Herb-Schwarz­rotes aus der Rhön

Rund jeder siebte Hektar Holunder in Deutsch­land gedeiht in der Rhön. Mehrere Betriebe kulti­vieren das Beeren­obst, das als Gesund­heits­trunk über­zeugt und als Zugabe in der roten Bionade, der Kult­limo aus Ostheim, Berühmt­heit erheischte.

Wer an einem Standort wie in Neuhof-Tiefen­gruben in der hessi­schen Rhön einen bäuer­li­chen Land­wirt­schafts­be­trieb hat, der kommt mit 08/15 nicht über die Runden. Der muss neue Wege gehen, der muss viel­seitig und spezia­li­siert sein.

Genau das prak­ti­ziert die Familie Reith, als sie vor 14 Jahren in den Anbau von Holunder einstieg. Ein Beeren­obst, das in der Region weitere fünf Anbauer kulti­vieren, die sich zur Beer­enge­mein­schaft Rhön-Vogels­berg GmbH zusam­men­ge­schlossen haben, um gemeinsam verar­beiten zu lassen und zu vermarkten.

Rund 22 ha Holunder werden aktuell auf den Mitglieds­be­trieben ange­baut, davon stehen zwei Hektar auf dem Betrieb von Anne­marie und Willi Reith und ihren Töch­tern Kerstin und Stefanie.  

2 ha Holunder wachsen auf dem Betrieb der Reiths.

Aus der Holun­der­blüte entwi­ckeln sich im Laufe des Sommers …

… die Holun­der­beeren.

Familie, Nach­barn und Freunde ernten mit

Wenn die Ernte der Holun­der­beeren im August bzw. Anfang September ansteht, dann wird die Ernte­crew über WhatsApp spontan infor­miert: Die ganze Familie, Schwie­ger­el­tern, Nach­barn und Freun­dinnen trifft sich dann im EU-bio zerti­fi­zierten Holun­der­be­stand etwas außer­halb des Dorfes. Wie an diesem sonnigen Augusttag, an dem die Erntenden die an Dolden üppig hängenden Früchte mit Garten­scheren von den Zweigen trennen. Das Geschnatter in harmo­ni­scher Runde wird immer leben­diger, je näher der letzte zu erntende Holun­der­baum, der keine vier Meter hoch ist, heran­rückt.

Mitten­drin im Ernte­treiben ist Kerstin Oswald, die Tochter von Anne­marie und Willi Reith zeigt sich zufrieden: „Die Qualität ist in diesem Jahr sehr gut und die Ernte­menge liegt im Durch­schnitt“, sagt die 37-Jährige über dies­jäh­rige Ausbeute. Sie wird den Misch­be­trieb mit 25 ha Eigen­land ihrer Eltern bald über­nehmen.

Viel­falt mit Beeren, Schweinen, Rindern, Kälbern, Hirse und Miscan­thus

Viel­falt ist Programm auf ihrem Hof. Neben Holunder gedeihen auf den Flächen der Familie, die über das Eigen­land noch weitere 25 ha gepachtet haben, auch Johan­nis­beeren. Zudem mästet man 50 Schweine, hält ein knappes Dutzend Wagyus, zieht für einen Milch­vieh­be­trieb Pensi­ons­kälber auf, baut Hirse für eine Biogas­an­lage an und hat neben konven­tio­nellem Getreide oben­drein noch ein kleines Stück Miscan­thus stehen, das als Einstreu an einen Pfer­de­halter geht.

Ertrag von rund 20 t Holunder auf 2 ha

Rund 20 t Holunder werde man wohl in diesem Jahr ernten, schätzt Kerstin den Ertrag vor der dritten und letzten Pflücke in dieser Saison. Damit stellt Holunder, dessen Blüten im Früh­jahr teil­weise geerntet und zu Getränken verar­beitet wurden, eine wich­tige Einnah­me­quelle für den viel­sei­tigen Betrieb dar.

Die ganze Familie hilft bei der Ernte. So auch Willi Reith.

Aber auch Nach­barn, Freunde …

… und Freun­dinnen packen mit an.

Der Arbeits­auf­wand bei der ernäh­rungs­phy­sio­lo­gisch so wert­vollen Frucht ist aber enorm. „Um den größten Feind der Holunder, die Wühl­maus, in den Griff zu bekommen, werden die Wurzeln mit Hasen­draht umman­telt. Zudem wird der Boden mehr­mals im Jahr bear­beitet, um die Mäuse zu vergrämen sowie Gräser und Kräuter kurz zu halten“, erklärt Vater Willi Reith.

Der Boden wird mehr­mals im Jahr bear­beitet, um die Mäuse zu vergrämen sowie Gräser und Kräuter kurz zu halten.

Willi Reith

Der Arbeits­schwer­punkt liegt aber im Winter, wenn die Holun­der­bäume (Sambucus nigra) von den Reiths sorg­fältig herun­ter­ge­schnitten werden. „Dann geht man mehr­mals um einen Baum herum, um am Ende den rich­tigen Rück­schnitt zu finden“, erklärt Willi. Sogar das Schnitt­holz wird verwertet: Es landet in die hofei­gene Hack­schnit­zel­hei­zung.

Die Familie verlädt die Ernte, damit die frischen Beeren bald weiter­ver­ar­beitet werden.

Von der Holunder-Beere zum Mutter­saft

Die Reiths gehören der Beer­enge­mein­schaft Rhön-Vogels­berg GbR an, die ursprüng­lich mal gegründet worden ist, um gemeinsam Johan­nis­beeren als Farb­sub­stanz für die Chemie­in­dus­trie zu vermarkten. Daraus wurde jedoch nichts. Dafür kam neben Johan­nis­beeren später die Holun­der­beeren dazu.

Aktuell nimmt sie die Ernte ihrer sechs Betriebe mit insge­samt 22 ha Holunder fest ab und lässt sie von der nahe­lie­genden Kelterei BioContor Elm GmbH zu sieben Produkten (Mutter­saft, Nektar, etc.) verar­beiten. Der größte Teil davon geht in den Lebens­mit­tel­ein­zel­handel, der klei­nere Teil wird auf regio­nalen Märkten und in Hofläden selbst­ver­market.

Die nahe Kelterei BioContor Elm über­nimmt die Weiter­ver­ar­bei­tung der Beeren.

Hier werden die frisch geern­teten Holun­der­beeren…

… zu Saft und Limo­naden.

Apropos BioContor Elm GmbH: Die Kelterei hat über viele Jahre auch Holunder von anderen Betrieben aus der Rhön entrappt und weiter­ver­ar­beitet, der dann an der Bionade-Produk­tion in Ostheim in der baye­ri­schen Rhön landete. Wenn­gleich Elm heute nicht mehr für Bionade arbeitet und sich bei gut gefüllten Auftrags­bü­chern mehr um „span­nende Neuent­wick­lungen“ kümmert, hat die rote Bionade dazu beigetragen, dass die Rhön zu den Haupt­an­bau­ge­bieten von Holunder in Deutsch­land gehört. Laut Statis­ti­schem Bundesamt wurden in ganz Deutsch­land in 2024 exakt 354 ha Holunder ange­baut.