Honigduft liegt in der Luft. Kein Wunder, wir stehen mitten in einem weißblühenden Buchweizenfeld, dessen Blüten diesen intensiven Geruch verströmen. Angelockt durch den Duft und die Tatsache, dass die Pflanze viel Nektar absondert, besuchen Bienen sie während der langen Blühphase von Juli bis September gerne. Dies hat die Natur schlau eingerichtet, denn der Gewöhnliche bzw. Echte Buchweizen (Fagoyprum esculentum) ist auf die Fremdbefruchtung durch Insekten angewiesen.
Das scheinbar bis zum Horizont reichende Feld gehört Vladimir Ivanovič Šaškov. Ganz so groß ist die Fläche natürlich nicht. Sein größtes Feld misst zwar stolze 280 ha, aber die durchschnittliche Größe beträgt „lediglich“ 140 ha.
Insgesamt bewirtschaftet der Russe eine Fläche von rund 3.400 ha und zählt damit trotzdem noch zu den kleineren landwirtschaftlichen Betrieben, sieht man einmal von den Selbstversorgern ab. Wer zu den „Großen“ gehören will, muss sich schon im fünf- bis sechsstelligen Hektarbereich bewegen. So beeindruckend dies für Europäer auch ist, man darf nicht vergessen, dass der Riese Russland mit 17 Mio. km2 ungefähr so groß wie Europa und die USA zusammen ist.
Fruchtfolge mit Brache
Jedes Jahr kultiviert Landwirt Šaškov ungefähr 500 ha Buchweizen. Damit gehört er bereits zu den größeren Produzenten dieser anspruchslosen Körnerfrucht. Hier in der Gegend um Borilovo, einer Kleinstadt in der Nähe von Orel, etwa 350 km südlich von Moskau entfernt, dominiert der Weizen.
Man versucht Sorten zu züchten, die kältetoleranter sind.
Vladimir Ivanovič Šaškov
Warum baut er die wärmeliebende Kultur an? „Sie passt gut in meine Fruchtfolge, die sich aus Weizen, Buchweizen, Roggen, Raps und Brache zusammensetzt“, sagt Šaškov. Schließlich ist Buchweizen kein Getreide, sondern gehört wie der Rhabarber zu der Familie der Knöterichgewächse. Ihren Namen hat die Pflanze bzw. ihre braune dreikantige Frucht ihrer Ähnlichkeit mit Bucheckern zu verdanken. Vorteilhaft für den Ackerbauern ist auch der späte Saattermin von Mitte bis Ende Mai, weil dieser gut in den Arbeitsablauf passt. Denn Buchweizen ist sehr kälteempfindlich und verträgt keinen Frost. Erst bei 8 °C fängt die Körnerfrucht an zu keimen und zu wachsen, dann allerdings schnell. „Mittlerweile versucht man Sorten zu züchten, die kältetoleranter werden“, so der Praktiker.
Obwohl sich direkt unter unseren Füßen „die Königin der Böden“, also Schwarzerde, befindet, dreht sich unser weiteres Gespräch nicht um Rekordernten, sondern eher um das Gegenteil. Aus welchem Grund ist die Brache in seiner Fruchtfolge? Ist es nicht fast Sünde, so einen Boden brach zu legen? „Ich besitze nicht nur Schwarzerden, sondern auch sandige und lehmige Flächen. Entscheidend ist aber, dass ich ohne vielfältige Fruchtfolge inklusive Brache dauerhaft keinen Ackerbau betreiben kann. Der Boden muss hier extreme Temperaturschwankungen von +30 °C im Sommer und –30 °C im Winter überstehen“, lautet Šaškovs Antwort. In Russland seien Schwarzbrachen, in der Regel mit dreijährigen Getreidefruchtfolgen, durchaus üblich.
Vom Acker in die Küche
Buchweizen ist nicht nur auf dem Acker, sondern auch in der russischen Küche beliebt. Durchschnittlich 5 kg pro Kopf und Jahr verzehrt ein Russe laut einem Bericht der „Moscow Times“ hiervon. In Russland Grečka genannt, gehört er als typisches Grundnahrungsmittel schon morgens als Grütze oder Brei auf den Frühstückstisch, während er sich im Laufe des Tages als Beilage für Fleisch und Fisch, als eigenständiges Gericht mit Pilzen oder als Pfannkuchen auf dem Teller wiederfindet.
Gemein ist allen Rezepten, dass die Samen nur in geschälter Form verwendet werden. Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist Buchweizen ebenfalls interessant, denn er enthält viel Stärke und hochwertiges Eiweiß, Vitamin B sowie eine Reihe von Spurenelementen. Aufgrund ihrer Glutenfreiheit ist die Pflanze zudem ein geeignetes Nahrungsmittel für Menschen mit einer Unverträglichkeit.
Im Einsatz als Gesundungsfrucht
Nikolaj Jevgenjevič Matjušenko ist ein weiterer Landwirt, der regelmäßig Buchweizen anbaut. Er lebt zusammen mit seiner Frau im Korenjevskij Distrikt, welcher zur Verwaltungsregion Kursk gehört. Seine Kinder sind erwachsen und arbeiten außerhalb der Landwirtschaft. Trotzdem hofft der Landwirt, dass sie eines Tages bei ihm in den 2.000 ha großen Ackerbaubetrieb mit einsteigen. Wie einige andere Landwirte auch, wohnt Matjušenko nicht auf dem Betrieb, sondern wenige Kilometer davon entfernt. Anders als man es in Europa kennt, steckt hinter einem privat geführten Ackerbaubetrieb nicht automatisch eine komplette Hofstelle mit Wohnhaus, Stallungen und Maschinenhalle.
In Russland handelt es sich eher um eine Art Stellplatz mit in die Jahre gekommenen Wirtschaftsgebäuden, die in der Regel als Unterstellmöglichkeit und Werkstatt für Maschinen genutzt werden. Daneben findet man immer eine Unterkunft für die Angestellten und häufig auch Silos, um das Getreide nach der Ernte lagern zu können.
Apropos Personal: Ist es schwer, in einer so ländlichen Gegend Mitarbeiter zu finden? „Ich habe 18 Angestellte und im Moment läuft alles gut. Aber es gab Zeiten, da kamen und gingen die Leute – entweder von selbst oder weil sie mussten“, erinnert sich der studierte Agronom, der nach dem Ende der Sowjetunion die Chance ergriffen hatte, sich selbständig zu machen. Da er schon vorher in einer Leitungsposition in einer Kolchose gearbeitet hatte, fiel ihm das Managen eines Betriebes nicht ganz so schwer.
Dennoch dauerte es einige Jahre, bis er stolz darauf war, ein selbständiger Landwirt zu sein, wie er offen zugibt. Dies hat seinen Grund: Landwirtschaft hat vor allem bei jungen Leuten nicht das beste Image. Sie zieht es nach der Schule in die Städte, um Arbeit zu finden.
Doch zurück zum Buchweizen: Was sind seine Beweggründe, ihn anzubauen? „Er ist eine echte Gesundungsfrucht“, sagt Matjušenko. Durch ihr schnelles Wachstum unterdrückt die Kultur das Unkraut und bekämpft zusätzlich Rübennematoden. Beides passt für Matjušenkos Fruchtfolge optimal, in der neben Zuckerrücken, Weizen, Gerste, Soja, Mais auch Sonnenblumen und Lupinen zu finden sind..
Schwieriger Erntetermin
Und wieder riecht die Luft nach Honig. Dieses Mal stehen wir mit Viktor Nikolajevič Petrov auf einem seiner Buchweizenfelder. Wie der Landwirt erklärt, kommt man an der einjährigen Pflanze nicht vorbei, wenn man sich intensiv mit Fruchtfolge beschäftigt. Denn die Frucht stellt weder besondere Ansprüche an den Boden noch an die Düngung und ist sogar mit sich selbst verträglich.
Etwas komplizierter wird es dagegen bei der Ernte, die je nach Saattermin bereits ab Ende August erfolgen kann. Da die Pflanze ohne Unterbrechung bis zum Schluss neue Blüten und Blätter bildet, ist es nicht ganz einfach den Erntetermin zu bestimmen. In der Regel wird geerntet, wenn etwa 80 % der Samen reif sind.
Mit Buchweizen ist es ähnlich wie mit den Frauen. Ein Leben reicht nicht aus, um die Pflanze zu verstehen.
Viktor Nikolajevič Petrov
In der Praxis nutzen Landwirte die übliche Mähdreschertechnik für Getreide. Alternativ mähen sie den Buchweizen erst, legen ihn aufs Schwad, um ihn später mit einem Pickup-Vorsatz aufzunehmen und zu dreschen. Jedes Jahr ist anders, jede Ernte bringt wieder neue Erfahrungen, wie Petrov philosophiert: „Mit Buchweizen ist es ähnlich wie mit den Frauen. Ein Leben reicht nicht aus, um die Pflanze zu verstehen.“