Als die Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) am 16. Juni 1921 ihre Pforten öffnete, präsentierte das Unternehmen Heinrich Lanz erstmals den Bulldog HL 12. Entsprechend der Ansicht seines Erfinders, Dr. Fritz Huber, dass eine landwirtschaftliche Zugmaschine nicht „einzylindrig“ genug sein kann, war er an Einfachheit kaum zu übertreffen. Der 12 PS starke Glühkopfmotor mit nur einem Zylinder trieb über eine Kette die Hinterräder an. Ein Getriebe gab es nicht. Um die Fahrtrichtung zu ändern, musste der Motor umgesteuert, d.h. seine Drehrichtung geändert, werden.
Dies war möglich, indem man den Motor fast zum Stillstand brachte, um dann bei der richtigen Stellung des Kolbens wieder Gas zu geben. Dieses Konzept des liegenden Zweitakt-Einzylindermotors behielt Lanz bis zum Ende der Bulldog-Ära vor rund 60 Jahren bei. Seinem Glühkopfmotor verdankte die Maschine auch den Namen Bulldog, da die Form des Zylinderkopfes einer Hundenase ähnelt. Die 1923 eingeführte kleinere Variante mit 8 PS hieß aus diesem Grund intern „Mops“.
Zum Starten des Bulldogs wurde der untere Teil des Glühkopfs mit einer Löt- oder Heizlampe erhitzt, bis dieser bei rund 700 bis 800 °C rot glühte. Erst dann wurde manuell Kraftstoff vorgepumpt und der Motor von Hand am Schwungrad angeworfen. Zwar war dieses Verfahren zeitaufwendig, dauerte aber nicht viel länger als das Anschirren von Zugtieren. Vorteilhaft war auch, dass weder Futtersäcke, Kohle, Holz und Wasser mitgeführt werden mussten.
Große Leistungsfahrt von Mannheim nach Berlin
Ein weiterer großer Vorteil des Glühkopfmotors ist, dass er mit jedem Kraftstoff läuft, der flüssig und brennbar ist. Hierzu gehören auch Pflanzen- und Altöl oder Spiritus. Angeboten wurde dieser Urbulldog entweder mit Vollgummibereifung oder profilierten Eisenrädern. Die verbreiterte und mit großen Stollen versehene Variante dieser Eisenbereifung wurde als Balkan-Bulldog bezeichnet, da die meisten von ihnen dort zum Einsatz kamen. Ferner war der HL 12 wie der „Mops“ erhältlich als stationärer Antrieb, der von Zugtieren bewegt wurde, dem sogenannten Gespann-Bulldog, oder als „ortsfester“ Motor für den Einsatz z. B. in Sägewerken oder Werkstätten.
Lanz veranstaltete 1925 eine Leistungsfahrt von Mannheim nach Berlin, um die Zuverlässigkeit des Bulldogs öffentlich unter Beweis zu stellen. Nach 17 Tagen und über 1.000 km erreichte der Zug aus drei HL 12 und einem 38 PS starken „Felddank“ das Brandenburger Tor.
Der HL 12 erwies sich bestens geeignet für Transportarbeiten, sogar außerhalb der Landwirtschaft, und den Antrieb von Dreschmaschinen. Dagegen war er auf dem Acker nur bedingt einsetzbar. Daher stellte Lanz 1923 den Acker-Bulldog HP mit Allradantrieb vor, dessen Motor dem des HL 12 entsprach. Dieser war der erste Schlepper mit Knicklenkung, wie man sie heute bei unseren Großtraktoren der Serie 9R findet. Fritz Huber ließ sich dieses Antriebskonzept 1924 sogar in den USA patentieren, obwohl Lanz nie Bulldogs in die Staaten exportierte, nur nach Kanada. Mit rund 5.000 Goldmark war der HP Bulldog relativ teuer, zumal der Preis in US-$ zu bezahlen war.
Lanz wand sich daher ab 1926 verstärkt den Großbetrieben zu, da diese weniger mechanisierungsskeptisch waren. Mit dem HR 2 stellte die Firma 1927 den ersten der berühmten 10-Liter-Bulldogs vor. Dieser lieferte eine Maximalleistung von 28 PS und verfügte über ein Getriebe mit vier Gängen, die durch Umsteuern des Motors vorwärts und rückwärts genutzt wurden. Die Vorderachse der vollgummibereiften Verkehrsversion war damals schon gefedert. Um rationeller zu produzieren und der Nachfrage gerecht zu werden, wurde dieser Schlepper als erstes Fahrzeug in Deutschland auf einem Fließband montiert.
Kühler-Bulldogs für heiße Regionen
Die Bulldogs hatten bis 1928 keinen geschlossenen Kühlkreislauf, daher verdampfte das Kühlwasser einfach. Aus diesem Grund lag der Kühlwasserbedarf bei schweren Arbeiten bei mehreren Litern. Dies erschwerte den Einsatz der Bulldogs in heißen, trockenen Regionen, in die Lanz viele Bulldogs exportierte. Erst mit dem HR 4 bot Lanz einen Bulldog mit Kühler an, der zunächst in die wärmeren Märkte exportiert wurde. Jedoch etablierten sich diese „KühlerBulldogs“ auch bald in gemäßigteren Breiten. Eine weitere Neuerung war, dass das Getriebe nun drei Vorwärtsgänge und einen Rückwärtsgang bot, und somit das komplizierte und lästige Umsteuern des Motors entfiel.
Während die 10LiterBulldogs vor allem auf großen Betrieben und im Transport zum Einsatz kamen, bot Lanz ab 1931 mit der Baureihe HN wieder eine Zugmaschine für mittlere Betriebe an. Sie hatte einen Motor mit 4,7 l Hubraum, der anfangs 20 PS an der Riemenscheibe lieferte. Im Laufe der Entwicklung wurde die Leistung auf 35 PS gesteigert.
Ebenfalls zu Beginn der Dreißigerjahre wurden zunächst die Verkehrs- und bald auch die Acker-Bulldogs mit Luftbereifung angeboten. Dies brachte nicht nur einen beträchtlichen Gewinn an Traktion und Komfort, sondern erlaubte deutlich höhere Geschwindigkeiten. Im Jahr 1934 bot Lanz erstmals einen Eil-Bulldog an. Diese waren bis in die Fünfzigerjahre das typische Transportmittel von Schaustellern, Sägewerkern und Kohlen oder Baustoffhändlern. Eine weitere Neuentwicklung der frühen Dreißigerjahre waren die RaupenBulldogs für besonders schwere Bodenverhältnisse.
Ein „Bauern-Bulldog“ mit 15 PS
Für bäuerliche Kleinbetriebe bot Lanz ab 1939 den „BauernBulldog“ – so die offizielle Bezeichnung – vom Typ D 4506 mit 15 PS an. Er war der erste Bulldog, den Lanz mit einem, damals noch mechanischen, Kraftheber anbot. Die erhoffte Großserienproduktion blieb aus, da infolge des Krieges die Bulldog-Produktion zum Erliegen kam. Heute sollen nur noch zwölf Exemplare existieren, von denen eins im John Deere Museum in Mannheim steht. Die erste Neuentwicklung nach dem Krieg, der 1950 vorgestellte D 5506, basierte technisch auf dem D 4506. Ab 1952 löste der neue Halbdieselmotor den Glühkopf ab. Zunächst bei den kleinen Modellen mit 17, 22 und 28 PS und später auch bei den großen Bulldogs.
Die Bezeichnung „Halbdiesel“ kommt daher, dass diese Motoren mit zündfreudigerem Benzin elektrisch gestartet wurden. Hatte sich der Motor warmgelaufen, wurde er mit Diesel weiterbetrieben. Ein zeitraubendes Vorheizen und Anwerfen war somit nicht mehr erforderlich. Lanz bot auch Umrüstsätze an, um ältere GlühkopfBulldogs mit den komfortableren und sparsameren neuen Motoren auszustatten.
Neben den klassischen Bulldogs bot Lanz ab 1951 auch den Geräteträger „Alldog“ und ab 1955 den Kompaktschlepper „Bulli“ an. Beide waren in erster Linie für kleinbäuerliche Betriebe gedacht, die oft noch mit Zugtieren arbeiteten. So wurde in der Werbung gern betont, dass ein solcher Traktor im Betrieb wirtschaftlicher sei als zwei Pferde. Die Geräteträger zeichneten sich dadurch aus, dass die Arbeitsgeräte vorn auf dem Tragrahmen montiert wurden. Somit hatte der Fahrer die Anbaugeräte stets im Blick und das ständige Umdrehen zur Kontrolle der Geräte erübrigte sich.
Bei einigen Modellen wurde das „Dogma“ des Einzylinders aufgegeben, und Zweizylindermotoren aus dem Hause MWM (Motoren-Werke Mannheim) verbaut. Als letzte Bulldog-Generation kamen ab 1955 die Volldieselmodelle mit 16 bis 40 PS auf den Markt, für die nun auch ein hydraulischer Dreipunktkraftheber angeboten wurde. Gestartet wurden diese Maschinen nach kurzem Vorglühen mit Diesel, somit war ein Umschalten des Kraftstoffs nicht mehr nötig.
Schlepper mit Zukunft
In Mannheim lief 1956 der 200.000 Bulldog, ein D 2416, vom Band. Im gleichen Jahr erwarb John Deere die Aktienmehrheit der Heinrich Lanz AG. Zwei Jahre später wurden die Bulldogs in den Farben grün und gelb ausgeliefert. 1960 stellte die John Deere-Lanz AG, wie die Firma nun hieß, ihre ersten Neuentwicklungen vor – die Modelle 300 mit 28 PS und 500 mit 36 PS.
Die neuen „Schlepper mit Zukunft“, lautete der damalige Werbeslogan, verfügten über moderne Vier-Zylinderreihenmotoren, ein Zehnganggetriebe und eine moderne Regelhydraulik. Um das Leistungssegment über 40 PS abzudecken, wurden die Halbdieselmodelle D 5016 und D 6016 noch bis 1962 weiter produziert, und dann durch das Modell 700 mit 50 PS und das Modell 3010 ersetzt. Im spanischen Getafe lief die Bulldog-Produktion noch bis 1963 weiter.
Selbst wenn der Lanz Bulldog heute antiquiert wirken mag, zu seiner Zeit war er eine echte Innovation. Vor allem in der Zwischenkriegszeit und direkt nach dem Zweiten Weltkrieg leistete er einen entscheidenden Beitrag zur Mechanisierung der Landwirtschaft. Das zeigt sich nicht nur an den Exporten in Länder rund um den Globus, sondern auch an etlichen Lizenzbauten und Kopien, wie Ursus in Polen, Pampa in Argentinien oder Kelly & Lewis in Australien. Und nicht zuletzt wegen seines Klangs wird der Bulldog immer legendär bleiben.
Lanz-Fans in den USA: „Einfach einzigartig“
Obwohl Lanz Traktoren nie in den USA verkauft wurden, gibt es dort eine kleine und enthusiastische Fangemeinde, die sich unter anderem im Rahmen von allgemeinen John-Deere-Classic-Events trifft und organisiert. Für eines dieser Events mitverantwortlich ist Chris Boyens. Er hat gemeinsam mit seinen Mitstreitern die Organisation Classic Green ins Leben gerufen, die John Deere Enthusiasten über alle Modell- und Gerätegrenzen hinweg zusammenbringt. Bei der letzten Großveranstaltung Gathering of the Green in Ohio kamen 3.000 Besucher zusammen, um ca. 800 Maschinen und Geräte zu bestaunen und sich auszutauschen. Chris Boyens erklärt: „Alten Traktoren üben eine ganz besondere Faszination auf viele Menschen aus: Ihre Einfachheit, die Geschichten, die mit ihnen verbunden sind. Das bringt die Leute hier zusammen“
Ein besonderes Highlight des letzten Gathering of the Green waren vier Lanz-Traktoren, die nicht nur anlässlich des 100-jährigen Jubiläums dieser Marke besonders viel Aufmerksamkeit auf sich zogen. Graham Thompson, der einen der vier Lanz-Traktoren nach Ohio brachte, erzählt: „Die häufigste Frage war auf jeden Fall die, warum auf einem grünen Event blaue Traktoren stehen. Sie war oft der Startpunkt eines Gesprächs, in dem viele Menschen komplett überrascht waren zu erfahren, dass auch die Lanz-Traktoren zur John Deere Familie gehören.“
Diese und weitere Informationen präsentieren Chris Boyens und Graham Thompson auch bei einem eigenen Vortrag zu 100 Jahren Lanz. Unterstützt wurden Sie dabei durch eine Videobotschaft des Experten für John Deere Historie in Mannheim, Christian Quick. Doch was macht denn nun für Graham Thompson die Faszination für Lanz-Traktoren aus? „Von der Bauweise, bis hin zu dem ganz spezifischen Geräusch: Diese Traktoren sind einfach einzigartig.“