Traktoren„Der Multi­fuel-Traktor bringt Flexi­bi­lität in unge­wissen Zeiten“

Mit dem Multi-Fuel Traktor arbeitet John Deere einen Schlepper, der mit fossilen und erneu­er­baren Kraft­stoffen betrieben werden kann. Dr. Edgar Remmele vom TFZ (Tech­no­logie und Förder­zen­trum) in Bayern hat an den Proto­typen mitge­ar­beitet und gibt einen Einblick in das Projekt.

Herr Remmele, wo liegen die größten Heraus­for­de­rungen, wenn man einen Traktor entwi­ckelt, der mit verschie­denen Kraft­stoffen läuft?

Das Ziel unseres Projekts war es, dass der Traktor mit Biodiesel, Rapsöl und Diesel­kraft­stoff arbeiten kann. Diese Kraft­stoffe unter­scheiden sich sehr deut­lich in ihren chemi­schen und physi­ka­li­schen Eigen­schaften. Deshalb ist es wichtig, dass die Kraft­stoffe – bezie­hungs­weise deren Misch­ver­hältnis – gut erkannt wird. Nur so kommt es weder zu einer Über- noch zu einer Minder­leis­tung. Zudem müssen selbst­ver­ständ­lich die Emis­si­ons­grenz­werte in jedem Betriebs­zu­stand einge­halten werden. Und dann gibt es noch die Anfor­de­rungen aus der Praxis: ein Kalt­start muss funk­tio­nieren und der Verbrauch stimmen.

Was musste am Traktor alles modi­fi­ziert werden, um diesen Anfor­de­rungen gerecht zu werden?

Dr. Edgar Remmele vom TFZ (Tech­no­logie und Förder­zen­trum) in Bayern arbei­tete an der Entwick­lung des Proto­typen mit.

Da ist zunächst einmal das Nieder­druck­kraft­stoff­system, um etwa Rapsöl verwenden zu können. Denn Raps­öl­kraft­stoff hat bei nied­ri­geren Tempe­ra­turen eine deut­lich erhöhte Visko­sität im Vergleich zu Diesel und Biodiesel. Das Haupt­au­gen­merk lag aber auf der Modi­fi­ka­tion der Motor­steue­rung: In der müssen unter­schied­liche Kenn­felder für die unter­schied­li­chen Kraft­stoffe bezie­hungs­weise deren Mischungen hinter­legt werden. Nur so lassen sich Leis­tung und Emis­si­ons­grenz­werte errei­chen.

Wie erkennt der Traktor die Kraft­stoffe zuver­lässig?

Dafür wurde ein zwei­sei­tiger Ansatz gewählt: Zum einen hat John Deere daran gear­beitet, mit bereits auf dem Traktor vorhan­denen Sensoren eine Kraft­stoff-Detek­tion zu reali­sieren. Unser Part war dann, zusätz­lich mit markt­ver­füg­baren Sensoren eine funk­tio­nie­rende Lösung zu schaffen. Alle Systeme müssen sowohl bei nied­rigen Tempe­ra­turen als auch bei sehr hohen Tempe­ra­turen sicher funk­tio­nieren. Um das zu über­prüfen, haben wir eine Reihe von Kenn­zahlen unter­sucht, wie etwa Visko­sität, Dichte und Leit­fä­hig­keit, und dafür passende Modelle entwi­ckelt.

Wie laufen die Tests so eines neuen Systems dann in der Praxis ab?

Wir unter­su­chen die Maschine zunächst im Neuzu­stand auf unserem Trak­toren-Prüf­stand. Dort nehmen wir über die Zapf­welle die Leis­tung ab. Zudem nutzen wir einen auto­ma­ti­sierten Gas-Pedal-Steller. Dank dieser Kombi­na­tion können wir über unsere Mess­warte dem Motor verschie­dene Dreh­zahl-Last-Zyklen abfor­dern. Das machen wir mit genormten Zyklen, die für Messungen am Moto­ren­prüf­stand gesetz­lich vorge­schrieben sind. Damit können wir dann Kraft­stoff­ver­brauch, Leis­tungs­kurven und auch Emis­sionen bestimmen.

Nach 600 bis 1.000 Betriebs­stunden holen wir den Schlepper vom Feld zurück auf den Prüf­stand und erheben, wie sich Kraft­stoff­ver­brauch, Leis­tung und Emis­si­ons­ver­halten verän­dert haben.

Dr. Edgar Remmele

Wenn diese Eingangs-Prüfung erfolgt ist, geht die Maschine in den prak­ti­schen Feld­ver­such bei unseren staat­li­chen Versuchs-Gütern. Da werden die Maschinen für alle mögli­chen Arbeiten, die über das Jahr anfallen, genutzt wie jede andere Maschine. Danach holen wir den Schlepper wieder zurück auf unseren Trak­toren-Prüf­stand und messen nach 600 bis 1.000 Betriebs-Stunden, wie sich Kraft­stoff­ver­brauch, Leis­tung und gege­be­nen­falls das Emis­si­ons­ver­halten verän­dert haben.

In der Abgas­stufe V denkt der Gesetz­geber aber schon weiter und will auch wissen, wie die Maschinen im Feld­ein­satz emit­tieren. Deswegen haben wir uns schon vor Jahren mit einem porta­blen Emis­sions-Mess­system (PEMS) ausge­stattet, um die Real Driving Emis­sion (RDE), also die realen Emis­sionen im prak­ti­schen Betrieb messen zu können.

Das Ziel des Projekts war es, einen Traktor zu entwi­ckeln, der mit Biodiesel, Rapsöl und Diesel­kraft­stoff arbeiten kann.

Welches Poten­zial haben Multi-Fuel Lösungen aus Ihrer Sicht für die Land­wirt­schaft?

Die Land­wirt­schaft hat die Aufgabe – etwa durch das Klima­schutz­ge­setz in Deutsch­land –, Treib­hausgas-Emis­sionen zu senken. Viele Treib­haus­gas­emis­sionen in der Land­wirt­schaft stammen aus biogenen Prozessen, die sich kaum redu­zieren lassen: Methan-Emis­sionen aus den Mooren, Methan­aus­stoß aus der Tier­hal­tung oder Lachgas-Emis­sionen aus der Stick­stoff-Düngung. Was hingegen einfach redu­ziert werden kann, sind die soge­nannten ener­gie­be­dingten Emis­sionen und zwei Drittel davon stammen aus der Kraft­stoff-Nutzung.

Und hier sehe ich eben die Chance, dass durch biogene Kraft­stoffe, schnell ein wesent­li­cher Beitrag zur Treib­hausgas-Redu­zie­rung für den Sektor Land­wirt­schaft geleistet werden kann.

Der große Charme der Multi­fuel-Lösung ist, dass sie dem Land­wirt eine Wahl­frei­heit ermög­licht. So kann er insta­bilen Rahmen­be­din­gungen und hohen Preis­schwan­kungen auf dem Kraft­stoff­markt begegnen, indem er zwischen verschie­denen Kraft­stoffen hin und her wech­selt – je nachdem, welche Kraft­stoffe gerade verfügbar oder kosten­günstig sind.

Der Traktor durch­lief Tests im Feld und auf dem Prüf­stand.

Wie sehen Sie die Diskus­sion darüber, ob durch Biokraft­stoffe eine Konkur­renz zu Flächen für die Nahrungs­mit­tel­pro­duk­tion entsteht?

Die wich­tigste Botschaft aus meiner Sicht ist: kein Teller ohne Tank. Wir brau­chen schließ­lich Kraft­stoffe, um Nahrungs­mittel zu produ­zieren. Eine Flächen­kon­kur­renz sehe ich da eigent­lich auch nicht, weil wir beispiels­weise bei der Verar­bei­tung von Ölsaaten ein Koppel­pro­dukt wie Press­ku­chen erzeugen. Dieses wert­volle Eiweiß-Futter­mittel kann beispiels­weise Soja-Importe aus Südame­rika ersetzen – wenn es heimisch produ­ziert wurde. So schlagen wir sogar zwei Fliegen mit einer Klappe.

Was man noch wissen muss: Momentan gehen fast alle pflan­zen­öl­ba­sierten Kraft­stoffe in den Verkehrs­sektor und nicht in die Land­wirt­schaft. Wir betreiben unsere Pkw anteilig mit 7 % Biodiesel im Diesel. Dort werden wir künftig sicher­lich nicht biogene Kraft­stoffe brau­chen, weil dieses Segment des Indi­vi­du­al­ver­kehrs auf dem Weg in die Elek­tri­sie­rung ist. Also allein die Mengen Biodiesel, die lang­fristig frei werden aus der Beimi­schung zu Diesel­kraft­stoff und der Nutzung im Pkw-Sektor würde schon genügen die Land­wirt­schaft zu versorgen.