Fünf Prozent Dünger hat Eric Lothmann dieses Jahr durchschnittlich beim Anbau von Raps, Weizen, Gerste und Zuckerrüben eingespart. Als wir miteinander sprechen, beginnt die Erntesaison gerade erst, doch bei der Gerste steht schon fest, dass der Ertrag nicht darunter gelitten hat. Die Qualitäten sind sogar homogener als zuvor. Diesen Erfolg verdankt der rheinische Landwirt nicht nur seinen fruchtbaren Böden, sondern auch der teilflächenspezifischen Bewirtschaftung, an die er sich dieses Jahr (2022) zum ersten Mal wagte.
Die Arbeit mit den satellitendatenbasierten Applikationskarten hat schon jetzt seine Denkweise verändert: Früher hat er nach Feld unterschieden, heute passt er die Düngung innerhalb eines Felds an Zonen an, welche die Software Solorrow aus Satellitenbildern berechnet hat.
Ich bin beeindruckt, was möglich ist.
Eric Lothmann
Der 400 Hektar große Ackerbaubetrieb verfügt über sehr homogene Flächen mit durchschnittlich 95 Bodenpunkten – Bodenverhältnisse, die zunächst nicht für eine teilflächenspezifische Düngung sprechen. Trotzdem wollte der Betriebsleiter die Düngung mit der Satellitentechnik noch effizienter gestalten. Angesichts der immer strengeren Vorgaben beim Einsatz von Betriebsmitteln ist Effizienz auch dringend angeraten. „Wir müssen mit dem, was wir noch einsetzen dürfen, den maximalen Ertrag rausholen“, erklärt Lothmann.
Statt aus dem Bauch heraus zu entscheiden, ob er den Weizen nochmal düngen sollte, unterstützten nun Satellitendaten und die Deckungsbeitragsrechnung eine rationale Entscheidung. Das ist umso wichtiger, da die Inputkosten in den letzten Monaten drastisch gestiegen sind. So versorgte Lothmann Standorte mit niedrigerem, aber immer noch sehr hohem, Ertragspotenzial besser und reduzierte dafür die Düngung in Hochertragszonen. „Ich bin beeindruckt, was möglich ist“, zieht der Landwirt eine Zwischenbilanz, „Seit zehn Jahren bringen wir die Digitalisierung des Betriebs schon voran – der Nutzen wird jetzt erst richtig deutlich!“
Verschiedene Anwendungsfelder
An der niedersächsischen Nordseeküste verfolgt Lohnunternehmer Lars Lange mit dem Einsatz der Satellitentechnik ein anderes Ziel: Er nutzt die Daten des xarvio FIELD MAMAGER von BASF, um über die Aussaatdichte auf inhomogenen Flächen homogenere Maisbestände zu erhalten.
Mich hat die Herausforderung dieser neuen Technik gereizt.
Lars Lange
Das Lohnunternehmen Petra Lange bietet im Hinterland von Cuxhaven seit über 30 Jahren landwirtschaftliche Dienstleistungen an – von der Maisaussaat bis zur Ernte. 2020 regten zwei seiner Kunden den Einstieg in die neue Technologie an. Dieses Jahr bestellte er für sie 200 ha mit Hilfe von Saat-Applikationskarten. „Mich hat die Herausforderung dieser neuen Technik gereizt“, erinnert sich Lange. Seine Kunden wissen dank der gewonnenen Daten nun besser über ihre Flächen Bescheid.
Andere Landwirte nutzen die Daten nicht nur, um die Ausbringungsraten von Saatgut und Düngern präzise auf die Bodenverhältnisse im Schlag abzustimmen, sondern sogar für den Einsatz von Wachstumreglern, Fungiziden und anderen Pflanzenschutzmitteln.
Letzteres findet Aaron Borcherding, der in Sülfeld (Schleswig-Holstein) für den Maschinenhändler LVD Bernard Krone Landwirte berät, wenig sinnvoll. Der Grund: Die Pflanzenschutzmittel in einer Spritzbrühe erfüllen unterschiedliche Aufgaben. Bei Anwendung einer VRA-Karte (Karte mit variabler Ausbringungsrate) für die Applikation von Pflanzenschutzmitteln, müssen die in der Spritzbrühe enthaltenen Mittel also mit den Zielen der einzelnen Mittel und den unterschiedlichen Applikationsraten im Schlag in Einklang gebracht werden können.
Die Pflanzenschutzmittel müsse man daher tendenziell eher solo fahren. Der xarvio FIELD MANAGER berücksichtigt allerdings bei Pflanzenschutzmittelanwendungen auch die Mischverhältnisse im Tank. Feldversuchen von BASF mit Winterweizen (2019-2021) zufolge spare die Arbeit mit VRA-Karten von xarvio durchschnittlich 15% der Aufwandmenge von Fungiziden und Wachstumsreglern ein und steigere gleichzeitig den Umsatz um 27€ pro Hektar.
Die Technologie ersetzt keinen Menschen
Die Grundlage für das Erstellen von Applikationskarten bilden Satellitenbilder. Diese Aufnahmen geben Aufschluss über den Biomasseaufwuchs einer Fläche. Eine Software (z.B. Solorrow, MyDataPlant, xarvio FIELD MANAGER) verschneidet die Aufwuchsdaten mehrerer Jahre miteinander und berechnet daraus unabhängig von der Kultur das durchschnittliche Ertragspotential des Ackers.
Dadurch können unregelmäßige Abweichungen wie Wildschäden oder Pilzerkrankungen das Gesamtbild nicht verfälschen – ein Vorteil gegenüber der Sensortechnik, die direkt im Feld Daten generiert und wegen einer örtlichen Pilzerkrankung mitunter ein schlechtes durchschnittliches Ertragspotential vorhersagt. Die Satellitenkarten punkten außerdem mit einer kompletten Schlagabdeckung. Dafür stehen bei bewölktem Himmel mitunter wochenlang keine neuen Bilder zur Verfügung und manchmal verführen Wolkenschatten die Algorithmen zu Fehleinschätzungen.
Aus den Ertragspotentialkarten erstellt der Landwirt schließlich feldspezifische VRA-Karten. Dabei entscheidet er neben der Anzahl der Zonen je nach Areitsgang auch über die Dosierung von Saatgut, Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie Wachstumsreglern innerhalb dieser Zonen. Die Satellitentechnik kann die Erfahrung des Landwirts nicht ersetzen. Die Interpretation der Daten nimmt sie ihm nicht ab. „Man selber kennt seine Flächen immer noch besser als das System“, betont Lothmann.
Aus demselben Grund legt Lohnunternehmer Lars Lange gemeinsam mit seinen Kunden fest, wie mit den gewonnenen Erkenntnissen aus der Datenanalyse umgegangen wird: Soll in den weniger ertragreichen Zonen dichter oder dünner gesät werden? Je nach Situation können beide Ansätze plausibel sein. „Satellitentechnik bietet eben nur die Informationsgrundlage, um die Potentiale einer Fläche besser auszunutzen zu können“, macht Lange deutlich.
Effizienter Betriebsmitteleinsatz und homogenere Erträge
Sind die Karten fertig, überprüfen Lange und Lothmann sie ein letztes Mal und senden sie anschließend direkt an den Traktor oder das MyJohnDeere Operations Center. Alternativ übertragen sie die Daten per USB-Stick auf das Terminal. Die Maschine führt die Anweisungen dann während der Überfahrt selbstständig aus und zeichnet parallel die Ausbringungsmengen auf, um einen späteren Soll-Ist-Vergleich in der Software zu ermöglichen. Sind Feld und Einstellungen gut aufeinander abgestimmt, lassen sich die Betriebsmittel effizienter einsetzen und die Erträge homogenisieren.
Darin sieht auch Precision Farming- und AMS-Spezialist und Nebenerwerbslandwirt Aaron Borcherding das größte Potential der Satellitentechnik. Er hat sich intensiv mit der Technologie beschäftigt, um seine Kunden in Fragen der Präzisionslandwirtschaft beraten zu können. Wegen der Übersichtlichkeit der Webanwendung und des deutschsprachigen Kundendienstes mit 24/7 Telefonsupport empfiehlt Borcherding seinen Kunden die Software MyDataPlant.
Ich spare keinen Dünger, sondern verteile ihn effizienter.
Aaron Borcherding
Viele junge Kunden und größere Betriebe interessieren sich für die neue Technologie. Trotzdem wagen nur wenige den ersten Schritt. Wer ihn wagt, hofft nicht nur darauf, mit Hilfe der Technologie auch auf sehr großen Betrieben den Überblick über jeden Schlag zu behalten. Er hofft auch, Betriebsmittel einzusparen. Bis zu 10% mehr Ertrag bei 10% Kosteneinsparung versprechen manche Softwareanbieter. Aaron Borcherding geht da nicht mit: „Ich spare keinen Dünger, sondern verteile ihn effizienter“, ist er überzeugt. Es gehe im Großen auch gar nicht darum, im Hochertragsland Deutschland den Ertrag noch weiter zu steigern, sondern vielmehr darum, die Erträge über die Jahre zu stabilisieren. Höhere Planungssicherheit und effizientere Kostenverteilung seien die wahren Vorteile der Satellitentechnik.
Dabei darf man die Satellitentechnik keinesfalls ausschließlich als Arbeitsmittel für landwirtschaftliche Großbetriebe abstempeln. Lothmanns Erfahrung zeigt, dass sie sich auch für kleinere Familienunternehmen lohnen kann, obwohl die Finanzierung deutlich schwieriger ist. Seit zehn Jahren baut er deshalb Schritt für Schritt den technologischen Stand seines Maschinenparks aus. „Digitalisierung ist ein Prozess, in den man reinwachsen muss und der Disziplin braucht“, ist er überzeugt. Ein Investitionsplan half ihm, den Überblick zu behalten.
Die passende Software
Grundsätzlich kann jeder, der einen ISOBUS- und Section-Control-fähigen Traktor hat, in die Arbeit mit der Satellitentechnik einsteigen. Die Software Solorrow ist sogar für Landwirte ohne diese technischen Grundvoraussetzungen eine Option und wirbt mit einer leicht zu bedienenden Oberfläche. Ganz ohne Engagement und Interesse geht es jedoch nicht. „Wenn man sich mit der Technik nicht auseinandersetzt, fährt man mit dem Bauchgefühl besser“, betont Borcherding.
Alle Programme arbeiten mit Satellitenbildern, die frei verfügbar im Internet stehen. Die Aufgabe der Software besteht darin, diese Bilder so aufzubereiten, dass sich daraus für den Anwender verwertbare Informationen ableiten lassen.
Welche Software die beste ist, hängt von den Bedürfnissen und der vorhandenen Technik ab. Letztendlich ist sie auch Geschmackssache. Neben Solorrow, MyDataPlant und dem xarvio FIELD MANAGER gibt es noch viele weitere Programme. Den genannten Programmen ist jedoch gemeinsam, dass sie mit dem John Deere Operations Center kompatibel sind. Von vornherein auf kompatible Dateiformate zu achten, kann viel Frust ersparen. Tatsächlich gehören Datenformatierungsfehler und Fehler bei der Einrichtung der Traktorteminals zu den häufigsten Problemen von Borcherdings Kunden.
Zukunftsweisende Technologie
Trotz all der Technik und Digitalisierung, bleibt dem Landwirt eines nicht erspart: Die Entscheidung, wie er mit den Daten umgeht. Precision Farming ist lediglich eine Unterstützung – sie erleichtert die Bestandsführung und macht die Kultur homogener. Mit der Technik zu arbeiten, ist anspruchsvoll; blind auf sie verlassen, sollte man sich nie. Die Technologie ist weder ein Garant dafür, dass alle Daten stimmen, noch kann sie das Wissen des Landwirts ersetzen.
Gegenüber anderen Möglichkeiten des Precision Farmings bieten die satellitengestützten Applikationskarten einige Vorteile: Sie sind verhältnismäßig günstig, decken den kompletten Schlag ab, ermöglichen den effizienteren Einsatz von Betriebsmitteln und reduzieren Fehlerquoten in der Ertragspotentialeinschätzung.
Man wird eben nicht per Fingerschnips digital.
Eric Lothmann
Eric Lothmann sieht in der Technologie eine große Chance für die Landwirtschaft. „Das ist eine Veränderung, der man sich nicht verschließen sollte, wenn man den Betrieb in die Zukunft führen will“, ist er überzeugt. Sein Kollege Lange ist nicht minder begeistert – das Gefühl, auf der Maschine zu sitzen und zu sehen, dass das tatsächlich funktioniert, sei phänomenal.
Allen, die in die Technologie einsteigen wollen, sei geraten, frühzeitig klein anzufangen und sich nicht gleich entmutigen zu lassen, we nn etwas nicht funktioniert. Denn zu Beginn verlangt die Arbeit mit den Satellitendaten viel Zeit, Disziplin und Investitionen in einen geeigneten Maschinenpark, wenn der nicht schon vorhanden ist.
„Man wird eben nicht per Fingerschnips digital“, weiß Lothmann. Angesichts immer strengerer Düngebeschränkungen und der steigenden Betriebsmittelkosten, könnten sich die Anstrengungen jedoch alsbald auszahlen.
Sofwarelösungen im Überblick
xarvio FIELD MANAGER
Mit der Software lassen sich app- und webbasiert VRA-Karten für Aussaat, Düngung, Pflanzenschutz und Wachstumsregelung erstellen. Xarvio bietet die Wahl zwischen Basis-, Pro- und Premiumpaket, wobei die Basisversion großzügig für ein Jahr und zwei Felder kostenfrei ist. Danach wird die Mitgliedschaft immer für ein Jahr abgeschlossen und endet automatisch. Die Kosten berechnen sich nach Anzahl der Flächen und den gewünschten Funktionen.
Die Ertragspotentialkarten von Xarvio basieren auf Satellitenbildern der vergangenen 15 Jahre. Eine neu entwickelte Funktion integriert Abstandsauflagen automatisch in die Applikationskarten. Darüber hinaus ermöglicht die Software, über Wachstumsstadienmodelle das beste Zeitfenster für die Düngung zu bestimmen. Als einziges der hier vorgestellten Programme bietet Xarvio in der Premium-Version auch den teilflächenspezifischen Pflanzenschutz an.
MyDataPlant
Die Software des deutschen Anbieters Kleffmann Digital läuft wie Xarvio sowohl auf mobilen Endgeräten als auch dem Computer. Wegen der Übersichtlichkeit der Webanwendung und des deutschsprachigen Kundendienstes mit 24/7 Telefonsupport empfiehlt Borcherding seinen Kunden MyDataPlant. Der Anbieter lässt die Kunden aus drei Paketen wählen: Aussaat, Düngung und Pflanzenschutz (nur für den Einsatz von Wachstumsreglern). Wenn die kostenfreie 14-tägige Testversion für bis zu fünf Felder abgelaufen ist, schließt man ein Abo für ein Jahr ab, dessen Preis sich nach Anzahl der gewünschten Pakete und der Flächengröße staffelt.
Eine besondere Option ist das Multilayer-Tool, das es ermöglicht, Daten unterschiedlichster Formate miteinander zu verschneiden und individuell gewichtet in die Applikationskarten einfließen zu lassen – zum Beispiel Bodenproben, Drohnenüberflüge oder Ertragsdaten.
Solorrow
Ebenfalls aus Deutschland kommt die reine App-Anwendung Solorrow vom gleichnamigen Anbieter, der damit 2019 den Hessischen Gründerpreis 2019 gewann. Lothmann entschied sich für diese Software, weil sie auch für Einsteiger einfach zu bedienen und verständlich ist. Dazu ist sie preisgünstig – die Kosten sind nach Fläche gestaffelt. Wie die anderen Softwareanbieter bietet auch Solorrow eine Probeversion an: Drei Felder sind kostenfrei. Eine Besonderheit ist die automatische Feldgrenzenerkennung, die einem das aktive Einpflegen der Flächendaten erspart. Für Landwirte ohne ISOBUS- oder Shape-fähigen Traktor hat Solorrow den Fahrmodus im Angebot. Dieser ermöglicht es, während der Feldarbeit auf einem Tablet den Überblick über die Zonen und Ausbringungsmengen zu behalten. Damit wird es auch möglich, Bodenproben zonenspezifisch zu entnehmen und so den Produktivitätsunterschieden im Feld auf den Grund zu gehen.
Die Software greift für ihre Ertragspotentialkarten auf Satellitenbilder der vergangenen fünf Jahre zurück und schlägt auf Wunsch eine Dosierung auf Basis der Feldzonenunterschiede vor. Wer will, kann die Dosierung aber auch manuell steuern. Der Anwender entscheidet wie üblich über die Applikationsstrategie: Hohe Ausbringmenge in guten Zonen und geringe in schlechten oder umgekehrt.