Direkt unter der Blattepidermis werden bei den hyperakkumulierenden Pflanzen die wertvollen Metalle gespeichert. Nur ein paar Gramm zwar, aber auf ein ganzes Feld hochgerechnet genug für einen „Erzabbau“, wie Dr. Guillaume Echevarria von der Université de Lorraine es nennt. Der Forscher und Experte für hyperakkumulierende Pflanzen hat das Startup Econick mit ins Leben gerufen, das sich um die Phytoextraktion von Nickel kümmert.
Aktuell sind diese Pflanzen besonders wegen ihrer Fähigkeiten interessant, Schwermetalle wie Zink, Cadmium, Kupfer, Kobalt, Blei oder Thallium aus kontaminierten Böden zu absorbieren. 2020 hat Econick einen Vertrag mit dem Stahlhersteller Aperam über die nachhaltige Gewinnung von Nickel – ein unerlässliches Metall für die Edelstahlproduktion – geschlossen.
Ein symbolischer Akt? Nicht zwangsläufig. „Das ‚Agromining‘ stellt eine kleine Nische dar. Alle Metallökonomen werden jedoch bestätigen, dass der Nickelbedarf in den kommenden Jahren so stark ansteigen wird, dass man keine wirtschaftlich effiziente Quelle außer Acht lassen darf“, stellt Guillaume Echevarria fest. Diese steigende Nachfrage hat zum Großteil mit der immer populärer werdenden Elektromobilität zu tun, denn für die Produktion der dafür benötigten Batterien wird insbesondere Nickel gebraucht. Weiterer ausschlaggebender Punkt: „Die unglaublich schlechte CO2-Bilanz von Metallen.“
Eine Tonne Nickel auf 4 ha
Zwar stellt die Phytoextraktion keine direkte Konkurrenz zum industriellen Abbau dar, dennoch sind die aus einem Feld gewonnenen Mengen beachtlich. Der von Econick kultivierte Strauch Phyllanthus rufuschaneyi absorbiert 250 kg Nickel/ha und Jahr. „Es wäre möglich, den Bedarf von Aperam zu decken“, so der Forscher. Dazu müsste man mehrere tausend Hektar bepflanzen. Nickel ist zwar kein erneuerbarer Rohstoff, kommt jedoch zuhauf im Boden vor. Durch die Begrünung von Industriehalden kann ebenfalls Nickel gewonnen werden.
Die momentan verwendeten Pflanzen sind naturbelassen, allerdings wurden bereits verbessernde Züchtung unternommen, versichert Echevarria. Neben der Metallausbeute sind das Verhalten der Pflanze und insbesondere die Wachstumsgeschwindigkeit entscheidend. Damit dieses als Phytomining bezeichnete Verfahren rentabel wird, sind Dauerkulturen erforderlich, die nach jeder Ernte schnell wieder nachwachsen: „Die Biologie von Spezies wie Phyllanthus rufuschaneyi ist sehr empfindlich. Dadurch sind die Pflanzkosten sehr hoch. Es ist nicht möglich, jedes Jahr neu auszusäen.“
Zink in Pflanzenform
Im Norden Frankreichs sucht Guillaume Echevarria ebenfalls nach Wegen zur Dekontaminierung von verunreinigten Gemüseanbauflächen mit dem Ziel der Zinkgewinnung. Dabei kommen hyperakkumulierende Pflanzen wie Arabidopsis halleri zum Einsatz, die Schwermetalle binden können. Eines der Projekte fokussiert sich auf den Anbau von Gemüse an einem alten Industriestandort. Untersuchungen zeigen, dass der Cadmiumgehalt des Gemüses die Normwerte konsequent überschreitet. „Unser Ziel ist es nicht, die Produktionskette von Gemüse zu unterbrechen. Wir versuchen, hyperakkumulierende Pflanzen zwischen Gemüse den Gemüsereihen anzubauen. So werden die Kulturen vor überschüssigen Metallen geschützt. Wir befinden uns noch mitten in der Testphase.“
Ähnlich wie bei der Nickelgewinnung werden die Pflanzen hier ebenfalls verbrannt und die Reste anschließend chemisch aufbereitet: Die Asche wird mehrmals gewaschen und die Fällung gesammelt und aufbereitet. Die Zinkausbeute ist geringer, aber eine Kraft-Wärme-Kopplung könnte die Produktion hinsichtlich einer ökologischen Zielsetzung rentabel machen.
Der Prozess hat auch Bedeutung für die menschliche Ernährung. „Einige Pflanzenarten können bis zu 2 % Zink in ihrer Biomasse aufnehmen. Daher könnte das Zink aus den Pflanzen eine interessante Quelle für Nahrungsergänzungsmittel sein.“
Hyperakkumulierende Pflanzen: eine faszinierende Welt
Mehrheitlich sind es Kreuzblütler, die eine höhere Toleranz gegenüber Toxizität sowie spezielle Transportsysteme und ausgeklügelte Speicherlösungen für hyperakkumulierte Metalle aufweisen, die ihre Physiologie nicht beeinträchtigen. In der Natur bieten diese Eigenschaften den Pflanzen zahlreiche Vorteile: Schutz vor Pflanzenfressern (weniger schmackhaft) und geringen osmotischen Drücken (Wassereffizienz) sowie allelopathische Schutzmechanismen (Bildung einer giftigen Streu, um Konkurrenzpflanzen fernzuhalten).
Ein weiterer Vorteil könnte auch eine verbesserte Photosynthese sein. Das liegt an der Filtration von UV-Strahlen durch die Metalle. Diese These muss allerdings noch wissenschaftlich bestätigt werden. Die Wellenlänge von Nickelionen könnte beispielsweise als eine Art Barriere gegen solche Wellenlängen fungieren, die den Wirkungsgrad von Chlorophyll negativ beeinträchtigen könnten. Durch eine solche verbesserte Photosynthese könnten fortan der essentielle metabolische Aufwand, den die Speicherung von Metallen in den Blättern mit sich bringt, ausgeglichen werden.