Parti­elle Krumen­ver­tie­fung – Gewinn für Boden­frucht­bar­keit, Ertrag und Klima­schutz

Bereits in den späten 1950er Jahren wurde das Prinzip der parti­ellen Krumen­ver­tie­fung (pKV) in der DDR entwi­ckelt. Das Ziel damals: eine Stei­ge­rung der Boden­frucht­bar­keit und der Erträge. Heute nutzen der Boden­wis­sen­schaftler Prof. Dr. Michael Sommer vom ZALF und Andre Hahn vom Land­ma­schi­nen­her­steller Lemken das histo­ri­sche Wissen im Projekt „Carbon­Til­lage“ auch, um damit das Klima zu schützen.

Die parti­elle Krumen­ver­tie­fung (pKV) ist ein Verfahren zur Erhö­hung der Boden­frucht­bar­keit und zum Aufbruch von Boden­ver­dich­tung. Als Teil des Carbon Farming ist das Ziel der pKV, durch den nach­hal­tigen Aufbau von Humus, Kohlen­stoff in land­wirt­schaft­lich genutzten Böden anzu­rei­chern und so einen Teil des vom Menschen in die Atmo­sphäre gebrachten CO2 in den Böden zu spei­chern. Ein erhöhter Humus­vorrat ist gut für die Boden­frucht­bar­keit und führt auch zu einer Stei­ge­rung der Erträge.

Im Rahmen von zwei Forschungs­pro­jekten, finan­ziert vom Bundes­mi­nis­te­rium für Ernäh­rung und Land­wirt­schaft (BMEL), wurde für die pKV gemeinsam mit dem Land­ma­schi­nen­her­steller Lemken ein spezi­eller Carbon Farming-Pflug entwi­ckelt. An diesem wech­seln sich normale Pflug­körper mit tiefer arbei­tenden, soge­nannten „CF-Körpern“ ab.

Vor der pKV

Boden­schichten im
Ausgangs­zu­stand

Ziel der parti­ellen Krumen­ver­tie­fung ist ein Aufbruch der Verdich­tungs­zone im Boden und damit eine Erhö­hung der Boden­frucht­bar­keit. Bei der pKV wird Unter­boden in den Ober­boden einge­mischt. Die Acker­krume wird dabei nicht flächen­de­ckend vertieft, sondern partiell, in Schächten mit einem Abstand von ca. 75 cm. In der Praxis bewährte sich die pKV bereits auf sandigen und sandig-lehmigen Böden der Morä­nen­ge­biete. Der Grund: eine gerin­gere Verdich­tungs­emp­find­lich­keit des Krumen­bo­dens aufgrund des hohen Humus­ge­halts.

Nach der pKV

Aufbruch der Verdich­tungs­zone

Durch das nach­hal­tige Aufbre­chen der Verdich­tungs­zone können Pflan­zen­wur­zeln die Ressourcen, vor allem Wasser im Unter­boden, besser errei­chen. Nach 10 Jahren kann die pKV wieder­holt werden, zunächst versetzt zwischen den Schächten, weitere 10 Jahre später dann quer zur Arbeits­rich­tung der voran­ge­gan­genen pKV-Maßnahmen.

Effekt der pKV

April 2023

Analysen mithilfe von Satel­li­ten­tech­no­lo­gien erlauben Land­wirten eine Über­wa­chung von Pflan­zen­ge­sund­heit & -wachstum und eignen sich beson­ders für die Präzi­si­ons­land­wirt­schaft. Im Rahmen des Projektes „Carbon­Til­lage“ wurden Satel­li­ten­bilder eines Mais­feldes nach der Durch­füh­rung einer parti­ellen Krumen­ver­tie­fung aufge­nommen, um die Ertrags­wir­kung zu unter­su­chen. Der dunkle Streifen stellt den Teil des Feldes dar, auf dem die pKV durch­ge­führt wurde.

Effekt der pKV

Oktober 2023

Inner­halb von sechs Monaten konnte eine erheb­liche Ertrags­stei­ge­rung nach­ge­wiesen werden. Außerdem ließen sich verschie­dene Produk­ti­vi­täts­zonen inner­halb der Felder veran­schau­li­chen. Das hilft Land­wirten, Bereiche mit hohem (grün), mitt­lerem (gelb) und nied­rigem (rot) Ertrags­po­ten­zial zu iden­ti­fi­zieren. Auf dem pKV-Streifen des Feldes (grün) wuchs der Mais beson­ders gut.

Beim Pflügen werden dann im Abstand von 75 cm unge­fähr 10 cm breite Schächte ange­legt, die bis zu 55 cm tief reichen. Der Schacht­aushub, also der Unter­boden, wird beim Pflügen in die Acker­krume verla­gert und die Schächte wiederum mit dem Krumen­ma­te­rial verfüllt. Dadurch erfolgt ein Austausch von knapp 20 % des Ober­bo­dens, der soge­nannten Krume, mit dem Unter­boden und gleich­zeitig ein Durch­bre­chen der Verdich­tungs­zonen unter­halb des Bear­bei­tungs­ho­ri­zontes.

Die neu ange­legten Schächte ermög­li­chen den Pflan­zen­wur­zeln, tiefere Boden­ho­ri­zonte zu erschließen und das dort vorhan­dene Wasser und die Nähr­stoffe zu nutzen.

Prof. Dr. Michael Sommer, Boden­wis­sen­schaftler am Leibniz-Zentrum für Agrar­land­schafts­for­schung (ZALF) e. V. star­tete 2022 mit Land­ma­schi­nen­her­steller Lemken, das Projekt „Carbon­Til­lage“.

Professor Dr. Sommer, Boden­wis­sen­schaftler am Leibniz-Zentrum für Agrar­land­schafts­for­schung (ZALF) e.V., forscht mit seinen Kolle­ginnen und Kollegen für das Projekt „Carbon­Til­lage“ seit 2022. „Wir konnten nach der pKV einen stabilen Mehr­ertrag von 300 – 500 Kilo­gramm Getrei­de­ein­heiten pro Hektar nach­weisen“, sagt er. Der Effekt, dass die Erträge bereits im ersten Jahr um bis zu 5 % steigen, wurde schon in den 1960er bis 1980er-Jahren fest­ge­stellt und durch aktu­elle Feld­ver­suche des ZALF bestä­tigt.

So trägt die parti­elle Krumen­ver­tie­fung zum Klima­schutz bei

Humus besteht zu ca. 50% aus Kohlen­stoff. Daher stellen humus­hal­tige Böden einen wich­tigen, natür­li­chen Kohlen­stoff­spei­cher dar. Der in Böden gespei­cherte Kohlen­stoff stammt letzt­lich aus der Photo­syn­these der Pflanzen. Dabei wird CO2 aus der Atmo­sphäre gebunden und pflanz­liche Biomasse aufge­baut. Über Wurzeln, Ernte­reste, abge­stor­bene Pflan­zen­teile sowie Wurzel­aus­schei­dungen und mikro­bielle Abbau­pro­dukte gelangt der Kohlen­stoff schließ­lich in den Boden.

Die pKV erhöht die Kohlen­stoff­menge in den meisten land­wirt­schaft­lich genutzten Böden. Durch die Einmi­schung des kohlen­stoff­armen Unter­bo­dens in den Ober­boden entsteht ein Ungleich­ge­wicht im Kohlen­stoff­haus­halt der Böden, das bedeutet die Krume ist in Bezug auf den Kohlen­stoff unter­sät­tigt.

Der in die Krume einge­mischte Unter­boden entwi­ckelt sich in den 10 Jahren nach einer pKV zu neuem Krumen­boden.

 Marisa R. Gerriets, Dokto­randin am Leibniz-Zentrum für Agrar­land­schafts­for­schung (ZALF) e.V arbeitet seit 2019 in den Projekten zur pKV.

In den folgenden etwa 10 Jahren werden daher Kohlen­stoff­ver­bin­dungen ange­rei­chert – bis zum Errei­chen des Gleich­ge­wichtes. Verant­wort­lich hierfür sind die in Böden vorhan­denen Eisen­oxide, Tonmi­ne­rale und Calcium-Ionen. „Der in die Krume einge­mischte Unter­boden entwi­ckelt sich also in den 10 Jahren nach einer pKV zu neuem Krumen­boden. Dies entspricht einer Kohlen­stoff-Seques­trie­rung, das heißt die pKV führt zu einer CO2-Senke“, erklärt Marisa Gerriets, Dokto­randin im Projekt.

Ein Projekt mit Wurzeln in der DDR

Das Verfahren der heutigen parti­ellen Krumen­ver­tie­fung wurde bereits Ende der 1950er Jahre in der DDR entwi­ckelt – als soge­nanntes „Segment­pflügen“. Damals hatte dies zum Ziel, die Ertrags­si­cher­heit und das Ertrags­ni­veau zu stei­gern. Mit spezi­ellen Beet­pflügen und Krumen­ba­sis­lo­cke­rern führte man die pKV insbe­son­dere seit Mitte der 1980er Jahre bis zur deut­schen Wieder­ver­ei­ni­gung auf Acker­böden vorrangig in Morä­nen­land­schaften, verein­zelt auch in Löss­ge­bieten in größerem Umfang durch.

Die Entwick­lung des Pflugs von den 1960er Jahren bis heute

Bereits in den 1960er Jahren wurde der erste Segment­pflug entwi­ckelt.
In den 70er Jahren erwei­terte sich das Spek­trum der pKV-Geräte, z.B. um Tief­lo­ckerer mit Leit­ble­chen.
In den 80er Jahren entwi­ckelte Dr. Andreas Baur, ein Inge­nieur am Forschungs­zen­trum für Boden­frucht­bar­keit in Münche­berg, den Krumen­ba­sis­pflug …
… der heute die Basis für den Carbon Farming-Pflug von Lemken bildet.

Im Rahmen des Projekts „Krumen­senke“ von der Fach­agentur Nach­wach­sende Rohstoffe (FNR) öffneten die Forschenden des ZALF die damals entstan­denen Schächte und unter­suchten diese. Selbst nach 40 Jahren sind die ehemals ange­legten Schächte noch klar erkennbar. Mithilfe von archi­vierten Boden­proben aus den 1980ern bestimmten sie den Kohlen­stoff­ge­halt im Ober­boden zu jener Zeit und analy­sieren den seitdem erfolgten Kohlen­stoff­abbau.

Das Ergebnis zeigt, dass der aktu­elle Ober­boden einen höheren Kohlen­stoff­ge­halt aufweist als zur Zeit der 1980er Jahre und in den Schächten mehr als 50 % des ursprüng­li­chen Kohlen­stoff­ni­veaus vorhanden ist. Damit gelang Sommer und seinem Team der Nach­weis, dass die Zunahme der Humus­menge und damit die CO2-Senken­wir­kung nach einer pKV nach­haltig ist. Sandige Böden können inner­halb von 10 Jahren nach einer pKV-Maßnahme ca. 10 Tonnen CO2eq / ha zusätz­lich und dauer­haft spei­chern, lehmige Böden sogar 30 Tonnen CO2eq / ha.

Somit kann die parti­elle Krumen­ver­tie­fung einen wesent­li­chen Beitrag zum Klima­schutz leisten, selbst wenn nur etwa 50% der acker­bau­lich genutzten Böden in Deutsch­land pKV-fähig wären.

Vom Segment­pflug zum Carbon Farming-Pflug

Der Carbon Farming-Pflug hat zwei verschie­dene Pflug­körper: Der Carbon Farming-Körper (CF-Körper) hebt einen tiefen Schacht aus, indem er 55 cm tief und 25 cm breit pflügt. Ein Stan­dard­körper füllt diesen Schacht anschlie­ßend mit Ober­bo­den­ma­te­rial und bear­beitet den Boden 25 cm tief und einen halben Meter breit.

Entwi­ckelt wurde der CF-Pflug vom Land­ma­schi­nen­her­steller Lemken. Es wurde eine Maschine konstru­iert, welche die Erdbe­we­gung exakt gemäß den Forschungs­er­geb­nissen vom ZALF durch­führt.

Andre Hahn, Produkt­ma­nager für Pflüge und Packer bei Lemken, arbeitet gemeinsam mit einigen Kollegen am Projekt CF-Pflug.

Andre Hahn, Produkt­ma­nager für Pflüge beim Lemken, betont: „Bei der Entwick­lung des Pflugs bestand die größte Heraus­for­de­rung darin, ein Werk­zeug zu entwi­ckeln, das eine Vermi­schung von Unter- und Ober­boden in einem exakten Verhältnis ermög­licht, ohne dass dabei der Unter­boden an die Boden­ober­fläche gerät und sich bei der anschlie­ßenden Aussaat negativ auf das Pflan­zen­wachstum auswirkt. Die Details liegen dabei in der Geome­trie der Körper­formen. Wir haben viele Stunden im Feld­ver­such inves­tiert und diverse Werk­zeug­kom­bi­na­tionen getestet, um den Pflug so hinzu­be­kommen.“ Derzeit verwendet der Pflug beispiels­weise ein Breit­fur­chen­messer, um den Ober­boden in den vom CF-Körper geschaf­fenen Schacht einzu­füllen.

Die Zugkraft des Carbon Farming-Pflugs vari­iert je nach Boden­be­schaf­fen­heit. Bei Böden, die längere Zeit nicht bear­beitet wurden, insbe­son­dere in tieferen Boden­schichten, kann sich die benö­tigte Zugkraft auch verdop­peln. Derzeit befindet sich der Carbon Farming-Pflug von Lemken in der Vorse­ri­en­phase. Die Seri­en­reife ist für 2026 geplant.

Das Projekt „Carbon­Til­lage“

Geför­dert über die „Deut­sche Inno­va­ti­ons­part­ner­schaft (DIP) Agrar“ der Bundes­an­stalt für Land­wirt­schaft und Ernäh­rung (BLE) aus Mitteln des Bundes­mi­nis­te­riums für Ernäh­rung und Land­wirt­schaft (BMEL).

Lauf­zeit

04/2022 bis 07/2025

Partner

LEMKEN GmbH, Agrathaer GmbH
Leibniz-Zentrum für Agrar­land­schafts­for­schung (ZALF) e. V.