Die Färöerinseln liegen weit weg vom Rest der Welt im Nordatlantik, auf halbem Weg zwischen Norwegen und Island. Die 18 Inseln sind karg, unwirtlich, mit Felswänden, die steil ins Meer abfallen, vom Wind gebeutelt, an fast 300 Tagen im Jahr regnet es. Vor 1200 Jahren kamen die Wikinger vorbei, deren Nachfahren zum Teil die heutige Bevölkerung der Färöer bilden. Warum sie auf der Suche nach einem besseren Leben sich gerade hier niederließen? Der Legende nach stiegen – auf dem Weg nach Island – auf den Färöer all jene aus, die seekrank waren, denn noch heute sei der Großteil der Färinger nicht seefest, berichtet Harriet Olafsdóttir mit einem Augenzwinkern.
Die 33-Jährige arbeitet als Schäferin am südlichsten Zipfel von Eysturoy, der zweitgrößten Insel des Archipels. Ihr Schäferhof Hanusarstova liegt wunderschön am Rande des 28-Häuser-Dorfes Æðuvík. Im Rücken die Berge, vor sich freier Blick über die Schafweiden und aufs Meer. Auf den Färöerinseln, – den Schafsinseln, wie sie aus dem dänischen übersetzt heißen, – gibt es mehr Schafe als Menschen; auf 54.000 Einwohner kommen über 80.000 Schafe.
Einzigartige Rasse: Das Färöerschaf
Das Färöerschaf ist eine offizielle Rasse und stammt wahrscheinlich vom norwegischen Spaelsau und Islandschaf ab. Im 19. und 20. Jh. wurden einige schottische Blackface importiert, um die Wollqualität zu verbessern; davon gibt es noch heute Kreuzungen. Über 300 verschiedene Fellfarben soll es beim Färöerschaf geben und bis heute wird seine Wolle vor Ort in Strickwaren verarbeitet.
Das Färöerschaf lebt das ganze Jahr über im Freien, es ist ein ziemlich kleines, kräftiges Schaf und kommt gut mit dem Klima und Böden auf den Inseln zurecht. Zum Hof von Harriet Olafsdóttir gehören rund 70 Muttertiere mit Nachzucht. Die Weideflächen verteilen sich um den Hof, da sind zum einen die eingezäunten dränierten Flächen zum Meer hin, zum anderen offene Flächen, die sich die Berge hochziehen. Autofahrer sind auf den Färöer angehalten immer vorausschauend zu fahren, denn überall könnten Schafe die Straßen kreuzen.
Die Weideflächen sind “King’s Land”, wie Harriet sagt, sogenanntes Königsland, für das sie eine Pacht von 180 Kronen (24 €) an den Staat bezahlt. Dafür wird ihr genau vorgeschrieben, wie viele Schafe sie maximal halten darf. Die Schafe bringen im Durchschnitt nur ein Lamm zur Welt, genug, denn die Muttertiere müssen sich mit dem kargen Grasbewuchs der Böden begnügen. Die Lämmer werden geschlachtet, wenn sie um die 15 bis 20 kg Lebendgewicht haben, dabei ist Hausschlachtung die gängige Form. „Wir produzieren um die 55 Lämmer im Jahr“, berichtet Harriet. Nur ein Drittel davon werden verkauft, der Rest ist für den Eigenverbrauch und die Familie. „Jeder, der uns über das Jahr geholfen hat, bekommt etwas, pro Arbeitstag rechnet man mit einem Lamm.“
Schafzucht ist Tradition
Schaffleisch und das, was daraus gemacht wird, sind wichtiger Bestandteil des Speiseplans der Färinger, wie die Bewohner der Färöerinseln heißen. Heute werden zwar viele Lebensmittel aus Dänemark importiert, doch Jahrhunderte lang hat die Natur den Speiseplan diktiert, wobei Fisch und Lammfleisch am wichtigsten waren. Eine traditionelle Methode, Fleisch und Fisch haltbar zu machen ist „Raest“, was für Fermentierung steht. Das rohe Fleisch wird luftgetrocknet, danach bleibt es mehrere Monate lang hängen und beginnt zu verwesen.
Auf jeder der Faröerinseln kann das Fleisch anders schmecken.
Harriet Olafsdóttir
Der Prozess ist eine Wissenschaft für sich. Ob der richtige Geschmack erworben wird oder nicht, hängt vom Klima ab; wärmere Temperaturen verderben es, zu kühle Temperaturen verhindern die Gärung und zu viel Wind macht es geschmacklos. „Auf jeder Insel kann das Fleisch anders schmecken.“ Harriet sitzt mit ihrem Mann John und den zwei kleinen Töchtern beim Abendbrot; sie schneidet von einer Lammkeule hauchdünne Scheiben ab und belegt damit Butterbrote. Das Fleisch hat eine tiefrote Farbe und schmeckt besonders zart. „Weil meine Tiere ausschließlich mit Gras gefüttert werden“, kommentiert die junge Schafhalterin.
Eine Frau unter Männern
Harriet ist die einzige Frau, die sich auf den Färöer vollkommen der Schäferei verschrieben hat. “Es gibt viele alte Männer um die sechzig”, lacht sie. Und die seien gar nicht begeistert, wie sie ihren Beruf ausübt, wie sie sagt. Obwohl auf den Inseln jährlich um die 900 t Schaffleisch produziert werden, können die wenigsten der rund 400 Schafhalter von der Schafhaltung leben. Schon immer war Schafhaltung vor allem eine Nebenbeschäftigung. Für ein 15-Kilo-Lamm erhält Harriet 1200 Kronen, das sind rund 8 € pro Kilo, wie sie erzählt. „Viel zu wenig, um Profit zu machen.“
Doch sie wollte nie was anderes sein als Schäferin, sagt sie. Bereits mit vier war sie mit dem Großvater bei den Schafen. Und seit vier Jahren ist sie nun für die Herde selbst zuständig. Von der Familie kam keine Unterstützung, das sei kein Beruf für eine Frau, hätten sie gesagt, erst als keiner der vier Brüder die Schafe übernehmen wollte, gab man nach, wie sie erzählt.
Schafe als Teil der Kultur
Bei der Schafhaltung auf Färöer geht es um mehr als Geld. Es ist Teil der Kultur und es geht um Gemeinschaft. Schafbesitzer, deren Weideflächen aneinandergrenzen, treffen sich mehrmals im Jahr, um sich gegenseitig zu helfen. Sie schlachten miteinander, treiben die Schafe aus den Bergen, um sie zu impfen oder zu scheren. Sie wechseln sich ab, bei wem man sich trifft.
Diesmal ist es am Schafstall von Harriet und John. Ende Juli, zwei regenfreie Tage sind angesagt, endlich, denn es wird höchste Zeit, die Schafe vor dem Sommer ihres Felles zu entledigen. Das ist noch reine Handarbeit. Mehrere altertümliche Holzböcke stehen bereit. Es braucht zwei starke Männer, um ein Schaf auf einen Bock zu hieven und den Kopf in der Holzklappe zu befestigen. Rund 15 Männer sind da, auch die Kinder dürfen mitmachen.
Moderne Ideen für eine profitable Schafhaltung
Obwohl sie kritisiert wird, wie sie sagt, will Harriet beweisen, dass man mit der Schafhaltung auch etwas verdienen kann. Vor ein paar Jahren hat sie begonnen, ihre Schafe zu fotografieren. Beeindruckende Nahaufnahmen, die Schafe tragen Blumen und Kopfkränze. „Das klappt, weil meine Schafe großes Vertrauen zu mir haben“, wie sie sagt. Die Fotos erscheinen auf Postkarten, Postern, T-Shirts und werden in vielen Läden auf den Faröer und auch online verkauft. „Mit zwei großen Postern verdiene ich so viel Geld wie mit einem Schaf“, gesteht die junge Frau.
Ich musste keine Werbung machen, die Menschen fanden mich über Instagram.
Harriet Olafsdóttir
Auch auf den sozialen Medien ist sie unterwegs, sie begann als Bloggerin, heute konzentriert sie sich auf Instagram, wo sie 10.500 Followers hat, wie sie erzählt. „Die Leute interessieren sich dafür, was auf unserem Hof passiert.“ Seit diesem Sommer ist auch die Ferienwohnung fertig und im Nu war sie für den Rest des Jahres ausgebucht. „Ich musste keine Werbung machen, die Menschen fanden mich über Instagram.“ Vom deutschen und französischen Fernsehen waren sie auch schon da.
Selbstversorgung mit Milch
Harriet hat auch ein Herz für traditionelle Nutztierrassen. Zum Hof gehören vier Färöerpferde, von denen es auf der Insel nur noch um die neunzig gibt und sonst nirgends auf der Welt, wie sie sagt. Sie würde auch gerne eine Hauskuh besitzen. „Das Färöerrind, das wär es gewesen“, lacht sie. Doch die alte heimische Rinderrasse ist seit 2010 ausgestorben, „der Staat hatte kein Interesse mehr daran,” wie sie erzählt. Denn die Rasse eignete sich nicht für Melkmaschinen, gab nur wenig Milch und passte so gar nicht zum Programm, die Milchproduktion zu modernisieren.
Heute können die Färöer sich mit Milch und Milchprodukten selbst versorgen, wie es von offizieller Stelle heißt. Allein in den letzten zehn Jahren sei die Milchproduktion um 10 % gestiegen, dafür ist die Anzahl der Milchviehbetriebe von 28 auf 16 gesunken. Die verbliebenen Höfe besitzen 900 Milchkühe, arbeiten als Genossenschaft mit Molkerei, Produktion und Vertrieb und liefern jährlich 7,5 Mio. l Milch, aus der neben Trinkmilch auch Joghurt, Butter und etwas Käse entsteht.
Milchviehhalter Roi Absolonsen auf der Insel Viðoy betreibt mit zwei Geschäftspartnern einen der modernsten Milchviehbetriebe mit 120 Milchviehkühen. Und das heißt: Indoor-Stallhaltung. Auf den Färöerinseln sind die Winter mild, mit max. 4 °C, die Sommer meist bewölkt mit max. 15 °C, und jederzeit kann es extrem windig sein und stark regnen. Die Böden sind feucht und die modernen Milchviehrassen, die heute auf den Höfen stehen – bei Absolonsen sind es vorwiegend Holstein-Friesian – zu schwer. Um die Böden zu schonen, bleiben die Tiere im Stall, nur das Jungvieh kommt bei ihm von Juni bis September auf die Weide.
Im Einsatz sind ein Melkroboter und ein Roboterfütterungssystem von TKS, das dem Vieh bis zu zehnmal pro Tag Futter vorlegt. Zum Betrieb gehören 60 ha Grasland, 5 ha werden zugepachtet. Neben Grassilage werden auch Konzentrate wie Soja gefüttert. Wegen der schlechten Bedingungen wird der Großteil des Viehfutters auf den Färöerinseln aus dem Ausland eingekauft – vor allem aus Norwegen und Südamerika.
Heu zu produzieren ist hier ein Glücksspiel, bekennt Schäferin Harriet Olafsdóttir. Sie kann sich an Sommer erinnern, da habe sie nicht einen Tag den Hof verlassen, weil es jederzeit hätte sonnig werden können. Das Wetter sei extrem wechselhaft und unberechenbar, von einer Stunde auf die andere kann es sich ändern und von einer Insel zur nächsten. 2021 war so ein Jahr, da fiel die Heuernte ins Wasser, erzählt sie. In diesem Jahr kauft sie sich daher das Heu für ihre Schafe aus Island ein.
Landwirte in 17. Generation
Doch zeigt sich die Sonne lange genug, dann geht es rund auf den Feldern. Ende Juli, 11 km südlich der Hauptstadt Tórshavn bei Kirkjubøur – einem winzigen Dorf aus schwarzen Holzhäusern mit Grasdach – sind gleich vier Traktoren auf den Wiesen unterwegs. In grandioser Lage mähen und wenden sie Gras, die Flächen reichen bis zum Wasser, das Meer schimmert dunkelblau, dahinter ragen karge Inseln in den Himmel. „Das waren sicher die vier Söhne von Jóannes Patursson“, heißt es später zu Besuch bei Óli und Anna Rubeksen, die nur ein paar Kilometer weiter die Küste entlang in Velbastaður einen Schäferhof mit 150 Muttertieren betreiben.
Familie Patursson arbeite bereits seit 17 Generationen als Landwirte und soll der am längsten bestehende bäuerliche Familienbetrieb der Welt sein. Ihr Bauernhaus in Kirkjubøur stamme von 1350 und für 50 Kronen Eintritt könne man es sich ansehen. Für Gruppen könnten auch Abendessen arrangiert werden. Im Tourismusbüro von Tórshavn werden diese Aktionen als „Dining with Farmers“, Abendessen mit den Bauern vermarktet.
Bei Óli und Anna Rubeksen können sich auch Einzelpersonen zum Essen anmelden. Es läuft hervorragend. Bekochten die Rubeksen zu Beginn nur einmal im Monat Gäste, ist es inzwischen zweimal die Woche. An diesem Abend sitzen 16 Menschen um den großen Wohnzimmertisch, um mit Leckerem aus Zutaten vom Hof verwöhnt zu werden. Gebratenes Lammherz, fettiges Lammfleisch, Kartoffeln, Kohlrüben und Rhabarberkompott. Fünf Gänge kosten knapp 1000 Kronen (134 €) – die Landwirte freut es.
Fakten über die Färöerinseln
- ca. 53.900 Einwohner, fast die Hälfte lebt in der Hauptstadt Tórshavn
- nur ca. 2,15 % der Fläche werden landwirtschaftlich genutzt
- 18 Inseln, viele sind durch Tunnel oder Brücken miteinander verbunden
- die Landwirtschaft trägt ca. 1,5 % zum Bruttosozialprodukt bei, Haupteinnahmequelle ist Fisch
- autonomes Gebiet mit eigener Regierung, dem Königreich Dänemark zugehörig, kein Mitglied der EU.
(kvf.fo und andere Quellen)