Wenn junge, hippe Verbraucher ihren lokalen Supermarkt mit einem Glas Hanfpesto in der Tasche verlassen oder ihr Gesicht mit einer Anti-aging-Feuchtigkeitsgesichtscreme auf Hanfölbasis eincremen, gibt es eine direkte Verbindung zu einem Landgut im Süden von Djursland, Dänemark, mit einer weit zurückreichenden Geschichte.
Tatsächlich geht die Geschichte von Møllerup Gods bis ins Jahr 1286 zurück, als König Erik Klipping in Finderup Lade ermordet und der damalige Besitzer von Møllerup, Marsk Stig, zur Mitschuld am Königsmord verurteilt und somit für vogelfrei erklärt wurde. Dass Marsk Stig möglicherweise Opfer eines Justizirrtums wurde, ist ein anderes Thema, das vermutlich nie abschließend geklärt werden kann.
Wie dem auch sei, auf dem Gut des mutmaßlichen Königsmörders ist heute ein kleiner Konzern erwachsen, der sich auf ein Erntegut spezialisiert hat, das jahrzehntelang aus der dänischen Landwirtschaft verbannt war, jetzt aber einen Neuanfang macht. Hanf.
„Hanf ist eine fantastische Pflanze“, schwärmt Anne Sophie Gamborg, deren Familie seit 1920 im Besitz von Møllerup ist. „Aus Hanf lässt sich so viel herstellen“, erklärt sie enthusiastisch.
Hanf ist eine fantastische Pflanze. Aus Hanf lässt sich so viel herstellen.
Anne Sophie Gamborg
„Die Samen sind geeignet für Lebensmittel, die Blätter für Medizin, die Stängel für Textilien, Seile und alles mögliche andere. Als die Wikinger in Vinland anlegten, dort, wo heute Kanada liegt, hatten sie Hanfsamen dabei, die sie schnellstmöglich einpflanzten. Ansonsten hätten sie später keine Taue und Segel fertigen können, um wieder nach Hause zu gelangen“, erzählt sie.
Reich an Proteinen und Ölen
Das Ziel des heutigen Hanfanbaus auf Djursland besteht jedoch nicht in der Herstellung von Seilen und Segeln. In Møllerup und bei den angeschlossenen Vertragszüchtern wird der Hanf wegen seiner Samen angebaut. Bei der Vermarktung wird unter anderem auf den Proteinreichtum von Hanfsamen im Vergleich zu anderen Pflanzen hingewiesen, sowie der Gehalt an sämtlichen neun essentiellen Aminosäuren, die der menschliche Körper benötigt. Außerdem enthält Hanf in hohem Maß gesunde Omega-3-Fettsäuren in einem perfekten Verhältnis zu anderen Fettsäuren. Nur eine geringe Verarbeitung ist nötig, um die Samen in einer Vielzahl von Lebensmitteln zu verwerten oder das Hanföl in Hautpflegemitteln zu verenden.
Nach der Ernte werden die Samen bis auf eine Wassergehalt von 9 % heruntergetrocknet, um sie lagerfähig zu machen. Später werden sie in Møllerups hauseigene Fabrik in Nors bei Thisted verfrachtet, wo sie je nach Bedarf geschält, geröstet, zu Mehl zermahlen oder zu Öl gepresst werden. Danach können die Samen beispielsweise in Mehlmischungen, Senf, Salami, Pesto, Tee, Öl, Gin oder anderen erlesenen Lebensmitteln verwendet werden.
Vier Unternehmen unter einem Dach
Im Dachboden über dem alten Pferdestall des Guts wurde eine moderne Büroinfrastruktur für die Angestellten von vier Unternehmen der Hanfbranche eingerichtet, die Anne Sophie Gamborg, ihr Mann Stig Gamborg und ihre Kinder in den vergangenen 15 Jahren etabliert haben.
Der kleine Konzern folgt einer klaren Unternehmensstrategie, auch wenn diese mehr oder weniger durch Zufall entstand, als Anne Sophie Gamborg im Alter von 40 Jahren eine Ausbildung zur Betriebsleiterin in der Schule für ökologische Landwirtschaft auf Kalø begann. Sie wollte sich Kenntnisse über die Leitung eines landwirtschaftlichen Betriebes aneignen, hatte jedoch nicht die Absicht, in Møllerup auf ökologisch umzusatteln. „Dafür ist unser lehmiger Boden zu gut, und unsere Erträge würden zu stark sinken“, meint sie. Damals hatte sie auch noch nicht die Vision, Møllerup zu einem Zentrum für Hanf zu machen, auch wenn sie genau diese Fruchtart als Thema für ihrer Abschlussarbeit wählte.
„Ich fand es nur amüsant, über Hanf zu schreiben. Und es war cool, meinen Kindern und den anderen in der Schule zu zeigen, dass auch eine Frau in meinem Alter sich mit so etwas beschäftigt. Das Fazit der Abschlussarbeit war, dass pro Hektar nur ein Ertrag von etwa einer Tonne Hanfsamen anfallen würde. Andere Fruchtarten waren daher weitaus erfolgsversprechender, und wir planten nicht, Hanf bei uns anzupflanzen.“
Selbstgebaute Maschinen
Trotz allem legte die Abschlussarbeit den Grundstein für den Hanfanbau auf dem alten Gut. Im Laufe dieser Arbeit hatte Anne Sophie Gamborg nämlich den Kontakt zu Bodil Pallesen hergestellt, der zu diesem Zeitpunkt ein Berater mit Fachkenntnissen über Hanf an der landwirtschaftlichen Beratungsstelle war. Über ihn lernte sie eine Frau aus Horsens kennen, die eine Technologie zur Gewinnung von Fasern aus Stängeln von Hanf und anderen Pflanzen erfunden hatte.
Damit blühte das Unternehmergen der Familie Gamborg richtig auf. Gemeinsam mit der Unternehmerin aus Horsens, dem Schmied aus dem Nachbarort von Møllerup und dem Freund ihres Au Pair Mädchens baute Stig Gamborg die ersten Maschinen nach den Plänen der Erfinderin. Und es funktionierte.
Anfangs stand die Anlage in einer alten Scheune auf Møllerup, später zog sie dann in die Fabrik in Nors um. Die Technologie kann für alle möglichen faserhaltigen Rohstoffe verwendet werden, neben Hanf beispielsweise auch für Textilien, Altreifen, Papier und Holz. Tatsächlich sind die meisten anderen Rohstoffe billiger als Hanf. Obwohl die Technologie lukrative Geschäftsmöglichkeiten für die Møllerup-Firmen Advance Nonwoven und Convert A/S eröffnete, führte sie nicht dazu, dass auf den Feldern von Møllerup Hanf angebaut wurde.
Hanf auf immer mehr Feldern
2014 veranlasste dann ein kanadisches Vorbild die Familie Gamborg, das Potenzial von Hanf als Lebensmittel mit herausragenden Qualitäten zu erkennen, die den relativ bescheidenen Ertrag mehr als wettmachten. 2015 wurde auf 30 Hektar Hanf angebaut, und von da an ging es steil bergauf, 2019 waren es 220 Hektar auf den Feldern von Møllerup. Hinzu kamen 280 Hektar Anbaufläche bei den ökologischen Geschäftspartnern. Diese wuchs 2020 auf 400 Hektar an.
Trotz herkömmlicher Anbaumethoden sind Pestizide bei Hanf strikt untersagt. Trotzdem gibt es kaum Probleme, weder mit Pilzbefall, Schädlingen noch Unkraut.
„Allerdings hat sich ein gewisser Bestand an weißem Gänsefuß, Beifuß und einige Disteln auf einem Feld angesiedelt, auf dem wir versuchsweise Hanf seit fünf Jahren ununterbrochen angebaut haben“, berichtet Emil Marcus Pedersen, landwirtschaftlicher Betriebsleiter auf Møllerup.
Hanf eignet sich gut für den Fruchtwechsel mit Getreide.
Emil Marcus Pedersen, Betriebsleiter.
Durch Fruchtwechsel mit Getreide lässt sich das Unkraut jedoch üblicherweise gut unter Kontrolle halten. Wenn die Pflanze einen guten Start hinlegt, wächst Hanf schnell auf Mannshöhe an und verschattet das Unkraut. Damit dies gelingt ist es erforderlich, zusammen mit der Aussaat Mitte bis Ende Mai 100 kg Stickstoff pro Hektar in Form von Gülle oder Flüssigammoniak auszubringen. Außerdem spielt das Wetter eine gewisse Rolle. Hanf muss sehr oberflächlich ausgesät werden, weswegen die Keimlinge leicht durch Trockenheit oder Kälte beschädigt werden können. Das Erntegut erfolgt 120 Tage nach der Aussaat, also bis in die zweite Septemberhälfte hinein.
Hanf verfügt über eine lange Pfahlwurzel, und laut Emil Marcus Pedersen sorgt dies für einen guten Nährboden für die Pflanzen im Folgejahr. Die Planze hat auch einen guten Nährboden für die aktuelle Entwicklung des alten Landguts von Marsk Stig bereitet, wie man anerkennen muss.
Møllerup Gods
- 500 Jahre im Besitz des Geschlechts Hvide.
- 1920 Erwerb durch Anne Sophie Gamborgs Urgroßvater, Schiffsreeder Poul Carl. Seitdem im Besitz der gleichen Familie.
- 2002 Übernahme durch Anne Sophie und Stig Gamborg.
- Gelegen im nördlichen Teil des Nationalparks Mols Bjerge in der Nähe von Rønde auf Djursland.
- 370 Hektar Ackerland und 110 Hektar Wald.
- Anbau von Grassamen, Getreide und Hanf.
- Hanfsorte Finola hat keine euphorisierende Wirkung.
- 1200 Betriebe aus der Hanfbranche, Jägerei, Pferdehaltung, Vermietung, Hofladen sowie Webshop.