viel Eigen­wer­bung läuft der Vertrieb darüber hinaus über mehr als 50 Hofläden von Kollegen und die regio­nale Gastro­nomie. Klei­nere Dorf­läden sind weitere wich­tige Abnehmer. Bünke­mühler Käse ist zudem auf verschie­denen Wochen­märkten, z.B. in Bremen oder Nien­burg, sowie im eigenen Hofladen zu haben.

Die ganze Familie Derboven packt mit an. „Die Betriebs­or­ga­ni­sa­tion ist so ausge­legt, dass sich unsere Kunden mit diesem Standort iden­ti­fi­zieren können“, sagt Conny Derboven. (Foto: Krick)

Verkaufs­prinzip Ehrlich­keit

Sieht aus wie Bio, liest sich wie Bio, schmeckt wie Bio, „ist aber kein Bio“, sagt Derboven. „Bio wird es bei uns nicht geben“, fährt er fort. „Wir verkaufen nur, was wir verspre­chen können.“ Und das ist im Fall der Bünke­mühle nicht einmal Weide­milch. Nach Meinung des Betriebs­lei­ters gibt es in Deutsch­land über­haupt keine echte, ehrliche Weide­milch. „Dafür passen unsere klima­ti­schen Verhält­nisse nicht. Aber wir liefern trotzdem, was sich der Verbrau­cher wünscht. Trocken­steher und Jung­vieh auf der Weide, modernes tier­ge­rechtes Kuham­bi­ente für die Milch­vieh­herde, Heufüt­te­rung im Winter, artge­rechte Kälber­auf­zucht, da fehlt es an nichts.

Das Jung­vieh ist während des Sommers auf der Weide. (Foto: Derboven)

Momentan über­legen wir, ob wir auch die niedrig laktie­renden Kühe in den Sommer­mo­naten auf die Weide lassen. Je nach Bedarf bieten wir unseren Kühen Jogging­weiden, Kurzum­triebs­weiden oder Flächen für größere Gruppen an. Die gesamte Betriebs­or­ga­ni­sa­tion ist so ausge­legt, dass sich unsere Kunden mit diesem Standort iden­ti­fi­zieren können. Das ist uns wich­tiger als irgend­welche Label.“

Ener­ge­tisch autark mit Biogas­an­lage

Hofkä­serei, Stal­lungen und Biogas­an­lage bilden auch optisch eine Einheit. (Foto: Krick)

Diese Einstel­lung ist der Familie viel wert. Rund um die Hoffläche nutzt der Betrieb im Wechsel auch wert­volles Acker­land als Grün­land, was dem Gelände seinen ganz beson­deren, eigenen Charme verleiht. Conny Derboven setzt zudem auf lücken­lose Kreis­lauf­wirt­schaft. Dazu gehören seit 2010 die 440 kW Biogas­an­lage inklu­sive Gärrest­aus­brin­gung, sowie die in mehreren Abschnitten erstellten Photo­vol­taik-Anlagen. Ener­ge­tisch ist der Hof damit autark. Es sind sogar noch Reserven da, die der Betrieb für eine hofei­gene Heutrock­nung nutzt.

„Jetzt fehlt nur noch der gas- oder strom­be­trie­bene Schlepper, damit hätten wir den Kreis­lauf wirk­lich geschlossen“, sagt Derboven. Konkret denkt er da an die Marke John Deere, die seiner Meinung bei der tech­ni­schen Entwick­lung in diesem Bereich am weitesten voran­ge­schritten ist.