Verdich­tung nicht auf die leichte Schulter nehmen

Prof. Dr. Rainer Horn habi­li­tierte 1981 für das Fach Boden­kunde und hatte von 1998 bis 2017 den Lehr­stuhl für Boden­kunde an der Chris­tian-Albrechts-Univer­sität Kiel inne. Wissen­schaft­lich beschäf­tigt er sich mit Boden­physik und Boden­öko­logie, v.a. unter dem Aspekt der physi­ka­li­schen Boden­de­gra­da­tion.

Was kenn­zeichnet einen verdich­teten Boden? Gibt es eine allge­mein gültige Defi­ni­tion?

Böden sind immer dann verdichtet und als verformt zu defi­nieren, wenn sie den Wasser- und Luft­haus­halt, die Durch­wur­zel­bar­keit für die Pflanze und auch die Grund­was­ser­neu­bil­dung nicht mehr gewähr­leisten können. Kurz: Wenn die Hohl­räume, die in Böden vorhanden sind, nicht mehr ausrei­chen, um alle Funk­tionen eines Bodens als Nähr­stoff- und Wasser­spei­cher sowie als Pflan­zen­pro­duk­ti­ons­stätte zu gewähr­leisten. Aber: Es gibt keine allge­mein für den Boden anwend­bare Charak­te­ri­sie­rung. So gibt es Böden, die sehr viel anfäl­liger sind gegen­über Verdich­tung als andere, bspw. tonige im Vergleich zu sandigen Böden. Und es gibt inner­halb eines Boden­typs einzelne Boden­ho­ri­zonte mit unter­schied­li­chen Verdich­tungs­emp­find­lich­keiten.

Welche Auswir­kungen hat Boden­ver­dich­tung auf die Pflan­zen­pro­duk­tion?

Böden haben immer ein Drei-Phasen-System: die gasför­mige, die flüs­sige und die feste Phase. Also Poren, die mit Luft gefüllt sind, Poren die mit Wasser gefüllt sind und die festen Bestand­teile. Bei der Verdich­tung des Bodens verän­dert sich immer das Poren­system zuerst. Das heißt: In dem Maße, in dem die Poren zusam­men­ge­presst werden, wird die Gasdurch­läs­sig­keit geringer und die Wasser­leit­fä­hig­keit nimmt ab. Außerdem sinkt die Spei­cher­fä­hig­keit für pflan­zen­ver­füg­bares Wasser.

Wenn die Wasser­leit­fä­hig­keit einen bestimmten Wert unter­schreitet, vermin­dert sich damit auch die Durch­lüf­tung, da dann die außerdem feineren Poren mehr und länger Wasser spei­chern. Wenn die Luft­ka­pa­zität bei weniger als 8-10 % liegt, kann man von einer deut­li­chen Boden­ver­dich­tung spre­chen. Unter­schreitet die gesät­tigte Wasser­leit­fä­hig­keit Werte von 10 cm pro Tag, kann der Boden seine Funk­tionen zur Ernäh­rung der Pflanze eben­falls nicht mehr erfüllen, da dann mit stau­ender Nässe gerechnet werden muss.

Wenn der Boden zu stark verdichtet ist, können sich die Wurzeln nur noch ober­fläch­lich ausdehnen, so dass es schwierig für die Pflanze wird, Wasser in tieferen Boden­schichten zu errei­chen.

Physi­ka­lisch zusam­men­ge­fasst: Wenn der Boden zu stark verdichtet ist, können sich die Wurzeln nur noch ober­fläch­lich ausdehnen, so dass es schwierig für die Pflanze wird, Wasser in tieferen Boden­schichten zu errei­chen. Chemisch zusam­men­ge­fasst: Je dichter der Boden gepackt ist, umso geringer ist die die Möglich­keit für die Nähr­stoffe, die der Land­wirt über den Dünger auf den Boden aufbringt, über­haupt dorthin zu gelangen, wo sie ange­la­gert und gespei­chert und auch wieder von den Wurzeln aufge­nommen werden können. Außerdem steigt die Gefahr, dass, selbst in nur sehr schwach geneigtem Gelände, die Nähr­stoffe schneller, selbst in nur sehr schwach geneigtem Gelände, mit dem im verdich­teten Boden seit­lich abflie­ßenden Boden­wasser ausge­wa­schen werden und somit letzt­end­lich die Flüsse aufdüngen.

Wie kann der Land­wirt erkennen, ob sein Boden verdichtet ist?

Es gibt einige einfache Methoden, um Boden­ver­dich­tung zu erkennen. Zunächst sollte er sich die Ober­flä­chen anschauen. Diese ist bei verdich­teten Böden meis­tens verschlämmt und dicht gepackt, man findet keine oder nur weiter vonein­ander entfernt liegende Risse, die außerdem senk­recht aufein­ander zulaufen. Dann, die Riss­bil­dung an der Ober­fläche betrachten: Flächen, die aussehen wie große Bienen­waben, sind ein Zeichen für Verdich­tung. Bei verdich­teten Böden finden sich in Pflug­tiefe, also bei ca. 30 cm, oft hori­zon­tale Platten, die so genannte Pflug­sohle, die in ihrer Wirkung mehrere Dezi­meter tief in den Unter­grund reichen.

Außerdem sollte der Land­wirt sich im Ober­boden die Färbung des Bodens anschauen: Wenn nicht genug Sauer­stoff im Boden ist, wird im Boden in den Boden­mi­ne­ralen vorhan­denes Eisen redu­ziert und damit auch mobi­li­siert, was anhand einer bläu­li­chen oder schwärz­li­chen Färbung erkannt werden kann. Schließ­lich gibt das Wurzel­bild der Pflanzen Hinweise, denn verdich­tete Böden zeigen keine oder nur deut­lich einge­schränkt tiefer­rei­chende und gleich­mäßig verteilte Wurzel­bilder.

Was muss der Land­wirt beachten, um seinen Boden möglichst wenig zu belasten bzw. zu verdichten?

Gene­rell gilt, trockene Böden können stärker belastet werden als feuchte Böden. Die Konse­quenz daraus: In Abhän­gig­keit von den Nieder­schlägen habe ich unter­schied­liche Bewirt­schaf­tungen zu berück­sich­tigen. Je feuchter der Boden ist, desto empfind­li­cher ist er. Je trockener er ist, umso stabiler ist er. Das gilt sowohl im Jahres­ver­lauf als auch für unter­schied­liche Natur­räume.

Hinsicht­lich der Belas­tung durch den Druck, den Maschinen beim Über­fahren ausüben, muss grund­sätz­lich darauf geachtet werden, das Maschi­nen­ge­wicht sowie der über die Reifen­kon­takt­fläche über­tra­gene Druck unter­halb der Eigen­fes­tig­keit des Bodens zu halten. Ist die Belas­tung dagegen größer und wirkt sie außerdem wieder­holt und/oder länger, kommt es je nach Eigen­fes­tig­keit der einzelnen Boden­ho­ri­zonte zu einer deut­li­chen Zusam­men­pres­sung, die durch sche­rende Verfor­mung (= Schlupf) weiter verstärkt wird. Gene­rell gilt, dass bei glei­chem Druck aber stei­gender Kontakt­fläche der Boden tiefer­rei­chend verdichtet wird als bei leich­teren Maschi­nen­ein­heiten aber iden­ti­schem Kontakt­flä­chen­druck. Beson­ders ausge­prägt sind diese Effekte bei der jähr­li­chen Pflug­ar­beit, die in z.B. 30 cm Boden­tiefe durch­ge­führt wird.

Während in den ersten 30 cm die gesamte Boden­struktur aufge­lo­ckert wird, kommt es unter­halb der Fahr­sohle zu einer Kompri­mie­rung des Unter­bo­dens, weil beim Pflügen immer auf einer Seite mit zwei Reifen im Unter­boden gefahren wird und sich von dort aus die Drücke nach unten fort­pflanzen. Zusätz­lich wirkt der Schlupf kompri­mie­rend sche­rend und damit werden die leitenden Poren (vergleichbar mit der Wirk­sam­keit eines Stroh­halms) zerstört. Konven­tio­nelle Bewirt­schaf­tung heißt also: Ich bekomme einen über die Zeit immer flach­grün­di­geren Boden, wo der Ober­boden zwar gut durch­wur­zelt ist, den Pflanzen aber eben auch nur dieser Bereich für die Ernäh­rung zur Verfü­gung steht.

Konven­tio­nelle Bewirt­schaf­tung heißt: Ich bekomme einen flach­grün­di­geren Boden, wo der Ober­boden gut durch­wur­zelt ist, den Pflanzen aber auch nur dieser Bereich für die Ernäh­rung zur Verfü­gung steht.

Diese Wirkung und die sich daraus erge­benden Konse­quenzen für die Durch­wur­ze­lung, Wasser-, Luft- und Wärme­trans­port können damit als Indi­kator für die Boden­funk­tionen auf den Acker­stand­orten heran­ge­zogen werden. Sie können auch die in 2018 deut­li­chen Ertrags­re­duk­tionen problemlos erklären! Redu­zieren wir die Boden­be­ar­bei­tung oder lassen sie ganz weg, bedeutet das im ersten Moment, dass der Boden nach der letzten Ernte im ersten Jahr nach der Umstel­lung weniger gut durch­wur­zelbar ist und die Pflanzen sich die Hohl­räume selbst über die Zeit schaffen müssen. Wir müssen hierbei einen Zeit­raum von mindes­tens 5 – 7 Jahren betrachten bis als Ergebnis von wieder­holter Austrock­nung und nach­fol­gender Quel­lung durch Nieder­schlags­wasser ein neues Poren­system entstanden ist, das die Pflanze auch leichter und tiefer durch­wur­zeln kann.

Dies erfor­dert aber gleich­zeitig eine nicht weiter stei­gende mecha­ni­sche Belas­tung mit Land­ma­schinen, die schwerer sind und einen größeren Kontakt­flä­chen­druck aufweisen als die vorher verwen­deten Einheiten. Lang­fristig betrachtet entsteht folg­lich ein besser durch­wur­zel­barer Boden der gleich­zeitig stabiler und weniger dicht gepackt ist. Durch eine derar­tige Umstel­lung spart der Land­wirt also lang­fristig nicht nur Zeit sondern auch Energie (Diesel etc), wenn er weniger tut. Die Biologie hilft ihm dabei.

Was kann man tun, um einen bereits verdich­teten Boden wieder aufzu­lo­ckern?

Zunächst gilt ganz gene­rell, dass ein güns­tiger Nähr­stoff­vorrat für eine bessere Durch­wur­ze­lung und damit verbun­dene Austrock­nung und Schrump­fung = Riss­bil­dung sorgt. Zufuhr von Brannt­kalk trocknet in diesem Zusam­men­hang den Boden dabei gleich­zeitig aus und verstärkt eine Riss­bil­dung in den verdich­teten Berei­chen oder stabi­li­siert die zuvor gelo­ckerten Boden­schichten. Die Boden­ho­ri­zonte, und damit die Spei­cher­plätze für Nähr­stoffe, Wasser oder auch die Infil­tra­tion für Wasser bzw. der Gasaus­tausch mit der Atmo­sphäre werden somit wieder funk­ti­ons­fä­higer sowie über sehr lange Zeit­räume (bis zu mehreren Jahren) lang­fristig stabiler.

Dann sollte der Land­wirt die Frucht­folgen verlän­gern mit tief­wur­zelnden Zwischen­früchten, z.B. Luzerne. Der Boden trocknet deut­lich aus und über eine inten­si­vere Riss­bil­dung bis in den weiteren Unter­grund hinein (>1m Tiefe) steigt die Stabi­lität und die Erreich­bar­keit des im Unter­boden vorhan­denen Nähr­stoff­vor­rates sowie des dort gespei­cherten Boden­was­sers bei gleich­zeitig größerer Boden­fes­tig­keit. Welche Maßnahmen für welchen Boden am wirk­samsten sind, muss man je nach Bodentyp, Natur­raum und Verdich­tungs­grad entscheiden.

Wie lang kann es dauern, bis diese Maßnahmen Erfolg haben?

Bei einer Boden­ver­dich­tung laufen leider lang­fristig nega­tive wirkende Prozesse ab. Es gibt Daten­sätze, die deut­lich belegen, dass sich in den ersten 10-15 Jahren gar nichts tut. Wir brau­chen eine wirk­lich lange Zeit bis eine Boden­struktur wieder mobi­li­siert werden kann. Regen­würmer können hier helfen, dann brau­chen wir aber einen Besatz von 200 – 300 Regen­wür­mern pro m².

Welche tech­ni­schen Möglich­keiten, der Boden­ver­dich­tung zu begegnen, hat denn Ihrer Ansicht nach die Land­tech­nik­in­dus­trie?

Zunächst gibt es ja die Möglich­keiten eines abge­senkten Reifen­luft­drucks auf dem Feld, worüber seit Jahren disku­tiert wird. Das hilft uns meiner Ansicht nach aber nur marginal. Reifen mit abge­senktem Luft­druck werden ja nicht gleich­mäßig flacher und breiter, sondern verteilen die Masse der Maschine, und damit den Druck, ungleich­mäßig auf den Boden. Das bedeutet, es gibt keine konstante Kontakt­fläche, statt­dessen entstehen Spit­zen­werte, wenn sich der Reifen zur Seite ausdehnt – es können Druck­un­ter­schiede von bis zu 300% entstehen.

Prof. Dr. Rainer Horn im Labor an der Chris­tian-Albrechts-Univer­sität, Kiel.

Zweite Möglich­keit: größere Reifen. Auch diese erzeugen je nach Maschi­nen­masse natür­lich einen Druck auf den Boden. Hierbei muss folgendes berück­sich­tigt werden: Je größer der Reifen bei gleich­zeitig stei­gender Masse der Maschine, umso tiefer wird der Druck in den Boden fort­ge­pflanzt. Will man also den Unter­boden stärker schonen, muss mit klei­neren und selbst­fah­renden Maschi­nen­ein­heiten – Roboter!? – gear­beitet werden. Dritte Möglich­keit: Raupen-Lauf­werke. Wenn wir die Druck­fort­pflan­zung unter einer Raupe anschauen, dann ist vorne und hinten am Umlenkrad immer der größte Druck. In der Mitte, wo sich die kleinen Räder befinden, ist der Druck deut­lich geringer.

Demnach gibt es zwei Spit­zen­werte vorne und hinten, die wir nicht mit der gesamten Laufläche gleich­mäßig auf den Boden einwirken lassen können. Und schließ­lich haben wir noch den Schlupf, der in seiner Wirkung auf die Boden­struktur häufig vernach­läs­sigt wird obwohl er in seiner zerstö­renden Wirkung auf die Boden­funk­tion eine über­ra­gend nega­tive Rolle spielt. Bei Schlupf, also dem Rutschen des Reifens über die Boden­ober­fläche, entstehen Scher­kräfte, die diagonal in die Boden­schichten wirken. Diese sche­rende Verfor­mung geht teil­weise bis unter die Pflug­sohle und führt zur Zerstö­rung der natür­li­chen Poren­struktur des Bodens.

Mein Fazit ist daher: Die Indus­trie muss weg von den großen, auch teuren, Maschinen und hin zu klei­neren, effek­ti­veren Einheiten, die an die Böden ange­passt sind. Aufgrund der bereits im Boden irrever­si­blen Defor­ma­tion ist es heute sehr viel schwie­riger, sie wieder in ihrer Funk­tion für die Pflan­zen­pro­duk­tion aber auch als Filter und Puffer für sauberes Grund- und Trink­wasser zu verbes­sern, aber wir können zumin­dest errei­chen, dass sich die Situa­tion nicht noch weiter verschlech­tert.

Wie schätzen sie die Bereit­schaft in der Politik aber auch in der land­wirt­schaft­li­chen Praxis ein, auf die Situa­tion der Boden­ver­dich­tung zu reagieren?

Kein Land­wirt zerstört absicht­lich seinen Boden, da dieser die Grund­lage zur Nahrungs­mit­tel­er­zeu­gung für die nächsten Gene­ra­tionen ist. Und wir können inzwi­schen fest­stellen, dass die Sensi­bi­li­sie­rung der verschie­denen Inter­es­sen­gruppen zumin­dest zuge­nommen hat. Das ist positiv!

Kein Land­wirt zerstört absicht­lich seinen Boden, da dieser die Grund­lage zur Nahrungs­mit­tel­er­zeu­gung für die nächsten Gene­ra­tionen ist.

Nun gilt es, den Weg von „Ich bin mir der Proble­matik bewusst“ zu „Was kann ich tun, was kann und muss ich ändern?“ zu verbes­sern. In Deutsch­land wird zurzeit mit dem Umwelt­bun­desamt disku­tiert, ob ein System einge­führt werden soll, mit dem wir Böden klas­si­fi­zieren können, zum Beispiel nach physi­ka­li­schen Eigen­schaften wie Wasser­leit­fä­hig­keit, Luft­haus­halt, Sauer­stoff­ver­füg­bar­keit etc. Auch die Unter­tei­lung der Böden in verschie­dene Gefähr­dungs­ka­te­go­rien kann dabei helfen, das Problem für den einzelnen Land­wirt greif­barer zu machen. Und dann müssten ihm die Land­tech­nik­her­steller Möglich­keiten bieten, stand­ort­an­ge­passte Maschinen zu kaufen und einzu­setzen.

Abschlie­ßend noch Ihre Einschät­zung zu Controlled Traffic Farming?

Das funk­tio­niert, wenn es vom 1.1. bis 31.12. jeden Jahres durch­ge­führt wird, immer auf der glei­chen Spur, mit allen Maschinen und Geräten. Diese Fläche gebe ich dann weg als Trag­fläche, auf der nichts mehr wächst, dazwi­schen habe ich aber den Boden so locker, dass die Pflanze vernünftig wachsen kann. Das geht zwei­fels­ohne nur, wenn ich den Maschi­nen­park entspre­chend aufein­ander abstimme, was Stand heute noch nicht möglich ist über die komplette Saison. Hier wäre also eben­falls eine Heraus­for­de­rung an die Land­tech­nik­in­dus­trie: Baut Maschinen, die hinsicht­lich der Arbeits­breite aufein­ander abge­stimmt sind!

Herr Professor Horn, vielen Dank für das Gespräch.