Ein Vieh­züchter kämpft für das Vermächtnis des ameri­ka­ni­schen Bisons

Ed Dillinger über­legte sich im Alter von 65 Jahren zusammen mit seiner Familie eine Bison-Ranch in den Verei­nigten Staaten. aufzu­bauen. Auf der Ranch „Lazy Heart D“ bietet er Führungen an, um Kindern und Erwach­senen das Leben auf der Farm zu zeigen.

Über 50 Jahre lang war Ed Dillinger in seiner Heimat Kansas Schieds­richter für High-School-Basket­ball und Foot­ball. Für den 87-Jährigen war dies eine Übung in Diszi­plin. Er musste das Spiel­ge­schehen verfolgen und gleich­zeitig alles um ihn herum im Blick behalten.

So ähnlich ist es auch in der Bison­zucht. „Wenn Sie sich in der Nähe von Bisons oder anderen wilden Tieren aufhalten, hängt Ihr Über­leben zu einhun­dert Prozent davon ab, dass diese sich Ihrer Anwe­sen­heit voll bewusst sind“, erklärt Dillinger, dessen Ranch in der Nähe von West­mo­r­eland, Kansas, im Herzen der Tall­grass-Prärie liegt. „Bei fast jeder Sportart haben Sie als Schieds­richter zwei Aufgaben. Erstens: Konzen­tra­tion auf den Ball bzw. den Ort, an dem gerade die Aktion statt­findet. Zwei­tens: Konzen­tra­tion auf das, drum herum geschieht. Erst dann wird ein Schuh draus.“

Nach seinem Abschied vom Lehrer­beruf grün­dete Ed Dillinger 1995 in der Nähe von West­mo­r­eland, Kansas, eine Bison-Ranch. Der 87-Jährige führt fast 100 Führungen pro Jahr durch.

Mit einem Gewicht von fast einer Tonne und einer Körper­größe von fast zwei Metern sind die Bison­bullen die größten Säuge­tiere Nord­ame­rikas. Bison­kühe wiegen etwa halb so viel. Die Tiere können mit einer Geschwin­dig­keit von fast 55 km/h rennen und über zwei Meter hoch springen.

Man muss ihnen mit Respekt begegnen, betont Dillinger. Zusammen mit seiner Frau Susan, seinem Sohn Kyle und seiner Schwie­ger­tochter Kellie bewirt­schaftet er die Lazy Heart D Ranch, wo sie Bisons, Beef­master-Rinder und Morgan-Pferde aus einer fast 100 Jahre alten Blut­linie halten.

Dillinger hat eine abwechs­lungs­reiche beruf­liche Lauf­bahn hinter sich. Unter anderem war er Sport- und Fahr­schul­lehrer in Wichita, Kansas, sowie stra­te­gi­scher Berater und Vermittler für das Insti­tute of Cultural Affairs in Taiwan, Indien und Sambia. Nach zehn Jahren im Ausland kehrte Dillinger nach Kansas zurück, um als Sonder­päd­agoge zu arbeiten. 1993 kaufte er die Ranch und benannte sie in Lazy Heart D Ranch um.

Ich wusste rein gar nichts über Büffel – ich wusste gerade mal, wer Buffalo Bill war. Also besuchte ich einige Ranches und entwi­ckelte einen Plan.

Ed Dillinger

„Während meiner Arbeit mit behin­derten Kindern kam mir der Gedanke, ich nenne es einmal eine Opa-Farm, zu gründen“, erin­nert sich Dillinger. „In meiner Kind­heit hatte jeder jemanden mit einem Bauernhof in der Familie, den man besu­chen konnte. Heute gibt es sowohl Kinder als auch Erwach­sene, die noch nie in ihrem Leben auf einer Farm waren.“

Deshalb begann er, Führungen anzu­bieten. „Und dann dachte ich: Wäre es nicht cool, wenn ich hier draußen ein paar Bisons hätte?“, erklärt er rück­bli­ckend. Bisons waren einst in ganz Nord­ame­rika verbreitet, lebten jedoch vorwie­gend in den Prärien der High Plains. „Ich wusste rein gar nichts über Büffel – ich wusste gerade mal, wer Buffalo Bill war. Also besuchte ich einige Ranches und entwi­ckelte einen Plan.“ 1995 kaufte er die ersten drei Färsen­kälber, im Jahr darauf drei weitere – und seitdem hat er nie wieder zurück­ge­blickt.

Bison­bein­kno­chen, der zum Spannen eines Stachel­draht­zauns verwendet wurde.
Eine Bison­fell­decke ist erstaun­lich weich und dennoch unglaub­lich robust. Einst war der ameri­ka­ni­sche Bison in den Great Plains allge­gen­wärtig, dann stand kurz vor der Ausrot­tung. Heute leben wieder fast 500.000 Tiere in geschützten und kommer­zi­ellen Herden.

Mit Unter­stüt­zung seiner Familie führt Dillinger etwa 100 Führungen pro Jahr durch. Während einer Fahrt auf einem Heuwagen über seine 160 ha Weide­land in den Flint Hills, wo die 40-köpfige Herde grast, bringt er seinen Gästen die Geschichte der Bisons in Kansas näher. Hier in der Prärie, wo die Bisons einst in Scharen umher­zogen, können die Gäste die Herde mit der Hand füttern. Es ist eine seltene Gele­gen­heit, den riesigen Tieren so nahe zu kommen.

Im Gäste­buch von Lazy Heart D findet man Schüler aus Deutsch­land, inter­na­tio­nale Studen­ten­gruppen von der nahe­ge­le­genen Kansas State Univer­sity und viele Fami­lien, Schul­gruppen und Bürger­or­ga­ni­sa­tionen. Sstatt Eintritt für seine Führungen zu verlangen, bittet Dillinger die Teil­nehmer um Geld­spenden für einen örtli­chen Sozi­al­dienst oder eine Lebens­mit­tel­aus­gabe. Bei Schul­klassen und Jugend­gruppen bittet er die Lehrer oder Leiter, die Kinder ein Projekt durch­führen zu lassen, mit dem sie anderen Menschen helfen. „Ich möchte die Gemeinde stärker vernetzen“, erklärt er. „Einige Kinder führen so ein Projekt für eine Einrich­tung durch, die sie sonst viel­leicht nie kennen­ge­lernt hätten.“

Der Herden­bulle ist fast zwei Meter groß und wiegt zwei Tonnen.

Tiere aus der Eiszeit. Laut des Kansas Geolo­gical Survey endeten die Glet­scher aus der Eiszeit nicht weit südlich der Lazy Heart D Ranch. Dort bildeten sich auch die beiden Flüsse Kansas River und Big Blue River. In der Eiszeit nutzten Bisons die Glet­scher als Land­brücke in das heutige Amerika. Diese soge­nannten Step­pen­bi­sons haben laut Palä­on­to­logen des Austra­lian Center for Ancient DNA die gleiche DNA wie moderne ameri­ka­ni­sche Bisons.

„Ich vermittle den Besu­chern gerne den histo­ri­schen Kontext, bevor wir uns die Herde ansehen“, sagt Dillinger. „Ich möchte, dass sie eine neue Erfah­rung machen – eine Erfah­rung, die ihre Erwar­tungen über­trifft“ Beim jähr­li­chen Herbst­markt der Kansas Buffalo Asso­cia­tion werden sowohl tief­ge­fro­renes Bison­fleisch als auch lebende Tiere verkauft. Trotzdem misst Dillinger den Wert der Bison­zucht nicht am Geld, sondern an dem befrie­di­genden Gefühl, anderen etwas beizu­bringen und ihnen zu helfen. „Ich weiß nicht, wie viel diese Führungen für die Gemeinde bedeuten. Aber wenn man mit dem, was man tut, zufrieden ist, braucht man es nicht zu messen oder zu bewerten. Viele von uns sind sehr mate­ria­lis­tisch einge­stellt, haupt­säch­lich um ihr Ego zu stärken. Für mich ist es Beloh­nung genug, wenn mir am Ende einer Führung jemand sagt: Das war toll. Wir kommen wieder.‘“