Wie gelingt eine wirt­schaft­liche Alpaka-Zucht?

Ein flau­schiger Körper mit langen Beinen und langem Hals, darauf ein Kopf mit Kuller­augen, von einer lustigen Frisur gekrönt – das sind Alpakas. Seit einigen Jahren erleben sie einen Hype, vieler­orts bieten land­wirt­schaft­liche Betriebe Alpa­ka­pro­dukte und Events an. Doch wie können Land­wir­tinnen und Land­wirte die Haltung und Zucht trend­un­ab­hängig gestalten? Elisa­beth Freitag leitet den größten Alpaka-Zucht­be­trieb Deutsch­lands, und gibt span­nende Einblicke in die Möglich­keiten und Heraus­for­de­rungen.

Für Elisa­beth Freitag beginnt der Morgen bei den 300 Alpakas der Aabach-Farm. Etwa 120 Hengste und 180 Stuten samt Fohlen leben verteilt auf 15 Hektar Land bei Ladbergen in Nord­rhein-West­falen. Erst verschafft sie sich einen Über­blick über die zu erle­di­genden Aufgaben und hilft bei der medi­zi­ni­schen Versor­gung der Tiere. Dann geht es an den Schreib­tisch, für die digi­talen Aufgaben: die Betriebs­pla­nung, die Betreuung der Website und der Social Media Kanäle zum Beispiel. Über 33.000 Follo­we­rinnen und Follower auf Insta­gram und über 20.000 auf Tiktok versorgt Elisa­beth Freitag mit Einbli­cken in den Hofalltag, Wissen über Alpakas oder Veran­stal­tungen.

Letz­tere machen inzwi­schen einen großen Teil der Aabach-Farm aus: „Momentan sorgen die Events, wie Alpaka-Wande­rungen, Schnup­per­stunden, Kinder­ge­burts­tage oder Yoga mit Alpakas, für 50 bis 60 % unserer Einnahmen. Den bestreiten wir mit Woll­pro­dukten, Nach­zucht und Tier­ver­kauf“, erklärt sie offen. „Seit 2018 bieten wir die unter­schied­li­chen Veran­stal­tungen mit Alpakas an und werden inzwi­schen regel­recht über­rannt. Trotzdem sind wir divers aufge­stellt – denn ange­fangen hat das mit uns und den Alpakas schon viel früher.“

Seit 2018 bietet die Aabach-Farm Alpaka-Wande­rungen an. Aber nur mit den Alpakas, die das gerne machen.

Eine Yoga-Stunde auf der Wiese zwischen den Alpakas.

Alpakas statt Gallo­ways für die Grün­land­wirt­schaft

Schon vor über 25 Jahren züch­tete Familie Freitag Quarter- und Pain­thorses und waren 2002 dann auf der Suche nach Wieder­käuern, die im Wechsel mit den Pferden ihre gepach­teten Wiesen bewirt­schaften. Sie hatten die Ideen, sich Galloway-Rinder anschaffen. Bis sie bei einer Veran­stal­tung über die damals noch eher unbe­kannten Alpakas stol­perten. „Wir haben uns sofort in diese Tiere verliebt. Zudem machte der Händler große Verspre­chen bei der Faser­qua­lität und warb mit hohen Preisen für die Wolle. Auch, dass man die Alpakas im Gegen­teil zu Gallo­ways nicht schlachten muss, war für uns als Familie ein gutes Argu­ment.“ Also kauften die Frei­tags die ersten fünf Alpakas. Neben der Wiesen­be­wirt­schaf­tung sollten die Tiere für ihre feinen Fasern und die Herstel­lung von hoch­qua­li­ta­tiven Garnen und Stoffen als weiteres Stand­bein gezüchtet werden.

Fakten über die Aabach-Farm

300 Alpakas:

120 Hengste, 180 Stuten

seit 2002

züchtet Familie Freitag Alpakas

15 ha Land

zur Zucht der Alpakas

2007

Grün­dung von Alpaca Royal Fiber

8 Alpaka-Events

mit unter­schied­li­chen Themen

seit 2018

größter Alpaka-Zucht-Betrieb
in Deutsch­land

Als Land­wirtin wirt­schaft­lich planen

Die Aabach-Farm ist Anfang der 2000er einer der ersten Alpaka-Höfe in Deutsch­land – die Möglich­keiten zum Austausch mit anderen Land­wirten und Züch­tern über Ideen und Probleme bei der Haltung sind deswegen begrenzt. Außerdem macht die Faser­qua­lität der gekauften Alpakas Schwie­rig­keiten, denn es stellt sich heraus, dass nur eines der teuer einge­kauften Alpakas wirk­lich gute Fasern hat. „Wir mussten einige schmerz­hafte Erfah­rungen machen, bis wir die Alpaka-Zucht wirt­schaft­lich gestalten konnten“, sagt Elisa­beth Freitag. „Als Land­wirtin ist mir klar, dass ein Tier letzt­end­lich so viel Wert ist, wie es einbringt. Tiere mit wert­losen Fasern oder ohne Eignung für Veran­stal­tungen kann sich der Betrieb auf Dauer einfach nicht leisten.“

Als einer der ersten Schritte auf dem Weg zu einer erfolg­rei­chen Zucht konzen­trierten sich die Frei­tags mehr auf die Rasse Huya­caya, statt wie vorher den Fokus auf Suri-Alpakas zu legen. Suris haben zwar oft noch bessere Fasern, diese müssen nach der Schur aller­dings aufwändig von Hand verar­beitet werden, was in Deutsch­land zu kosten­in­tensiv ist. Ab 2004 kauft und impor­tiert die Aabach-Farm dann gezielt – teil­weise preis­ge­krönte – Deck­hengste, um die Alpakas gezielt auf die für die Garn­her­stel­lung notwen­digen Krite­rien zu opti­mieren: Ihre Fasern sollen eine hohe Kräu­se­lung und Fein­heit bei schönem Glanz und guter Festig­keit vorweisen.

Suri-Alpaka

Suri-Alpaka

Suri-Alpakas haben eher lange, lockige Fasern, die am Tier „herun­ter­hängen“. Da die Fasern weniger Kräu­se­lung aufweisen, sind sie schwie­riger in der Verar­bei­tung. Suri-Alpakas sind eher selten und machen nur etwa 2-5 % der welt­weiten Popu­la­tion aus.

Quelle: Alpaka Zucht Verband Deutsch­land e.V.

Huya­caya-Alpaka

Huya­caya-Alpaka

Huya­caya-Alpakas haben eine dichte, volu­mi­nöse Wolle mit einer starken Kräu­se­lung, weshalb sie beson­ders flau­schig aussehen. Von den welt­weit exis­tie­renden Alpakas sind mehr als 95 % Huya­cayas.

Quelle: Alpaka Zucht Verband Deutsch­land e.V.

Die Faser­qua­lität der Alpakas

Alpa­ka­fa­sern sind seidig glatt, fein gekräu­selt und tempe­ra­tur­aus­glei­chend, sie werden zwischen zehn und fünf­und­zwanzig Zenti­meter lang. Im Gegen­teil zu Schaf­wolle enthalten sie kaum Lanolin und werden daher oft als hypo­all­ergen beschrieben. Entschei­dend für die Verar­bei­tung zu Garn und Wolle ist die Kräu­se­lung, auch Curvature genannt. Sie wird als mitt­lere Krüm­mung in ° pro Milli­meter ange­geben. Für die Weiter­ver­ar­bei­tung zu hoch­wer­tigen Stoffen sollte die Curvature bei mindes­tens 60 °/mm liegen – ein Wert, den die Aabach-Farm bereits 2008 erzielen konnte. 2015 erreichte ein Alpaka 94 °/mm, seit einigen Jahren liegt die Curvature sogar bei über 108 °/mm. Die Faser­qua­lität wird einmal jähr­lich von einem zerti­fi­zierten Labor über­prüft, mit einer bei der Schur entnom­menen Probe.

Faser-Curvature von unter 55 °/mm
Faser-Curvature von über 80 °/mm

Wer Alpakas für die Faser­pro­duk­tion züchtet, muss sich auf ein paar Dinge einstellen. Grund­sätz­lich kann die Faser­qua­lität in der Lebens­zeit der Tiere abnehmen. Deshalb haben sich die Frei­tags auf Alpakas mit beson­ders lang anhal­tender Faser­qua­lität spezia­li­siert. Ab einem Alter von unge­fähr acht Jahren ist absehbar, wie sehr die Qualität abnimmt. Daher werden die Hengste der Aabach-Farm frühes­tens mit sechs Jahren zur Zucht einge­setzt. Bei einer Lebens­er­war­tung von über 20 Jahren garan­tiert das eine nach­hal­tige Zucht, die auch im hohen Alter noch wirt­schaft­lich ist.

Für Züchter, die neu einsteigen, heißt das: sie sollten von vorne­herein genug Tiere mit guten Werten anschaffen und sich auch die Faser­werte der Eltern­tiere genau anschauen. Der Alpaka-Bestand erneuert sich auf natür­liche Art nur langsam, da die Trage­zeit der Stuten bei 11 ½ Monaten liegt und es oft zu Geburts­pro­blemen kommen kann – das bedeutet, dass eine Stute im Durch­schnitt maximal 10 Fohlen in ihrer Lebens­spanne bekommt. Die Ernäh­rung der Tiere ist ein entschei­dender Faktor bei der Zucht, denn die wirkt sich nicht nur auf die Repro­duk­ti­ons­rate, sondern auch auf die Faser­qua­lität der Nach­kommen aus: Mine­ra­lien, Spuren­ele­mente und Vitamine sorgen für Reiß­fes­tig­keit, Glanz, Curvature und Dichte.

Schur und Faser­ver­ar­bei­tung

Alpakas sind das ganze Jahr über draußen, ein Einstallen im Winter ist nicht nötig und nicht erlaubt – unter dem Fell ist den Tieren warm genug. Dafür ist im Früh­jahr, bevor es zu heiß wird, die Zeit zur jähr­li­chen Schur. Die ist notwendig, damit die Tiere nicht über­hitzen. Dabei ist es wichtig, nahe an der Haut zu scheren, um die Fasern möglichst in der gesamten Länge zu erhalten – zu kurze oder abge­ris­sene Fasern machen das Verar­beiten schwie­riger. Trotzdem bleibt bei Alpakas unge­fähr 0,3 bis 0,5cm Faser stehen, um Sonnen­brände zu verhin­dern. Da die Fasern extrem dünn und leicht sind, ergibt das Werben mit Gewichts­ein­heiten bei Alpakas wenig Sinn, aber: „Zwischen einem bis vier Kilo­gramm pro Jahr der besten Qualität sind möglich“, erklärt Elisa­beth Freitag, die die Tiere auch selbst schert. Direkt nach der Schur werden die Fasern nach Länge und Qualität – da kommt es auf erfah­rene Augen an – in unter­schied­liche Säcke sortiert.

Die Schur der Alpakas ist echte Hand­ar­beit. Elisa­beth Freitag macht das gerne selbst.

Die Verar­bei­tung von Alpa­ka­fa­sern ist echtes Hand­werk, dass es nur noch selten gibt. „Das Wissen über die Woll­ver­ar­bei­tung stirbt aus, immer mehr Betriebe schließen, weil es sich kaum noch lohnt. Das Waschen, Garne spinnen und Weben von Hand ist sehr aufwändig. Mit der großen und güns­tigen Alpaka-Indus­trie in Peru können deshalb wir nicht mithalten,“ sagt Elisa­beth Freitag. Um trotzdem in Deutsch­land güns­tiger zu produ­zieren, machen sich viele die Verar­bei­tung leicht: die Fasern landen zum ersten Reinigen in einem Reiß­wolf und anschlie­ßend werden sie chemisch von Milben, Heuresten, Bakte­rien oder ähnli­chem gerei­nigt. Dann kommen weitere Chemi­ka­lien, wie Motten­schutz­mittel dazu. „Teil­weise sind das neuro­to­xi­sche Stoffe, die da einge­setzt werden – und das für die Verwen­dung in Bett­de­cken“, erklärt Elisa­beth Freitag. „Dieser Verar­bei­tungs­pro­zess zerstört die Fasern mit ihren tollen Eigen­schaften und führt dazu, dass die Kunden sich oft nach wenigen Jahren neue güns­tige Produkte kaufen. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, bewusst hoch­wertig zu verar­beiten und damit in den Luxus­markt gehen. Unsere Alpaka-Produkte gibt es nur mit einer Bera­tung im Fach­handel.“

So stellt Familie Freitag Alpaka-Decken her

Alpaka-Fasern

Alpaka-Fasern sind ultra­fein, hypo­all­ergen und ther­mo­re­gu­lie­rend. Das macht sie perfekt geeignet für Bett­de­cken. Nach dem Waschen werden die losen Fasern kardiert – also zu einem Vlies weiter­ver­ar­beitet.

Die Füllung

Dann kommt das Alpaka-Vlies in das Ober­ma­te­rial. Die Bett­de­cken gibt es in neun unter­schied­li­chen Wärme­klassen, je nachdem, wie warm man es gerne hat. Schwitzen wird man auf jeden Fall nicht: Alpa­ka­fa­sern glei­chen den Wärme- und Feuch­tig­keits­haus­halt aus.

Vernähen in Hand­ar­beit

Die Bett­waren werden in deut­scher Hand­ar­beit einzeln vernäht. Sie werden ergo­no­misch gesteppt, und nicht verklebt: das macht sie leise und raschel­frei. 

Das fertige Produkt

So sieht die Bett­decke und Unter­bett bzw. Topper der Alpaca Royal Fiber aus. Sie sind lang­lebig und zu 100 % aus Natur­fa­sern, lassen sich also komplett recy­celn und rück­standlos biolo­gisch abbauen.

Das Tier­wohl immer im Blick

Ob Alpaka-Wande­rungen, Alpaka-Schnup­per­stunde oder Yoga mit Alpakas – das Tier­wohl sollte bei solchen Veran­stal­tungen immer an erster Stelle stehen, findet Elisa­beth Freitag: „Es gibt eben auch Alpakas, die sehr distan­ziert sind, keinen Menschen­kon­takt mögen oder das Wandern an einer Leine nicht vertragen. Das sollten die Betriebe wissen und respek­tieren. Das ist eine Krux mit den Kamel­tieren: dass sie sowohl für Veran­stal­tungen als auch für Faser­ver­ar­beitet wirt­schaft­lich geeignet sind, ist selten,“ ergänzt sie. Umso wich­tiger ist es, sich divers aufzu­stellen und nicht nur auf ein Alpaka-Stand­bein zu setzen. Auch Offen­heit und Trans­pa­renz gegen­über Kunden und Verbrau­chern ist wichtig: „Die Kommu­ni­ka­tion spielt eine große Rolle für uns. Deswegen sind wir schon seit Jahren Mitglied in Tier­schutz­ver­einen und infor­mieren zum Beispiel auch inter­es­sierte Land­wirte über Vorteile und Heraus­for­de­rungen.“

Zwei Wünsche hat Elisa­beth Freitag für die Alpaka­zucht und ihren Betrieb: „Endlich gesetz­liche Rahmen­be­din­gungen für mehr Tier­wohl, die nach wie vor fehlen, weil das Alpaka nicht als land­wirt­schaft­li­ches Nutz­tier aner­kannt ist. Und raus aus der Pacht auf einen eigenen Hof mit noch mehr Platz, Hofcafé und eigenem Hofladen für die Produkte, um uns noch breiter aufzu­stellen!“