Traktoren“Im Werk wachsen wir mit unseren Aufgaben“

Seit 35 Jahren arbeitet Chris­tian Beisel bei John Deere in Mann­heim, heute als Modul­leiter der Endmon­tage. Im Inter­view wirft er einen persön­li­chen Blick auf die Entwick­lung des Werks und beschreibt, welche Entwick­lungen für ihn die wich­tigsten der vergan­genen Jahre sind.

Herr Beisel, Sie haben erlebt, wie in Mann­heim vor dreißig Jahren der einmil­li­onste Traktor produ­ziert wurde und nun vor kurzem auch der zwei­mil­li­onste. Was hat sich in dieser Zeit alles getan?

Die erste offen­sicht­liche Verän­de­rung, die mir in den Kopf kommt, ist die gestie­gene Komple­xität der Trak­toren. Anfangs konnte man noch von einem Ende des neuen Monta­ge­bandes zum anderen schauen. Heute stehen überall Kisten am Band und von der Decke hängen irgend­welche Werk­zeuge und Geräte. Das sieht komplett anders aus, das sind zwei Welten. Vor 30 Jahren war an dem Traktor fast keine Elek­tronik dran. Da gab es eine mecha­ni­sche Einspritz­pumpe und wenn die nicht gelaufen ist, dann musste man klas­si­scher­weise den Gaszug richten und alles lief wieder.

Chris­tian Beisel, Modul­leiter Endmon­tage bei John Deere im Werk in Mann­heim

In den 2000ern wurde der Traktor dann komplett ich sage immer verelek­tri­fi­ziert. Wir kamen dann mit einer elek­tro­ni­schen Einsprit­zung. Das Gaspedal war auf einmal ein kleines Poten­tio­meter, der einge­baut werden musste. Dann kam die gefe­derte Vorder­achse und wo es früher zwei bis drei Steu­er­ge­räte gab, gibt es heute 6 oder sogar 8. Hinzu kamen all die elek­tro­ni­schen Steu­er­ele­mente, im größten Modell befinden sich heute 14 oder sogar 16 Controller. Wegen der hohen tech­ni­schen Komple­xität und Vari­an­ten­viel­falt sind viele Arbeits­schritte heute direkt am Haupt­mon­ta­ge­band gar nicht mehr möglich und müssen ausge­la­gert werden.

Gibt es ein konkretes Beispiel aus ihrer persön­li­chen Arbeit, welches das Ausmaß der Verän­de­rungen zeigt?

Ein gutes Beispiel ist die Vormon­tage der Motor­hauben. Das war nach Abschluss meiner Ausbil­dung zum Indus­trie­me­cha­niker im Jahr 1992 eine meiner ersten Aufgaben. So eine Haube bestand zu dieser Zeit komplett aus Blech, also ohne Kunst­stoff­teile. Ich montierte insge­samt etwa 30 Teile: dort das Schar­nier, hier zwei Schrauben, dann noch einen Schwein­werfer-Grill mit zwei Schwein­wer­fern, die Gummi­dich­tung und ein biss­chen Gestänge – fertig war der Job.

Wenn ich mir da im Vergleich heute die Hauben unserer größeren Trak­toren anschaue – da sind allein 250 Schrauben drin. Auch die Vari­an­ten­viel­falt hat zuge­nommen. Früher gab es die Wahl zwischen zwei Konfi­gu­ra­tionen für die Beleuch­tung, einem für den Rechts­ver­kehr, einem für den Links­ver­kehr. Heute haben wir Low Beams, High Beams, LEDs, nicht LEDs und das alles für den Rechts- und Links­ver­kehr. Da hat sich schon einiges getan. Auch die Arbeits­in­halte wurden immer weiter opti­miert und verdichtet.

Die Aufgaben im Werk Mann­heim sind in den letzten 35 Jahren deut­lich komplexer geworden.

Wie schaffen Sie es, diese Komple­xität im Werk zu beherr­schen?

Step by Step haben wir uns da heran­ge­ar­beitet. Ein großes Plus unseres Werks ist, dass wir sehr viele Mitar­bei­tende haben, die schon sehr lange bei uns arbeiten. So ist die Beleg­schaft mit dem Werk gewachsen und kann bei jeder Heraus­for­de­rung ihre ganze Erfah­rung einbringen. Sie haben die Komple­xität mit der Zeit gelernt, ohne es wirk­lich zu bemerken. Außerdem haben wir in der Ferti­gung heute viel auto­ma­ti­sierte Unter­stüt­zung und es arbeiten in den Teams pro Gruppe mehr Menschen als früher. Das ist nötig, um die Aufträge, die wir haben, so zügig und zuver­lässig zu erfüllen, wie wir das tun.

Welche Rolle spielt die Auto­ma­ti­sie­rung?

Wir haben hier in Mann­heim mitt­ler­weile viele Bereiche, die extrem auto­ma­ti­siert sind. Gerade in der Teile­fer­ti­gung arbeiten Roboter, die etwa Fräs- oder Dreh­ma­schinen auto­ma­ti­siert bestü­cken. Auch in der Endmon­tage ist mehr auto­ma­ti­siert: Früher haben wir den Rahmen von Hand in Vorrich­tungen zusam­men­ge­schraubt. Heute haben wir einen Roboter in der Schraub­sta­tion.

So bekommen wir Mitar­beiter immer mehr Unter­stüt­zung, was natür­lich auch die Ergo­nomie verbes­sert. Wichtig ist mir bei diesem Thema: Die Auto­ma­ti­sie­rung soll eine Entlas­tung sein, also immer im Sinne der Mitar­beiter erfolgen. Sie tragen das ganze Know-How in sich und mit ihnen möchte ich auch in Zukunft arbeiten.

Auto­ma­ti­sie­rung unter­stützt die Mitar­bei­tenden dabei, Trak­toren in Premium-Qualität herzu­stellen.

Was waren für Sie persön­lich die größten High­lights im Lauf der Jahr­zehnte?

Toll fand ich, als man das Werk für Besu­cher geöffnet hat. Das gab es so früher gar nicht. Das war eine schöne Entwick­lung, dass wir da nach außen hin offener geworden sind. Ich bin in der unmit­tel­baren Nach­bar­schaft des Werks aufge­wachsen und habe bis kurz vor Beginn meiner Ausbil­dung gar nicht gewusst, was hinter den roten Back­stein­mauern passiert. Heute kennen die Leute aus der Umge­bung das Unter­nehmen deut­lich besser und wissen sofort etwas mit dem Namen anzu­fangen, wenn ich erzähle, dass ich bei John Deere arbeite.

Ein High­light war sicher auch, wie wir damit umge­gangen sind, als es einmal Probleme mit der Liefe­rung der Reifen gab. Wir konnten es uns nicht leisten, keine Trak­toren zu bauen, bis Reifen wieder zuver­lässig gelie­fert werden. Also sagten wir uns: „Wir können auch Trak­toren ohne Reifen bauen.“ Und so bauten wir 800 Schlepper ohne Reifen, die dann erst nach­träg­lich bereift wurden. Das ermög­lichte es uns, die Produk­tion trotz Liefer­eng­pass nicht still stehen zu lassen. Unser Motto ist: Geht nicht, gibt’s nicht.

Inzwi­schen öffnet das Werk und das John Deere Forum in Mannhein regel­mäßig seine Pforten für Besu­cher – das war nicht immer so.

Wie würden Sie Ihre 35 Jahre bei John Deere zusam­men­fassen?

Insge­samt kann ich sagen: Bei John Deere konnte ich vom Auszu­bil­denden zur Führungs­kraft wachsen und habe in der glei­chen Zeit das Werk wachsen sehen. Das ist ein gutes Gefühl.

Vielen Dank für das Gespräch!